Umso mehr ich drüber nachdachte, umso näher Weihnachten kam, umso nervöser wurde ich. Ich bereute nicht Yasmin zugesagt zuhaben, doch irgendwie war mir die Vorstellung unwohl mit ihren Verwandten den Abend zu verbringen. Es lag nicht an Yasmin. Nein, ganz und gar nicht, aber es würden mir unbekannte Personen kommen und da war dann noch Mr. Jones. Ich wusste von Anfang an nicht, ob er mich leiden konnte. Er behandelte mich jedes Mal, wenn wir uns sahen, als wäre ich ein Kind oder eine Bedrohung für die Familie, jedoch war es bisher schon mal vorgekommen, dass er mir ein warmes Lächeln schenkte. Nun gut, vielleicht hatte er nicht mich angelächelt, sondern seine Ehefrau neben mir, aber das spielte keine Rolle. Er konnte freundlich sein. Aber Yasmins Großeltern würden an diesem Tag auch da sein. Ich wusste nicht, ob sie von mir und Yasmin wussten oder gar von ihrer sexuellen Orientierung. Ich hatte angefangen mir verschiedenste Situationen vorzustellen, wie der Abend verlaufen könnte. Von einem gemütlichen Tag bis hin zu dem grauenvollsten Ereignis, das ich je erleben würde.
"....allerdings schien er nicht so begeristert dav-....Emilia? Hörst du mir überhaupt zu?" Lea sah mich enttäuscht an und blieb stehen. Mein Kopf schoß hoch und ich sah ihr in die Augen.
"E-Entschuldige, ich war in Gedanken."
"Schon gut, aber du bist ein Arsch, Emilia Thies" seufzte sie verzweifelt, ehe ihre Lippen wieder ein Lächeln zierte. "Hast du schon ein Geschenk für mich?"
"Ja" ich grinste. Ihre Augen wurden zu Schlitzen.
"Ich hoffe mal für dich, dass du mir keine Scheiße gekauft hast." sagte sie und schob mich in das nächste Kaufhaus, welches potentielle Weihnachtsgeschenke anbot. "Wem aus Yasmins Familie wirst du alles was schenken?" Ich zuckte mit den Schultern.
"Keine Ahnung. Yasmin, aber das ist klar. Ich dachte, dass ich ihnen vielleicht allen zusammen was kaufe." antwortete ich.
"Hast du schon was für Yasmin?" sie sah mich fragend an und durchstöberte das Schild mit den verschiedenen Etagen. Ich schüttelte den Kopf. Sie konnte mich nicht sehen, schaute also nach ein paar Sekunden auf und sah mich abwartend an.
"Nein" wiederholte ich meine Antwort - diesmal mündlich. Lea nickte nur.
"Weißt du was?"
"Ich werde das Richtige finden, wenn ich es sehe." sagte ich nur und erntete wieder nur ein Nicken.
"Lass uns auf die Etage gehen." sagte sie und betrat die Rolltreppe. Ich lief ihr hinterher.
Die leise Musik spielte im Hintergrund, sollte zum kaufen anregen, jedoch brachte sie mich mehr zum flüchten. Last Christmas hatte ich dieses Jahr definitiv schon zu oft gehört, allein schon, weil es Yasmins Lieblingsweihnachtslied war. Ich überlegte. Die vielen Pralinen-Schachteln im Hause Jones hatten mich auf die Idee gebracht, einfach eine große, teure, gute Schachtel Pralinen zu kaufen und sie Yasmins Familie anzudrehen. Ein Rotwein oder Eierlikör dazu wäre vermutlich auch praktisch. Ich machte mir eine gedankliche Notiz und lief weiter durch die Gänge. Lea und ich suchten nach einem gemeinsamen Geschenk für Alex. Sie hatte gesagt, dass wir auch etwas für Naomi kaufen sollten, ich überließ ihr diese Aufgabe.
"Wir könnten ihnen Gleitgel oder Kondome schenken" grinste Lea scherzend. Ich verdrehte nur die Augen.
"Bleib ernst, Lea"
Ungefähr zwei Stunden später hatten wir Geschenke für Alex und Naomi. Für meinen Bruder hatte ich sogar auch etwas gefunden. Wir liefen schweigend durch die kleinen Gassen mit älteren Einzelhändlern, fern ab von der befüllten Einkaufsstraße. Lea meinte, sie würde eine Chocolaterie kennen. Sie führte mich durch die Gassen und schließlich bleiben wir stehen. Ich sah durch die großen Scheiben des Ladens. Wir betraten das Geschäft und sofort kam mir der genüssliche Geruch von Schokolade entgegen.
Nachdem ich meine Blicke über die Schokoladen und Pralinen hatte schweifen lassen, lies ich mir eine Schachtel zusammenstellen aus den verschiedensten Sorten und kaufte anschließend noch einen Likör, der in den hinteren Regalen zur Schau gestellt wurde. Seufzend schweifte mein Blick über die Gasse, als wie die Chocolaterie verlassen hatten und blieb an einem Juwelier hängen. Eine Kette hing im Schaufenster. Silbern, ein kleiner Stein als Anhänger. Es war Bernstein, glaubte ich. Mein Blick lag längere Zeit auf dem Schmuckstück vor mir, ehe ich langsam begann zu nicken.
"Die da" hauchte ich und sah Lea an, welche nur blöd grinste.
"Dann kauf sie" sagte sie und schob mich in Richtung Eingang.
~~~~~
Alex' Koffer stand bereits im Flur. Schweigend stellte er die leere Tasse ab, welche eben noch mit Kaffee gefüllt war. Es war eine bedrückende Stille gewesen. Alex und ich begannen ein wenig uns aus einander zu leben, so hatte ich das Gefühl. Wir waren noch immer gute Freunde, doch redeten wir weniger miteinander. Vielleicht wäre es an der Zeit nach Weihnachten etwas zu unternehmen.
"Gut, also dann fahr ich mal." seufzte er und schlenderte in Richtung Flur. Er würde Weihnachten bei Naomi verbringen. Sie fuhren die Tage weg, abseits der Stadt. "Pass gut auf die Wohnung auf" er zwinkerte mir zu. Ich lächelte, sah nach unten. Er zog sich Jacke und Schuhe an, bevor er sich vor mir stellte.
"Das erste Weihnachten seit Jahren, dass wir nicht zusammen verbringen." sagte ich mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen. Alex ging einen Schritt auf mich zu, ehe er mich umarmte.
"Ja" seufzte er. "Du hättest mitkommen können"
"Aber Yasmin hat mich eingeladen und ich will euch nicht im Weg sein."
"Du wärst uns nicht im Weg. Na gut, okay, der Sex vor dem Kamin würde wohl ausfallen, obwohl wer hat denn schon was gegen einen flotten Dreier" er grinste. Ich gab ihm lachend einen Klapps auf den Oberarm.
"Man, bin ich froh dich bald los zu sein" sein Blick schweifte auf seine Armbanduhr.
"Du bist mich sogar jetzt schon los. Naomi bringt mich um, wenn ich zu spät bin."
"Na dann viel Spaß und frohe Weihnachten." sagte ich und nahm ihn nochmals in den Arm.
"Danke. Dir auch und grüß Yasmin vom mir" er griff nach seinem Koffer und verließ die Wohnung.
Scheiße! Sein Weihnachtsgeschenk! Ich flitzte in mein Zimmer, griff nach der bunten Weihnachtstüte in der die ordentlich verpackten Geschenke waren und lief ihm hinterher. Er stieg gerade ins Auto ein.
"Alex! Warte!" rief ich. Sein Kopf fuhr hoch und drehte sich in meine Richtung. Ein Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit.
"Du musst mich ja echt vermissen" lachte er.
"Ich hab vergessen dir dein Geschenk zu geben und das für Naomi."
"Du schenkst Naomi was?"
"Lea und ich schenken Naomi was." ich reichte ihm die Tüte.
"Danke."
"Bis bald"
"Bis bald"
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Ich bedanke mich schon mal für jegliche Art von Kritik.
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The girl from the bus stop I girlxgirl
RomanceEmilias kleine unscheinbare Welt stellte sich schlagartig auf den Kopf, nachdem sie eine junge Frau an einer Bushaltestelle irgendwo in einer kleinen Stadt kennen lernte.