Kapitel 43.

1.6K 110 4
                                    


Es war der Tag der Abreise. 
Yasmin war schon den ganzen Morgen schlecht gelaunt, dachte ich würde es nicht merken, wenn sie ihre Laune hinter einem unechten Lächeln verstecken würde. Beim Frühstück, dem Abscheid von ihrer Familie, die ganze Zeit lang stand sie nah bei meiner Seite. Es hatte sie noch nie nach so vielen Umarmungen gesehnt wie heute. Sie hatte sie alle bekommen, und dennoch waren es für keine von uns beiden genug. Mir ging es ähnlich, wie ihr. Die Tatsache Yasmin für eine weitere Zeit nicht sehen zu können, brach mir das Herz. 

"Schade, dass du nicht länger bleiben kannst." Yasmin schob ihre Unterlippe vor und drückte meine Hand kurz, während wir den Flughafen betraten. Menschen drängten sich an uns vorbei.

"Ja, finde ich auch. Aber bitte versuch mich nicht zum fünften Mal an diesem Tag dazu zu überreden hier zu bleiben. Ich kann nicht." Ich grinste meine Freundin kurz an und stupste sie neckend mit meiner Schulter an.

"Hast du gezählt?" Yasmins Stimme nahm den Ton eines kleinen, unschuldigen Kindes an. Ihre Augen funkelten. Es war zu süß.

"Ich hab geschätzt, Schatz." Ich ließ ihre Hand los und legte meinen Arm stattdessen um sie. Yasmin legte ihre Hand auf meinen unteren Rücken und kuschelte sich, so gut es beim Gehen ging, an mich.

"Meinst du wir gehen das alles zu schnell an?" fragte sie nach einer Weile. Ich stoppte und sah sie verwirrt an. "Mit dem zusammen ziehen und allem?" Ihre Stimme war leise. Ein wenig zu leise für den lauten Raum mit den vielen gestressten Menschen die laute Konversationen im Gehen führten.

"Denkst du nicht, dass jetzt ein ungünstiger Zeitpunkt für dieses Gespräch ist?" Ich deutete auf die Umgebung. 

"Weiß nicht. Ja, schon, aber ich will dieses Gespräch persönlich mit dir führen und nicht übers Telefon. Sobald ich wieder in Deutschland bin, werden wir zusammen ziehen, also wäre das zu spät. Wann sollten wir es dann führen?" Ich warf einen Blick auf die Uhr, um mich zu vergewissern noch ausreichend Zeit zum Reden zu haben. Meine Hand griff nach Yasmins.

"Hast du Zweifel?" War es normaler Weise nicht immer ich, die zweifelte? 

"Na ja, ich meine wir hängen, wenn wir uns sehen können, ja sowieso jede Sekunde aneinander, aber vielleicht machen wir es kaputt, wenn wir es müssen, verstehst du? Ich hab Angst, dass das was wir haben durch zu schnelles Handeln zerstört wird. Emilia, ich liebe dich, daran besteht kein Zweifel. Und ich zweifle auch nicht daran, dass du mich liebst oder, dass das hier was ziemlich erstes ist." Sie deutete auf uns beide. "Aber trotzdem habe ich Angst. Ich hatte noch nie so starke Gefühle für jemanden, wie ich sie für dich hatte." Ihr Daumen strich über meine Hand. Ihre Augen schienen irgendetwas in meinen zu suchen. Mein Blick wich einige Sekunden nach unten. Ich dachte über ihre Worte nach, ehe ich sie wieder ansah.

"Ja, es geht mir auch so, Yas. Ich liebe dich auch und um ehrlich zu sein, würde ich sehr gerne meine Zukunft mit dir verbringen. Also...Aber wir werden nicht zusamen ziehen?" 

"Ist es das was du willst?"

"So klischeehaft es auch sein mag, ich will jeden Abend mit dir einschlafen und jeden Morgen zusammen mit dir aufwachen. Ich will ein Zuhause, dass ich unseres nennen kann. Ich will, dass du glücklich bist." Ich machte einen kleinen Schritt auf Yasmin zu. Mein Herz klopfte wie wild.

"Dann ziehen wir zusammen." Ihre Stimme war stark. Zeigte keine Anzeichen von der >Angst, die sie eben erwähnt hatte.

"Willst du das denn wirklich?"

"Ja. Wenn es nicht funktioniert, finden wir schon eine Lösung. Das werden wir immer." Und mit diesen Worten schoss sie die Lücke zwischen uns und küsste mich mit aller Liebe und Leidenschaft.

~~~~

Yasmins POV:

Es waren nur wenige Minuten, nachdem ich das Flughafengebäude verlassen hatte, als ich den Anruf erhielt. Melanie hatte nicht viel gesagt. Ihre Stimme war leise und krächzend gewesen, hatte gezittert. Ihre Worte hatte ich kaum verstanden. Wir hatten nicht mal eine Minute telefoniert, als sie schon aufgelegt hatte. Alles was ich wusste, war das etwas mit Grandma war. Mein Herz schlug so schnell wie noch nie. Mit den verschiedensten Bildern über mögliche Geschehnisse, die die Ursache für diesen Anruf gewesen sein könnten, im Kopf, stieg ich in mein Auto und fuhr nach Hause. 

Die Zeit verging nicht schnell genug, trotz der freien Straßen und der Strafzettel, die ich mir einhandeln könnte, wenn mich die Polizei anhalten würde. Mein Tempo war zu schnell. Eine unerträgliche Ruhe erfüllte den Innenraum des Autos. Die Luft schien stickig, mein Atem war schwer.

Das Bild, dass mich dort antraf war in meinen Augen fast schon verstörend. Der Krankenwagen fuhr gerade um die Ecke. Dad versuchte mit viel zu viel Gewalt das scheinbar abgeschlossene Auto zu öffnen. Meine Mum stand verzweifelt auf der Veranda und Melanie saß weinend auf der Bordsteinkante. Ein paar Meter neben ihr lag der Gehstock meines Grandpas auf der Straße. Adrenalin wurde durch meine Adern gepumpt. Ich sprang aus dem Wagen und lief hoch zu meiner Mutter, die scheinbar als einzige ansprechbar zu sein schien. Im Hintergrund hörte ich den Motor des Autos meines Dads aufheulen. 

"Was ist passiert? Wo sind Grandma und Grandpa?" 

___

Ich bedanke mich für jegliche Art der konstruktiven Kritik.

The girl from the bus stop I girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt