21. Kapitel

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 Stella P.O.V.

Noch ein paar Sekunden. Mein Körper spannte sich an und ich spürte, wie Adrenalin durch meine Adern schoss. Ich nahm plötzlich alles hundertmal besser wahr als normalerweise. Als das Startsignal ertönte, stieß ich mich mit aller Kraft von Startblock ab und tauchte ins Wasser ein. Mist, ich war viel zu früh eingetaucht. Völlig aus dem Konzept gebracht, brauchte ich ein paar Sekunden, bis ich mich wieder gesammelt hatte. Ich ärgerte mich über mich selber, das war wertvolle Zeit. Verbissen kämpfte ich mich durch das Wasser. „Mit dem Wasser, nicht gegen das Wasser“, schoss es mir durch den Kopf, aber es wollte mir nicht gelingen. Wütend teilte ich das Wasser, das mir heute unangenehm kalt vorkam, mit meinen Armen und kam völlig aus dem Rhythmus, als plötzlich ein Bild in meinem Kopf aufblitzte. Harry Styles, wie er grinsend auf mich zuschwamm, wie ich flüchten wollte, aber nicht schnell genug war, und wie er mich erbarmungslos unter Wasser tauchte während ich kreischte und gleichzeitig lachen musste. Das war an unserem letzten Tag gewesen. Ich merkte nicht, wie ich – völlig in Gedanken versunken – unwillkürlich langsamer schwamm, bis ich am Ende der Bahn aus dem Wasser auftauchte und das Geschrei meines Trainers hörte. Ich zuckte erschrocken zusammen, als er mir ins Gesicht schrie. Ich hatte Wasser in den Ohren und verstand ihn nicht richtig, aber er fuchtelte mit der Stoppuhr in der Luft herum, und ich begriff, dass meine Zeit nicht besonders gut gewesen sein musste. Erschöpft kletterte ich aus dem Becken und schürfte mir mein Knie am Rand auf. Mist, das war mir nicht mehr passiert, seit ich fünf gewesen war. Wo war ich nur mit meinen Gedanken? Etwas benommen ließ ich mich auf eine Bank sinken und versuchte, das Bild, das eben in meinem Kopf aufgetaucht war, wieder zu vergessen. Es lenkte mich nur ab. Ich schüttelte den Kopf, damit das Wasser aus meinen Ohren verschwand. „Steh gefälligst auf, kleines Fräulein, Feierabend hast du dir heute nicht verdient“, fuhr mein Trainer mich an und ich sprang wieder auf, obwohl es in den Beinen schmerzte. Nachdem ich einige Wochen keinen Sport gemacht hatte, war mein Körper von dem noch viel härteren Training, das ich jetzt bekam, völlig erschöpft. Meine Arme und Beine schmerzten, und mein Kopf pochte unaufhörlich, vor allem, wenn ich nachts zu schlafen versuchte. „Ins Wasser“, befahl der Trainer, und ich tat, was er mir sagte. Mein aufgeschürftes Knie brannte, als es mit dem Chlor in Kontakt kam, und ich verzog das Gesicht. „Du schwimmst jetzt fünf Bahnen, bis du dich wieder konzentrierst, und dann sorge ich dafür, dass deine Bewegungen wieder in Form kommen“, sagte der Trainer und ich tauchte unter Wasser und stieß mich vom Rand ab. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, dass ich durch das glitzernde Wasser des Sees tauchte. Wenn man die Augen öffnete, sah man die Sonnenstrahlen, die die Oberfläche durchbrachen und sich allmählich im Wasser verloren. In dem kleinen Bereich unter der Wasseroberfläche, durch das das Sonnenlicht sich seinen Weg noch bahnen konnte, sah man kleine Pflanzenstückchen wie Staubpartikel schwerelos durch das Wasser treiben und es sah aus wie magischer Sternenstaub, der die Welt unter Wasser verzauberte. Man musste einfach untertauchen und schon war alles gut und die Welt draußen war ganz weit weg. Ich wurde unsanft in die Realität zurück gerissen, als ich tatsächlich die Augen öffnete und das trübe, graue Wasser des Schwimmbeckens sah. Augenblicklich war alle Energie aus meinem Körper verschwunden. Alles in mir sträubte sich, in diesem Becken Bahn für Bahn zurückzulegen, wenn draußen so viele schöne Dinge auf mich warteten, die ich noch nicht entdeckt hatte. Deren Entdeckung mir gar nicht erlaubt war, denn ich sollte meine Tage in diesem Schwimmbad verbringen, das mir plötzlich so unglaublich trist und dreckig vorkam. Nach Luft schnappend tauchte ich mitten in der Bahn auf und verschluckte mich am Wasser. Ich hustete und legte den Kopf in den Nacken, um nicht noch mehr Wasser in den Mund zu bekommen. Wütend schüttelte ich den Kopf, um all die Gedanken zu vertreiben, die mich so ablenkten. „Hör auf, so ein Theater zu machen, und schwimm verdammt noch mal weiter“, brüllte mein Trainer. „Und zwar sofort!“, fügte er wütend hinzu, als ich nicht direkt weiter schwamm. Obwohl ich noch am Husten war, tauchte ich wieder unter und schluckte prompt eine weitere Ladung Wasser. Verzweifelt versuchte ich, mich weiter durch das Wasser zu kämpfen, aber mein Körper machte sich selbstständig und sorgte dafür, dass ich Luft bekam, indem er meinen Atemreflex einschaltete. Was er dabei nicht beachtete, war, dass ich mich immer noch unter Wasser befand. Ich hatte das Gefühl, meine Lunge würde platzen, als ich einen Schwall Chlorwasser einatmete. Panisch schlug ich mit den Armen um mich und verlor völlig die Orientierung. Ich hatte keine Ahnung, wo rechts, links, oben oder unten war. Wie von selbst öffnete ich die Augen und den Mund und würgte, was aber nur dazu führte, dass ich noch mehr Wasser in den Hals bekam. Ich versuchte zu schreien, aber das war unter Wasser nicht möglich und mir wurde schlecht. Ich strampelte hektisch mit Armen und Beinen, und während sich die Gedanken langsam aus meinem Kopf verabschiedeten, verlor ich das Bewusstsein.

Von einem verrückten Sommer, fünf wundervollen Idioten und einer Menge ChaosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt