Eine knappe Woche später wache ich auf und bleibe regungslos liegen. Es hat kein Wecker geklingelt, meiner ist aus, und Jim hat noch nie einen gebraucht. Resigniert starre ich an die Decke und ignoriere meinen Ehemann, der neben mir liegt und friedlich schläft. Friedlich. Ein Wort das eigentlich gar nicht zu ihm passen dürfte, das so falsch im Bezug auf ihn klingt dass es schon absurd ist. Und doch ist es so.
Wenn Jim schläft sieht er immer so süß und unschuldig aus, mit seinen schwarzen Haaren die, während er schläft, machen was sie wollen und seinen entspannten und so vertrauten Gesichtszügen. Schwer vorzustellen dass er kalt, unberechenbar und gefährlich sein kann und sogar Menschen getötet hat.
Allerdings bin ich momentan sauer auf ihn, egal wie niedlich er auch aussehen mag, vorallem wegen meines Jobs, den ich ohne Grund kündigen musste. Zumindest ohne einen Grund den meine Kollegen verstehen würden.
Das ist auch der Grund warum ich hier liege ohne mich zu rühren, denn ich habe nichts weswegen ich aufstehen müsste. Jedenfalls noch nicht. Und das alles nur weil Sherlock Holmes mich gefunden hat.
Sherlock. Noch so ein Grund warum ich sauer auf Jim bin, denn die ganze letzte Woche hat er über nichts und niemanden anderes geredet. Ständig hat er von dem Consulting Detective erzählt, einige, oder vielmehr alle seiner alten Fälle wieder aufgerollt und mich gefragt wie Sherlock denn so war.
Allerdings nur solange bis ich ihn vorgestern Abend angefahren habe damit aufzuhören, seitdem hat er kein Wort mehr mit mir gesprochen. Ich habe aber nicht versucht mit ihm zu reden, und so schweigen wie beharrlich seit zwei Tagen. Seit gestern bleibe ich den ganzen Tag zu Hause, was mich nochmal mürrischer macht.
Jim hingegen ist länger weg als jemals zuvor, und seine Arbeit hört auch zu Hause nicht auf, denn er verzieht sich sofort in sein Arbeitszimmer. Er will ein 'Spiel' für Sherlock vorbereiten, das war zumindest seine Erklärung bevor wir begonnen haben uns anzuschweigen.
Diese, ja, Besessenheit von Jim ist beängstigend, es ist als wäre er vollkommen ausgewechselt nach Weihnachten. Auch Seb macht sich Sorgen und hat mir erzählt dass Jim gestern zwar bedrückt wirkte, sich aber sofort an die Arbeit gemacht hat. Normalerweise ist er, wenn wir Streit haben, mit den Gedanken abwesend und macht nur das nötigste seiner Arbeit. Noch immer glaube ich dass es etwas mit dem zu tun hat, weswegen mein Mann am ersten Weihnachtstag wegmusste.
Allerdings bin ich es leid ihn einfach nur anzuschweigen, auch wenn ich noch sauer auf ihn bin. Vielleicht können wir ja einen Kompromiss finden.
Ich drehe den Kopf zu Jim, der mir zugewandt liegt und einen Arm unters Kissen geschoben hat. Er muss sowieso bald aufstehen, also dürfte es kein Problem sein wenn ich ihn schon jetzt wecke.
Vorsichtig strecke ich einen Arm nach ihm aus und berühre ihn sanft an der Schulter.
"Jim?"
Als Antwort vergräbt er sein Gesicht in seinem Kissen. Wehe er ignoriert mich jetzt völlig im Schlaf, genau dann wenn ich mich wieder vertragen will.
"Jim?", versuche ich es energischer und er bewegt murrend den Arm.
"Was ist denn?", murmelt er verschlafen aber knurrend und ich halte eine bissige Antwort zurück.
"Ich wollte mit dir reden", antworte ich stattdessen ruhig und er öffnet seine Augen um mich anzuschauen. Vom Schlaf wirken sie fast schwarz und er betrachtet ich mit gleichgültiger Miene.
"Tut mir leid dass ich dich angeschnauzt habe", mache ich den ersten Schritt und er hebt eine Augenbraue.
"Ich war nur wütend weil du nur noch von Sherlock geredet hast, ich hatte das Gefühl dass ich dir egal war", fahre ich fort und er schließt die Augen halb, dann grinst er leicht. Mit einer Bewegung ist er über mir und ich fühle seinen warmen Atem auf meiner Haut.
"Entschuldigung angenommen", murmelt er und gibt mir einen sanften Kuss auf die Lippen.
"Ich versuche nicht mehr so oft von ihm zu reden, okay?"
"Okay", antworte ich flüsternd, überrascht von seiner plötzlichen Nähe.
Das ging ja einfach.
Allerdings ist er jetzt in Kuschellaune, wahrscheinlich um die letzten zwei Tage wieder aufzuholen.
"Jim", keuche ich als er sein ganzes Körpergewicht auf mich legt und versuche ihn erfolglos wegzudrücken.
"Du bist schwer."
Mit einem Lachen bewegt er sich von mir runter um mich danach seitlich an sich zu ziehen.
"Oder du bist schwach."
"Aua", mache ich, doch er lacht nur noch mehr und vergräbt seine Nase in meinen Haaren während ich schmollend den Kopf wegdrehe. Toll, er ignoriert das einfach.
"Du weißt dass ich das nur mache um dich ein bisschen zu ärgern, oder Honey?", raunt er an meinem Ohr.
"Pff."
Daraufhin lacht er schon wieder und ich muss schmunzeln. Wenn er gerade so drauf ist, kann ich ihm nicht lange böse sein.
Schließlich schmiege ich mich an ihn und genieße das Schmusen bevor Jim wieder den ganzen Tag weg ist. Nun wieder schläfrig geworden, döse ich vor mich hin, Jims Arm noch immer um mich gelegt. Aber als auch nach einer gefühlten halben Stunde keiner von uns beiden sich rührt, werde ich stutzig.
"Musst du nicht zur Arbeit?", frage ich ihn murmelnd und er streicht mir sacht mit der Hand über den Rücken.
"Später", antwortet er, was mich dazu bringt verwirrt die Augen zu öffnen.
"Wie bitte? Du und später zur Arbeit gehen?"
"Ich bin doch kein Workaholic", brummt er nur und ich schnaube. Nein, er doch nicht, überhaupt nicht, wie komme ich denn auf sowas? Total absurd.
"Klar, es ist vollkommen normal zwölf Stunden durchzuarbeiten, hatte ich ganz vergessen."
Mit einem Seufzen dreht Jim sich auf den Rücken.
"Willst du etwa schon wieder streiten?"
"Nein."
Nach einem Moment füge ich hinzu:
"Zwei Tage waren schon genug."
Ich nutze die Gelegenheit und lege meinen Kopf auf seine Schulter, während mein Arm ihn festhält. Dann genieße ich halt die Zeit und lasse ihn gar nicht aufstehen. Eine Weile lang höre ich nur Jims Atem, sowie meinen eigenen Herzschlag, ansonsten ist es um uns herum still. Jedenfalls nur solange bis mein Ehemann Anstalten macht aufzustehen.
"Jetzt ist noch nicht später", halte ich ihn auf, einen Arm noch immer um ihn geschlungen. Mit einem Seufzen legt er mir eine Hand an den Hinterkopf und macht kleine, kreisförmige Bewegungen mit seinen Fingern in meinem Haar.
"Ich muss aber", antwortet er leise, doch ich rühre mich nicht.
"Mir doch egal."
"Honey, bitte."
"Mmm", murre ich, lasse ihn aber los und drehe mich auf den Rücken. Als ob Jim sich bei mir entschuldigen will, gibt er mir einen Kuss und berührt meine Nase mit seiner.
"Ich bin dafür bald wieder zurück, und dieses Mal werde ich nicht noch am Laptop arbeiten, versprochen. Dann können wir so lange im Bett bleiben wie du willst."
"Klingt gut. Für den Anfang", antworte ich und Jim lacht leise, dann steht er endgültig auf.
Es ist frustrierend die Einzige zu sein, die zu Hause bleiben muss während alle anderen meiner Freunde arbeiten gehen. Dazu kommt auch noch die anstrengende Aufgabe mir einen neuen Job zu suchen, einen der mich interessiert und anspruchsvoll genug ist. Jim ist dabei nicht wirklich eine Hilfe, wenn es nach ihm ginge würde ich nichtmal eine Bewerbung schreiben, sondern er würde die Leute einschüchtern bis sie mich einstellen. Was für ein seltsamer Mensch.
Eben dieser Mensch kommt eine halbe Stunde später die Treppe wieder hoch und ich drehe mich mit dem Gesicht zur Tür als er hereinkommt. Blinzelnd schaue ich ihn an und stutze. Er trägt eine Jeans, ein dunkelblaues T-Shirt, darüber eine gleichfarbige Stoffjacke sowie normale weiße Turnschuhe an den Füßen. Perplex starre ich ihn an als er sich zu mir aufs Bett setzt.
"Wer bist du, und was hast du mit meinem Anzüge-liebenden Ehemann gemacht?"
Da lacht er, während seine Hand meine nimmt.
"Nana, ich dachte du fändest es ganz gut dass ich mal nicht in meiner Firma arbeite."
Ich halte ihn mit einer Hand auf als er sich zu mir beugt um mich zu küssen.
"Bitte was?"
Soll das jetzt so eine Art Versöhnungsding sein, so nach dem Motto, 'Du hast keinen Job mehr, also suche ich mir jetzt auch einen neuen Job'?
"Ich arbeite ab heute im Sankt Bartholomäus Hospital als IT-Fachmann", erklärt er mir, was meine Verwirrung trotzdem nicht mindert.
Anscheinend schreit mein Blick die ganze Zeit nach einer Erklärung, denn Jim lächelt.
"Ich erklär's dir heute Abend genauer", meint er, gibt mir einen Kuss und steht vom Bett auf.
"Okay...", antworte ich, noch immer verwirrt, und schaue ihm hinterher während er aus der Tür geht.
"Bis nachher Mel."
"Tschüß Jim."
Kurze Zeit später verlässt er das Haus und ich bin alleine. Jim arbeitet beim IT? In einem Krankenhaus? Freiwillig? Als ob.
Mit einem Seufzen vergrabe ich mich nochmal in meiner Decke und döse weiter vor mich hin, die Tatsache dass die Sonne schon aufgegangen ist, ignorierend.~~~
Am Abend sitze ich gerade in der Küche am Laptop, als ich den Schlüssel in der Haustür höre. Jim kommt wieder, und ich höre wie er seine Jacke an die Garderobe hängt und sich die Schuhe auszieht, bevor er nach mir ruft.
"Honey?"
"In der Küche", antworte ich und nehme einen Schluck meines Tees, den ich mir für meine Recherchen gemacht habe. Tatsächlich habe ich ein paar Jobs gefunden, mit denen auch Jim einverstanden sein wird. Hoffe ich zumindest.
"Was machst du denn?", erkundigt er sich und kommt zur Küche.
"Ich recherchiere und wollte gerade anfangen ein paar Bewerbungen zu schreiben."
"Aha."
Er stellt sich hinter mich, nimmt sich meine Teetasse und trinkt einen großen Schluck.
"Ey!", protestiere ich lachend und er gibt mir die Tasse zurück.
"Hatte heute nur Kaffee", erklärt er kurz und gibt mir einen Kuss auf die Wange, während er mich von hinten umarmt.
"Hast du mich vermisst?"
"Ein bisschen", meine ich grinsend und er lacht.
"Also hast du mich sehr vermisst."
"Vielleicht", antworte ich und lehne meinen Kopf gegen ihn. Natürlich habe ich ihn vermisst, eigentlich muss er das gar nicht mehr fragen, er weiß es sowieso schon. Wahrscheinlich mag er es, die Gewissheit zu haben und es aus meinem Mund zu hören.
"Hmpf. Welche Jobs hast du dir denn rausgesucht?", erkundigt er sich bei mir und ich öffne den Browser wieder, wo ich die Jobs gefunden habe.
"Die hier. Ich habe bei einem schon angerufen und die wirkten ganz begeistert von der Idee dass ich bei ihnen anfange. Deswegen habe ich bereits die Bewerbung dazu angefangen."
Jims Blick huscht über den Bildschirm und er macht ein zustimmendes Geräusch.
"Der Job als meine Sekretärin ist allerdings jederzeit für dich verfügbar, und zwar nur für dich", meint er noch und ich verdrehe die Augen.
"Vergiss es", murmele ich, wodurch ich ein Lachen von Jim ernte.
"Dann schreib halt deine Bewerbung, wenn du das unbedingt willst. Aber vergiss nicht, dich als Melody Smith einzutragen."
"Hast du jetzt meinen Nachnamen in Smith geändert?", Frage ich halb empört, halb überrascht und er richtet sich wieder auf.
"Jap. Sei mir nicht böse, aber so findet dich garantiert niemand."
So, also sind Melody Grand und auch Melody Moriarty für immer verschwunden. Das tut irgendwie weh.
Ich klappe den Laptop zu, stehe auf und drehe mich zu meinem Mann um. Es ist ungewohnt ihn an einem Werktag nicht in Anzug zu sehen.
"Als Entschädigung dafür dass du mich nicht gefragt hast, will ich wissen warum du jetzt als IT-Fachmann beim Barts arbeitest", fordere ich und Jim zieht schmunzelnd eine Augenbraue hoch.
"Sicher dass du nicht eine andere Entschädigung möchtest?", fragt er während er eine Hand an meine Taille legt und ich seufze.
"Ja, jetzt möchte ich nur eine Erklärung."
Kurz zieht er einen Schmollmund, dann schaut er mich wieder normal an.
"Ich will auf diesem Weg an Sherlock herankommen, so als Vorbereitung für unser Spiel. Außerdem wollte ich mal etwas neues ausprobieren."
Er zuckt mit den Schultern, lächelt und zieht ich ein wenig enger an sich. Sherlock, war ja klar.
"Erklärung genug?", erkundigt er sich, nur Zentimeter von einem Kuss entfernt und ich nicke.
"Ich denke schon."
Mit einem Grinsen küsst er mich liebevoll auf den Mund und ich lege meine Arme sacht um seinen Hals. In letzter Zeit werden solche 'romantischen' Küsse seltener, meist weil Jim noch länger arbeitet als sonst.
Als wir uns wieder lösen, lehnt er seine Stirn gegen meine.
"Ich liebe dich, Melody."
"Ich liebe dich auch, Jim"***
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Moriarty In Love - The Game
FanfictionFortsetzung von "Moriarty In Love": "Es wird alles gut, Honey. Vertrau mir." "Das würde ich gerne Jim." Melody und Jim haben schon viel gemeinsam, und auch alleine, überstanden. Doch nun kommen neue Schwierigkeiten auf sie zu, und das nicht nur in i...