12. Kapitel

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Die Sonne sank langsam dem Horizont entgegen. Aber es würde noch lange dauern bis es dunkel sein würde. Der Tag und die Dämmerung waren lang in der Trockenzeit. Die Jagtchancen wurden besser, je dunkler es wurde. Zumindest für die Löwen. Ich hatte große Probleme im dunkeln zu sehen, vielleicht weil meine Augen nicht so leuchteten wie die der anderen wenn das Mondlicht sich darin spiegelte.

Ich seufzte. Meine Haut brannte, meine Beine fühlten sich an als würden sie zerfetzt werden, ich hatte Hunger und Durst. Und dabei ging es mir nicht einmal so schlecht. Ich hatte zumindest etwas zu essen und keine Wunden. Same und Nura wurden immer langsamer. Ihre Pfoten schleiften über den Boden.

Ich konnte nicht wiederstehen, ich musste nach hinten schauen. Der Fuß des Berges war nicht mehr zu sehen, aber er ragte dennoch deutlich sichtbar und weit in den Himmel aufragend aus der Savanne empor. Die mittlerweile schon vertraute Verzweiflung überfiel mich. Erst so wenig hatten wir geschafft. Selbst wenn Nura, Same und ich es bis zum Fluss schaffen würden, jagen konnten wir so auf keinen Fall.

Ich schloss zu den beiden auf. Sie zeigten nicht einmal, dass sie es bemerkt hatten. Nuras dunkles Fell war bedeckt mit dem rötlichen Staub der Savanne. Sie wirkte seltsam gescheckt, da die dunklen Flecken ihrer Neugebohrenenzeichnung noch stark zu sehen waren.

Spitze Steinchen bohrten sich in meine Füße. Ich nahm es nur am Rande war. Der Horizont war so unendlich weit entfernt. Mit jedem Schritt kommst du näher ans Ende. Jeder einzelne Augenblick... meine Gedanken verflogen. Ich biss die Zähne zusammen als der Schweiß mir über die empfindliche Haut am Nacken lief. Alles was ich war nahm waren Schmerzen. Die anderen waren kaum noch zu erkennen. Das hohe Graß der Savanne bedeckte die Löwen. Nur Taos und Kosars dunkle Mähnen waren zu sehen. Ich lief vor Nura und Same, damit sie sich nicht auch noch darauf konzentrieren mussten, der Witterung der Anderen zu folgen.

Keine Wolke bedeckte den Strahlend blauen Himmel. Die Sonne stand hinter uns, sodass sie uns wenigstens nicht blendete. Die Schatten wurden immer länger. Bäume und Büsche zogen vorbei. Nicht ein Tier war zu sehen. Ich erinnerte mich an eine Gruppe von Pavianen die ich gesehen hatte, von ihnen fehlte jede Spur obwohl derartige Gruppen normalerweise eine deutliche Spur der Verwüstung hinterließen. Die Zeit verstrich so quälen langsam. Jeder einzelne Schritt war die reinste Folter. Der Fuß zu heben, das Gewicht zu verlagern, alles erschien mir umständlich, anstrengend und sinnlos. Aber ich biss die Zähne zusammen. Ich hatte keine Wahl. Weitergehen oder was? Sich hinsetzen und darauf warten, dass die anderen zurückkehren? In den Dschungel gehen? Auf eigenen Faust jagen gehen? Ich lachte kurz auf, jede dieser Optionen würde mich umbringen. Früher oder später. Alleine zu jagen, derartig weit draußen, ich erinnerte mich noch gut an die Hyänen. Und selbst wenn sich hier nicht auch noch andere Jäger herumtrieben, die Wahrscheinlichkeit  jetzt noch Wild zu finden war gleich Null. Alles was noch Beine hatte war zum Fluss gegangen oder hatte sich tiefer in den Dschungel verkrochen, von dem ich mittlerweile auch mehr als genug hatte. Die letzten paar Tage waren viel Glück gewesen, der Dschungel war nichts für mich und die Löwen. Wir konnten dankbar dafür sein überlebt zu haben, jetzt müssten wir weitermachen.

Ich sah wieder zurück. Der Felsen schien kein Stück weiter weg gerückt zu sein. Nura und Same trotteten nun mit bedenklichem Abstand hinter mir her. Ich blieb stehen und wartete bis sie zu mit aufgeschlossen waren, dann liefen wir zu dritt weiter. Die beiden schleiften mit den Pfoten über den Boden, die Zungen hingen ihnen aus dem Maul. Es war erbärmlich an zu sehen. Ich sah nach vorne. Die Anderen liefen ein gutes Stück weiter vorne, bald würden wir sie verlieren.

Ich zog meine Schritte an auch wenn es mich einiges an Überwindung kostete, in der Hoffnung die beiden dazu anzuregen ebenfalls schneller zu laufen. Es besserte meine Laune nur ein kleines Stück, als ich das schneller werdende Tappen ihrer Pfoten auf der trockenen, roten Erde hörte. Sie hatten noch Kraft. Ich dagegen brauchte all meine Konzentration nicht um zu kippen. Der Reiz sich einfach irgendwo hin zu setzten wurde immer größer. Nur für einen Augenblick...Ich riss mich zusammen. Ich war wieder langsamer geworden und hatte mich nach rechts zum Dschungel gewandt. Erschöpft zwang ich meinen Füße dazu sich wieder auf den unaufhaltsamen Horizont zu wenden. Nura und Same liefen immer noch hinter mir. Sie folgten mir einfach blindlings, ohne darüber nach zu denken, vermutlich bräuchten sie wie ich all ihre Konzentration und weiter zu gehen.
Es war so anstrengend auch nur einen Fuß zu heben. Ein Schritt schien unmöglich. Aber ich lief weiter. Meine Schritte waren mechanisch. Schmerz. Fuß heben. Schmerz. Auf den Boden setzten. Schmerz. Es war so anstrengend. Dabei war es nur laufen, allein der Gedanke an die Jagt war entmutigend. Ich überlegte den Kopf nach hinten zu drehen um zu schauen ob der Berg weiter in die Ferne gerückt war, aber ich befürchtete hin zu fallen und dann nicht mehr genug Kraft zu haben auf zu stehen. Denken war anstrengend. Alles war anstrengend. Ich richtete meine Bemühungen darauf auf den Horizont zu zu laufen und nicht in Schlangenlinien. Halb registrierte ich dass Nura und Same noch immer hinter mir her liefen, unsere Schritte ergaben einen traurigen, langsamen Rhythmus.
Ich könnte die Anderen nicht mehr sehen.
Schmerz. Alles war so anstrengend und schmerzhaft. Aber solange ich Schmerzen verspürte war ich am Leben und so lange ich weiterlief würde ich weiter leben. Es war nicht als ob ich eine tiefe Biss- oder Krallewunde hatte, es war nicht beißend und sauber sondern viel tiefer und zermürbender. Eine Wunde heilte, dieser Schmerz würde aber immer auf mich lauern und immer da sein. Es gab nichts was ihn davon abhalten würde wieder zu kommen.
Mittlerweile war auch das Denken viel zu anstrengend. Ich verfiel in eine Trance. Schmerz. Schritt. Schmerz. Schritt. Mein Sichtfeld wurde immer kleiner. Ich sah nur noch die Erde auf die ich als nächstes treten würde und den Horizont. Ich hörte nur noch die leisen Schritte von Nura und Same. Ich nahm nur noch die schwindenden Sonnenstrahlen war. Alles andere würde bedeutungslos.
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Ich habe komplett vergessen zu erwähnen das sie ihren Bogen dabei hat... -.-

Rote Sonne Die Löwen von AkanaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt