Kapitel 44

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Ich war kaum wieder Zuhause gewesen, als ich Yasmins Anruf erhalten hatte. Ihrer Großmutter ging es auf einmal viel schlechter und wurde schließlich ins Krankenhaus eingeliefert. Die Ärzte hatten gesagt, sie können nichts mehr für sie tun. Es war vorbei.
Yasmin hatte sich oft wiederholen müssen und ich hatte starke Probleme damit sie richtig verstehen zu könne, da sie so stark geweint hatte. Es war unheimlich schwer sie zu beruhigen und der Drang sie in die Arme zu nehmen zu stark. Lange Zeit hatte ich sie nur schluchzen hören, bis nichts mehr kam, außer ein kleines leises Schnarchen, dass alle paar Minuten durch den Hörer Drang. Es tat weh zu wissen, dass sie litt und dieses Wissen raubte mir die letzten wenigen Stunden Schlaf, die ich noch hätte bekommen können. 
Genervt und völlig übermüdet stieg ich aus der Bahn und und ging in Richtung Universität. Es würde ein langer, anstrengender Tag werden mit langweiligen Vorlesungen. 
Die Musik dröhnte durch meine Kopfhörer in meine Ohren, so laut, dass vermutlich jeder, der an mir vorbei lief, sie ebenfalls hören konnte.
Meine Gedanken waren nur bei Yasmin. Jede Sekunde wartete ich auf einen Anruf oder eine Nachricht, auch wenn ich wusste, dass sie mir in den nächsten Stunden nicht schreiben würde. Entweder schlief sie oder wusste, dass ich Uni hatte und würde sich deshalb nicht melden. Ich bereute es nicht länger geblieben zu sein.

~~~

Ein Rütteln weckte mich aus meinem Schlaf. Ich schreckte hoch und sah meinen Professor an, der mich mit eiserner Miene musterte. 

"Schlafen können Sie Zuhause, Frau Thies." sagte er mit strengem Ton, schulterte seine Tasche und verließ den Raum durch die große Eichenholztür. Verdattert sah ich ihm hinterher, packte meine Sachen ein und eilte mit rotem Kopf aus dem Raum. Während ich an all den Studenten vorbei lief, spürte ich mein Handy in der Hosentasche vibrieren. Mit klopfendem Herzen zog ich es aus der Tasche und sah nach, wer mir geschrieben hatte. Zu meinem Bedauern war es Lea, die mich darum bat am kommenden Wochenende auszugehen. Ich lehnte ab. Kein Kopf dazu. 
Ich machte mich dazu auf zum Bahnhof zu rennen, um rechtzeitig zu meiner Schicht im Café aufzutauchen. Während der Fahrt beschäftigte ich mich mit dem Stoff von der Uni und sah regelmäßig auf mein Handy. 
Der Tag war schlimm. So stressig und ich war viel zu müde und besorgt. Wahrscheinlich würde ich auf der Arbeit sämtliches Geschirr fallen lassen und während ich Bestellungen annahm beinahe einschlafen. 

So wie befürchtet kam es auch. Es waren zwar nur zwei Tassen, eine wirklich schlechte Haltung und einem Gesichtsausdruck dem das Lächeln fehlte, aber ich machte sicherlich keinen guten Eindruck. 
Als es dann auf die 19 Uhr zu ging und ich endlich Zuhause war, hatte ich immer noch keine Nachricht von Yasmin. Es vergingen gefühlte Stunden, bis sie anrief und dabei war es nur eine halbe gewesen.

"Hey, Yasmin" sagte ich leise.

"Hi" kam genauso leise zurück. Sie klang, als hätte sie geweint. Mein Herz brach ein Stück bei dieser Vorstellung.

"Wie geht es dir? Und deiner Familie?" fragte ich in einem ruhigen, besorgten Ton.

"Wie es jemandem eben geht, der soeben ein Familienmitglied verloren hat." Ihre Stimme klang kalt und dennoch brüchig. 

"Soll ich zurück fliegen?" 

"Em, nein. Ich bitte dich, so viel Geld kannst du nicht haben und du musst dich auf die Uni konzentrieren."  lehnte sie ab. Sie würde es nicht zulassen, dass ich nochmals Zeit und Geld dafür ausgab.

"Okay. Kann ich irgendwas für dich tun?" Ich fühlte mich nutzlos. Konnte ihr nicht mal wirklich Trost spenden.

"Ich wollte nur deine Stimme hören. Erzähl mir von deinem Tag, lenk mich ab, ja?" Yasmin klang deutlich verzweifelt. Einen Moment lang zögerte ich. Soll ich ihr denn wirklich sagen, dass ich hatte nicht schlafen können, weil ich mir solche Sorgen gemacht hatte?  

"Mein Tag war nicht sonderlich spannend." sagte ich. "Ich hab nur verschlafen, bin während meiner letzten Vorlesung aufgewacht und mein Professor hat mich geweckt. Ich sag dir, Schatz, der Mann kann unheimlich sein." 

"Du bist während der Vorlesung eingeschlafen? Wie das?"

"Ich..hab heute Nacht nicht genug Schlaf bekommen. Musste viel nachdenken." antwortete ich zögerlich.

"Oh" Allein an ihrem Tonfall hörte ich das schlechte Gewissen raus. Sie wusste über was ich hatte nachdenken müssen. "Es war wegen der S-Sache mit...mit-" Yasmins Stimme brach und sie begann erneut zu schluchzen und zu weinen. Einen Moment schwieg ich.

"Shh, ich bin da, Yasmin." hauchte ich leise. Sie schniefte ein, zwei Mal und schwieg dann. Sie unterdrückte das Weinen, wollte nicht verletzlich wirken, Ich kannte Yasmin mittlerweile gut genug, um das zu wissen. 
Es war noch ein langer Abend gewesen und morgen würde ich vermutlich genauso müde sein wie heute. Yasmin hatte noch viel geweint. Wir hatten ein wenig über unsere Pläne geredet und gerätselt, ob ein knappes halbes Jahr Beziehung nicht doch zu früh zum zusammen ziehen wäre, letztendlich hatten wir uns, wieder einmal, dafür entschieden und beschlossen meiner jetzigen Wohnung zu leben. Ich wusste nicht, ob ich das Gespräch all zu ernst nehmen konnte, oder ob Yasmin nur etwas zum ablenken gebraucht hatte. 

Heute Nacht schlief ich zu erst ein.


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Ich bedanke mich für jegliche konstruktive Kritik.


The girl from the bus stop I girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt