12. Kapitel

85 11 5
                                    

Schritte. Schmerz. Meine Wahrnehmung war auf das einfachste reduziert worden. Schritt. Schmerz. Mehr gab es nicht. Ich dachte auch nicht darüber nach, dass es etwas anderes geben könnte. Ich dachte nicht nach. Mein Kopf war vollkommen leer. Ich bestand nur noch aus unzähligen Protestierenden Nervenenden die sich einfach nur noch hinlegen wollten. Aber ich ging weiter. Es blieb mir nichts anderes übrig, denn Schmerz bedeutete Leben. Also entschied ich mich immer und immer wieder dafür zu leben. Bei jedem einzelnen Schritt.
Die Sonne sank in meinem Rücken immer weiter. Ich spürte wie die Wärme an mir herunterwanderte. Übrig blieb ein kühler Wind der mich unangenehm daran erinnerte, dass es noch andere Dinge gab, mich daran erinnerte dass, das Gras unter meinen Füßen war, das es einen Himmel gab, das die Haare in meinem Nacken kratzen, mich daran erinnerte dass ich denken konnte. Ich wollte nicht denken. Es machte mich schwach. Es machte die Entscheidung so viel schwerer. Aber es war zu spät. Ich war immer noch träge, aber ich begann wieder mir Sorgen zu machen, nachzudenken, zu überlegen. Ich suchte nach Lösungen anstatt zu akzeptieren dass es keine gab. Der Drang sich hin zu legen wurde immer größer.
Und dann, endlich, gerade als ich glaubte, dass die Ebene nie enden würde, endlich erblickte ich den seltsamen kleinen Baum an dem wir auch letztes Mal vorbeigekommen waren. Ich erinnerte mich noch deutlich an seine blattlosen Äste und seine graue, zerfurchte Rinde. Pure Erleichterung durchströmte mich. Ich würde es schaffen. Ich würde zum Fluss kommen.
Bis jetzt hatte ich damit gerechnet irgendwann einfach liegen zu bleiben. Aber ich hatte es geschafft. Die Ebene war zu Ende. Ich stolperte nach vorne. Meine Schritte wurden länger. Halb nahm ich wahr wie Nura und Same sich bemühten mit mir Schritt zu halten. Mir war schwindelig. Ich konnte nicht sagen ob vor Erschöpfung oder vor Erleichterung.
Der Baum kam immer näher. Aber der Horizont blieb unverändert. Angst stieg in mir auf. Der Fluss, er musste da sein. Er musste einfach. Ein Fluss, reißend und tödlich, mehr als dreißig Schritte breit, die Lebensgrundlage so vieler Lebewesen, er konnte nicht einfach verschwunden sein. Dann erblickte ich einen weiteren Baum am Horizont. Grau, seltsam klein. Und auch wenn ich es noch nicht erkennen konnte, ich wusste genau das die Rinde trocken und rau sein würde. Die Erschöpfung übermannt es mich. Meine Schritte wurden immer langsamer. Ich lief gekrümmt, den Kopf hängend.
Natürlich. Ich hätte es wissen müssen. Wie hatte ich es nicht wissen können. Natürlich war die Ebene nicht zu Ende. Es würde mich einige Bäume geben bevor wir am Fluss sein würden. Dieser war nur der erste. Und der dahinter war nur der zweite. Die Ebene erschien mir auf einmal wieder unendlich. Als würde sie nie zu Ende gehen. Vielleicht würde sie nie zu Ende gehen. Vielleicht würden wir alle bis in alle Ewigkeiten laufen, ohne das Ende je zu erreichen...
Ich bis mir auf meine trockene Zunge. Meine Gedanken waren vollkommen sinnlos. Wie kam ich auf solche Ideen? Der Wassermangel? Ich war den ganzen Tag lang in der Sonne gelaufen. Ich hatte seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen. Meine Beine fühlten sich an als wären sie aus Wasser. Als würden sie jeden Augenblick in unzählige Tropfen zerspringen und im Boden versinken. Aber ich lief weiter. Mittlerweile sträubte sich nichts mehr in mir dagegen. Ich ertrug nur noch den Schmerz. Die Schritte lenkten mich auf gewisse Weise sogar ab. Sollte ich jetzt stehenbleiben, würde es noch viel mehr wehtun, ich hatte es schon oft erlebt.
Der erste Baum kam immer näher. Ein starker Geruch nach meinem Rudel kam mir entgegen. Ich sah überall Pfotenspuren und lange Haare aus Kosars Mähne hingen an der von Krallenspuren gezeichneten Rinde. Unter schweren Augenlidern ging ich ein wenig auf den Baum zu. Dann sah ich die Reste eines Kadavers unter den paar dornigen Sträuchern liegen die rund um den Baum wuchsen. Die Knochen lagen verstreut und viele waren zersplittert, aber ich erkannte auch so, dass ein junges Gnu war. Kein Fitzelchen Fleisch hing mehr an den Knochen. Alles war sauber angenagt und abgekratzt worden. Ein paar der Spuren sahen sehr frisch aus.
Ich ging weiter. Mein langsames Hirn brauchte einige Zeit bis es sich zusammen gereimt hatte, was vermutlich vorgefallen war.
Die Fremden. Sie hatten das Gnu erjagt und gefressen. An diesem Baum. Und dann hatten sie uns angegriffen. Ein schwacher Anflug von Wut durchströmte mich als ich an das fremde Rudel dachte. Meine Finger zuckten leicht als wären sie Krallen und würden sich in Fell graben. Die Fremden hatten nur den Kadaver zurück gelassen. Und ihre Markierungen zusammen mit jede Menge Spuren und anderen Gerüchen. Dann war mein Rudel gekommen, hatte den Kadaver gefunden, die letzten Reste gefressen und die fremden Markierungen überdeckt.
Hinter mir ertönte ein jämmerliches Maunzen. Langsam drehte ich den Kopf. Die Strahlen der untergehenden Sonne blendeten mich. Nura und Same suchten zwischen den Überresten des Gnus nach etwas zu essen. Irgendetwas das die Anderen übersehen hatten. Ich rief leise nach ihnen. Es war mehr ein Krächzen als irgendetwas anderes, zu mehr war ich nicht imstande. Sie blickten auf, ich sah sie an, dann lief ich weiter. Sie würden nichts finden. Die Anderen hatten nicht zurückgelassen.
Ich hörte das leise Trappeln von Pfoten auf der staubigen Erde. Immerhin hatten sie noch genug Kraft mir zu folgen. Ich hatte befürchtet sie würden einfach zurück bleiben. Ich wusste nicht was ich tun sollte, sollte noch ein Rudelmitglied sterben.
Ich spürte wie die letzten Sonnenstrahlen meinen Rücken entlangstrichen. Meine Augen waren fest auf die dunkle Erde gerichtet. Durch das schwindende Licht hatte sie die Farbe von Blut. Die langen Schatten waren so schwarz wie die Nacht. Alles war in rötliches Licht getaucht. Es musste wunderschön aussehen, aber ich bekam nichts davon mit. Ich war nicht dazu in der Lage Schönheit zu erfassen, alles was ich tun konnte war weiter zu laufen. Jeder noch so kleine Hubbel in der Erde verlangte all meine Konzentration, ich war viel zu erschöpft als das Gleichgewicht noch eine Selbstverständlichkeit war. Jede kleine Briese die über die Savanne strich brachte mich zum Schwanken. Meine Augen wanderten ziellos hin und her. Alles war ein wenig verschwommen, es war zu anstrengend auch nur meinen Blick scharf zu stellen.
_______________________________________
Ich schreibe das hier eine Woche bevor ihr es zu lesen bekommt. Ich versuche jeden Tag etwa zweihundert Wörter mindestens zu schreiben, sodass die unveröffentlichten Kapitel immer mehr werden. Sollte ich dann irgendwann eine Pause machen, hätte ich was das ich hochladen kann :)
Und tut mir wirklich leid. Ich habs am Sonntag verpennt und Montags kann ich ohnehin nicht wirklich....
T°T

Rote Sonne Die Löwen von AkanaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt