44. Suche nach Jim

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Melody:

Als ich wieder aufwache, liege ich unter der Decke, die sonst immer auf dem Sessel neben dem Sofa liegt. Es ist still um mich herum, außer mir scheint niemand im Wohnzimmer zu sein.
Die Terrassentür steht ein wenig offen, kühle Luft kommt herein. Mein erster Gedanke ist der, dass Jim wohl draußen ist, doch dann erinnere ich mich an das was passiert ist. Dass Sebastian verletzt zu mir gekommen ist, ohne Jim, und dass mein Ehemann entführt wurde. Unwillkürlich fange ich an zu zittern bei dem Gedanken, wie es ihm wohl geht, oder was er gerade durchmachen muss.
Obwohl meine Sorge und Angst um Jim nicht im geringsten gesunken ist, muss ich zugeben, dass ich mich besser fühle dadurch dass ich geschlafen habe. Ich schlage die Decke zurück und stehe vom Sofa auf. Mein Rücken knackt als ich mich strecke, dann gehe ich zur offenen Terrassentür.
Draußen ist es angenehm kühl, ein sanfter Wind rauscht durch die Blätter der Bäume. Doch Sebastian ist nicht hier, nur zwei Zigarettenstummel verraten dass er hier draußen war.
Ich gehe wieder rein und schließe die Tür hinter mir, bevor ich mich auf zur Küche mache. Vielleicht ist der blonde Sniper ja da. Zumindest stehen die beiden Laptops noch auf dem Wohnzimmertisch, also ist er vielleicht nur etwas trinken gegangen.
"Seb?", frage ich mit einer Stimme in den Raum hinein, die so gar nicht nach mir klingt. Ich höre mich klein und verängstigt an, wie ein Kind wenn der Strom ausgefallen ist und es alleine über den dunklen Flur zum Zimmer der Eltern gehen muss.
Es kommt keine Antwort, und in der Küche ist auch niemand. Ich atme tief durch, denn eine leise Stimme in meinem Kopf beginnt zu vermuten, dass Sebastian nun ebenfalls entführt wurde.
"Seb?", rufe ich nun lauter, mit mehr Kraft in meiner Stimme. Doch nach wie vor bleibt das Haus still. Nun werde ich schon ein wenig nervös, mit schnellen Schritten laufe ich die Treppe hoch um oben zu suchen. Alle drei Zimmer sind leer, das hatte ich mir schon gedacht. Wenn Seb hier oben wäre, hätte er mich gehört und geantwortet.
Die Tatsache, dass er nicht im Haus zu sein scheint, versetzt mich unwillkürlich in Angst. Gerade laufe ich die Treppe wieder runter um im geheimen Keller des Hauses zu suchen, da höre ich den Motor eines Autos in der Einfahrt. Ohne zu überlegen öffne ich die Tür, genau in dem Moment in dem Sebastian die Tür seines Autos öffnet um auszusteigen.
"Hey Mel, du bist wach", begrüßt er mich und holt eine Tasche von seinem Beifahrersitz, während ich einfach in der Haustür stehe. Langsam verschwindet dieses Gefühl, dass man mich alleine gelassen hat und Erleichterung durchströmt mich. Gleichzeitig runzele ich aber auch verärgert die Stirn.
"Bitte mach das nie wieder, dass du mich alleine lässt ohne etwas zu sagen. Zumindest nicht solange Jim noch von diesen Leuten festgehalten wird."
Der Blonde stockt einen Moment, dann macht er die Autotür zu und schließt ab, bevor er zu mir kommt.
"Ich hätte einen Zettel schreiben sollen", murmelt er mehr zu sich selbst, seine Tasche in der Hand.
"Tut mir leid, Melody", meint er als er vor mir steht und ich trete zur Seite um ihn einzulassen.
"Ist schon okay, ich hatte nur ziemliche Panik, dass du ebenfalls entführt wurdest oder mich einfach allein gelassen hast", antworte ich während ich die Haustür hinter uns schließe, doch aus dem Augenwinkel bemerke ich wie Sebastian kurz schuldbewusst zu mir schaut.
"Wo warst du denn?", frage ich mit Blick auf seine Tasche nach.
"Bei mir zu Hause, ich habe geduscht und mir Klamotten mitgebracht. Außerdem habe ich noch etwas erledigt."
Ich nicke leicht nach seiner Antwort, da fällt mein Blick auf den Laptop im Wohnzimmer. Daneben liegen die Handys der Typen, die Jim erschossen hat.
"Wie lief es eigentlich mit den Handys und der Ortung der Nummern?"
"Leider nicht sehr gut, ich habe nur ein paar der Nummern orten können, aber ich fürchte das wird uns nichts weiterhelfen. Es gibt nach wie vor keinen gemeinsamen Punkt, nicht einmal gemeinsame Strecken oder so etwas in der Art", beantwortet Seb meine Frage und kratzt sich dabei am Hinterkopf. Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich diese Antwort niederschmettert. Wenn es wenigstens einen Anhaltspunkt gäbe, könnten wir versuchen Jim zu finden, aber so wird das nichts.
Um meine Enttäuschung zu verbergen mache ich mir ein Glas Saft, während ich darüber nachdenke, was wir jetzt als Nächstes tun könnten.
"Ich werde eben nachschauen ob es eine Lösegeldforderung gab", informiert der Sniper mich, bevor er ins Wohnzimmer geht. Abwesend nicke ich, ganz in Gedanken versunken. Irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass es hierbei um Geld geht. Immerhin sollte niemand wissen, dass es einen Menschen gibt, dem Jim etwas bedeutet, beziehungsweise, dass es mich gibt. Wer auch immer Jim entführt hat, ist hinter etwas anderem her. Nur was?
Mit meinem Saftglas in der Hand folge ich Sebastian ins Wohnzimmer, wo ich mich auf einen der Sessel sinken lasse.
Vielleicht will der Unbekannte Informationen, vielleicht auch Zugang zu Jims Netzwerk, vielleicht sogar Jim selbst. Oder er will sein Geld, auch wenn ich glaube, dass man an viel mehr Geld auch viel leichter kommen kann, als den gefährlichsten Verbrecher Englands zu entführen.
"Keine Lösegeldforderung", meldet Seb und ich bin versucht ihm zu sagen, dass das klar war. Ich lasse es aber, ich glaube er weiß das selbst. Er will nur irgendetwas tun, das sehe ich in seinen Augen. Seb ist unruhig, er kann kaum still sitzen und seine Hände greifen ständig nach dem Stoff seiner Kleidung.
"Was ist, wenn Jim entführt wurde, weil er einen Klienten verärgert hat?", will ich leise wissen und Seb schaut mich an.
"Soweit ich weiß sind in letzter Zeit keine Geschäfte schief gelaufen, eigentlich lief es sogar ziemlich gut. Falls dem so ist, wüsste ich nicht wer das sein könnte."
Also noch eine Sackgasse. Plötzlich kommt mir aber noch eine Idee, was wir versuchen könnten, auch wenn es wahrscheinlich nicht funktioniert.
"Hast du eigentlich auch versucht Jims Handy zu orten?", frage ich den Blonden, doch sein Gesichtsausdruck sagt mir, dass er daran noch gar nicht gedacht hat. Dann runzelt er aber die Stirn.
"Nein, auf die Idee bin ich nicht gekommen. Allerdings glaube ich nicht, dass dabei etwas rauskommt. Da wären seine Entführer echt schön blöd."
Trotzdem setzt er sich wieder richtig an den Laptop und ich stehe von meinem Sessel auf, um zu ihm zu gehen. Mein mittlerweile leeres Saftglas stelle ich auf den Tisch, dann schaue ich Seb über die Schulter. Gespannt schaue ich ihm zu, wie er Jims Handynummer eingibt und auf Enter drückt, unruhig verlagere ich mein Gewicht von einem auf den anderen Fuß.
Es dauert einen kleinen Moment, in dem das Programm nach Jims Handy sucht, doch dann wird tatsächlich ein Punkt auf der Karte angezeigt. Für einen Moment starren wir beide nur auf den Bildschirm, ohne etwas zu sagen.
"Mel, bevor du dir zu viele Hoffnungen machst, es kann auch sein dass sie sein Handy entsorgt haben, ohne den Akku zu entfernen", bricht Seb die Stille, doch ich höre an seiner Stimme, dass er ebenfalls gerne glauben möchte, dass dem nicht so ist.
"I-ich weiß, aber wir müssen es versuchen. Vielleicht ist er ja doch da..."
Meine Stimme verliert sich und ich schaue Seb an. Egal was er sagt, ich kann den kleinen Hoffnungsschimmer, den dieser Punkt auf dem Bildschirm in mir auslöst, nicht abdunkeln.
"Das werde ich, aber du bleibst hier", meint er schließlich und ich fühle, wie meine Stimmung wieder sinkt.
"Es ist sicherer wenn du hierbleibst. Jim würde nicht wollen, dass du wegen einer unsicheren Information in Gefahr gerätst, vor allem wenn es eine Falle sein könnte", fährt er fort und ich nicke ernüchtert. Natürlich hat er Recht, aber trotzdem würde ich gerne mitkommen. Momentan wäre ich aber eher eine Last als eine Hilfe für den Sniper, außerdem hat er so etwas in der Art, eine Rettung oder eine Aufklärung, schon viel öfter gemacht als ich. Jemandem wie Seb wird nichts passieren, dafür ist er zu gut, zumindest laut Jim.
"Okay. Halt mich aber bitte auf dem Laufenden, oder schreib wenigstens wenn du mehr weißt, ja?", bitte ich Seb und er steht nickend auf.
"Versprochen."
Er schaut sich noch einmal genau an, wo der Punkt ist, dann geht er zur Haustür und nimmt seine Jacke. Doch bevor er sie anzieht, holt er aus der Tasche, die er mitgebracht hat, eine Pistole.
"Für alle Fälle. Ich sollte nicht lange wegbleiben, in spätestens zwei Stunden bin ich wieder da."
Ich nicke nur, zu mehr bin ich nicht imstande. Seb öffnet die Haustür und ich schaue ihm vom Wohnzimmertisch aus nach, bis er die Tür hinter sich zuzieht. Kurze Zeit später höre ich den Motor von Sebs Auto und wie er wegfährt, dann herrscht Stille um mich herum.
Zittrig lasse ich mich auf einen Stuhl sinken und lege beide Hände an mein Gesicht. Tief atme ich durch, versuche mich und meine Gedanken zu beruhigen.
"Seb kann nichts passieren, er ist ein guter Sniper, der Beste, außerdem ist er Jims Bodyguard", murmele ich zu mir selbst, da schweifen meine Gedanken zu Jim. Hoffnung steigt in mir auf, dass Seb ihn tatsächlich findet, oder zumindest einen Hinweis auf seinen Verbleib, doch insgeheim weiß ich, dass Seb vermutlich Recht hat. Die Entführer waren bisher so gründlich und genau, da werden sie wohl kaum vergessen haben, das Handy ihres Gefangenen zu entsorgen.
Langsam lasse ich meine Hände sinken, weiterhin tiefe, ruhige Atemzüge nehmend. Jetzt sollte ich erst einmal dafür sorgen, dass es mir wieder besser geht. Auf dem Weg zur Treppe nehme ich Sebs Tasche mit nach oben und stelle sie im Gästezimmer ab, dann hole ich mir frische Sachen zum anziehen, sowie mein Handy. Vor dem Schrank bleibe ich stehen.
Nach kurzem Zögern nehme ich eins von Jims T-Shirts heraus anstatt eins meiner eigenen, dann gehe ich wieder nach unten und ins Bad.
Nach einer intensiven Dusche komme ich wieder aus dem Bad, gekleidet in eine bequeme Hose und Jims T-Shirt. Sein Geruch beruhigt mich und ich kann es nicht lassen, ab und zu an dem Stoff des T-Shirts zu riechen und dabei die Augen zu schließen. Plötzlich klingelt mein Handy und ich schrecke auf. Schnell gehe ich zum Tisch, wo ich es abgelegt habe, und schaue auf das Display. Es ist Seb, der anruft.
"Ja?"
"Hey Mel, könntest du mir bitte ein Foto von dem Punkt schicken, wo Jims Handy sein soll? Ich bin in der Nähe, habe aber keine Ahnung wo ich jetzt lang muss", meldet er sich am anderen Ende.
"Äh, klar, natürlich."
"Danke Mel. Ich melde mich gleich wieder."
"Okay."
Damit legt er auf und ich fotografiere den Bildschirm des Laptops ab, nachdem ich herangezoomt habe. Noch während ich das Bild an Seb schicke, fällt mir auf, dass das die Gegend ist, in der ich damals mit meiner Mutter gewohnt habe. Und zwar bevor die ganze Geschichte mit meinem Stiefvater und dem Priester passiert ist. Ich weiß nicht ganz, ob ich das als Zufall werten soll, oder als miesen Humor des Schicksals.

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Ja also, hallo, frohes neues Jahr euch allen!
Wie bereits versprochen habe ich weitergeschrieben und hier kommt es, das nächste Kapitel!
Ich würde es ja ein verspätetes Weihnachtsgeschenk nennen, aber ein wirkliches 'Geschenk' ist das ja nicht XD hehe

Ich hoffe, euch gefällt das Kapitel trotzdem, auch wenn es wieder trauriger ist als sonst. Aber naja, immerhin geht die Geschichte voran, nicht wahr? ;)
Lasst doch gerne einen Kommi da, ich freue mich immer über eure Meinung :3

Naja, bis demnächst :3

Moriarty In Love - The GameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt