19. Kapitel

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 Louis P.O.V.

Wir wussten alle, dass Stella fort war, und wir wussten auch, dass Harry mit den Nerven völlig am Ende war. Was wir nach einer Woche immer noch nicht wussten, war, ob Stella jemals wieder zurückkommen würde, oder warum sie plötzlich gegangen war. Harry weigerte sich, darüber zu reden. Genau genommen weigerte er sich, überhaupt mit irgend jemandem von uns zu sprechen. Zwar kam er zu jedem Essen, und wenn wir einen Film ansahen, setzte er sich zu uns, doch vermied er es, uns in die Augen zu schauen oder auch nur ein Wort über das Passierte zu verlieren. Es war furchtbar, aber keiner wusste, was er tun sollte. An diesem Nachmittag lag ich auf meinem Bett und checkte meine Twitternachrichten, die von Woche zu Woche immer weniger, aber dafür zunehmend freundlicher wurden. Ich wusste nicht, was die Zeitungen über uns geschrieben hatten - wir hatten es uns ganz bewusst nicht angesehen - aber inzwischen schienen sich alle damit abgefunden zu haben, dass wir eine Weile nicht da waren. Umso überraschter war ich, als ich an diesem Tag plötzlich einen Sturm an Nachrichten bekam. Stirnrunzelnd setzte ich mich auf und las mir eine nach der anderen durch, und mit jeder Nachricht wurde mir klarer, was hier passiert war. „Paul!“, innerhalb weniger Sekunden war ich bei der Treppe und hetzte sie, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, hinunter. Paul war nicht da, aber dafür Niall und Zayn. „Was ist los?“, fragte Zayn, erschrocken über meinen Gesichtsausdruck. Hektisch tippte ich auf meinem Handy herum und es dauerte nicht lange, bis ich das Foto, das für einigen Aufruhr im Internet sorgte, gefunden hatte. Fassungslos starrte ich es an. „Sie haben ein Foto“, flüsterte ich und ließ mich auf die Couch fallen. „WAS?“, Niall starrte mich fassungslos an. „Aber wo sollen sie das gemacht haben? Haben sie etwa unser Haus gefunden?“ Ich schüttelte den Kopf und hielt ihnen mein Handy mit dem Foto hin. Es zeigte Harry und Stella, in einer innigen Umarmung, als wollten sie sich nie wieder loslassen, und Stella weinte. Und es bestand nicht der geringste Zweifel, dass auf dem Foto Harry Styles zu sehen war. „Das darf doch nicht wahr sein“, stöhnte Niall und schlug sich mit der Hand auf die Stirn. Ich sagte gar nichts und schnappte mir mein Handy. Ich würde jetzt sofort mit Harry reden, ob er wollte oder nicht. Ohne ein Wort rannte ich die Treppe hoch und machte mir nicht die Mühe, an seiner Zimmertür anzuklopfen. Harry stand am Fenster und sah hinaus, mit dem Rücken zur Tür. Er drehte sich nicht um, als ich hereinkam. „Lass mich in Ruhe.“ Ich dachte gar nicht daran, auch wenn das die ersten Worte waren, die er seit einer Woche gesagt hatte. Stattdessen ließ ich mich auf sein Bett fallen und starrte ihm Löcher in den Rücken, bis er sich gereizt umdrehte. Böse starrte er mich an, aber ich sah ganz genau, dass er am liebsten geheult hätte. „Setz dich, Harry“, sagte ich sanft und zu meiner Überraschung setzte er sich neben mich. Angestrengt starrte er auf den Boden und versuchte, mich nicht anzusehen. Da ich es wie die Pest hasste, wenn man um den heißen Brei herumredete, sagte ich geradeheraus: „Kannst du mir mal erklären, warum ein Bild von dir und Stella in den Zeitungen aufgetaucht ist, Harry Edward Styles?“ Endlich hatte ich es geschafft, dass er mich ansah. Er wirkte allerdings nicht überrascht„Ihr habt es also endlich gefunden. Wurde aber auch Zeit“, bemerkte er nur kraftlos. Ich starrte ihn ungläubig an. Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte unverwandt zurück. Ich musste seufzen. Ich kannte Harry. Wenn er traurig war, fing er an, sich einen Schutzwall aufzubauen und wurde furchtbar unfreundlich und weigerte sich, auch nur ein Wort über seine Probleme zu reden. Es würde also schwer werden, jetzt ein vernünftiges Gespräch mit ihm zu führen. Ich setzte mich gerader hin und wappnete mich für das kommende Gespräch, aber plötzlich brach Harry in Tränen aus. Etwas erschrocken starrte ich ihn an und wusste nicht, was ich tun sollte. Normalerweise tat er das nicht. Nach einem Moment der Überraschung entschied ich, ihn einfach in den Arm zu nehmen, und er wehrte sich nicht dagegen. Beruhigend strich ich ihm über den Rücken. Die Schluchzer ließen seinen Körper beben, während er lautlos weinte. Eine sehr lange Zeit sagte keiner von uns etwas, wir saßen einfach nur da und ich hielt Harry in meinen Armen fest. Irgendwann wurde er ruhiger und löste sich aus meiner Umarmung. Besorgt sah ich ihn an, wie er sich über die roten Augen wischte und ihm seine dunklen Haare, die er sonst nach hinten kämmte, in die Stirn fielen. Genervt strich er sich eine Locke aus dem Gesicht, aber sie fiel sofort wieder zurück. Harry hatte die Augenbrauen nachdenklich zusammengezogen und ich sah in die vertrauten Augen, die müde zu Boden blickten. „Harry, verrätst du mir eine Sache?“, fragte ich vorsichtig. Er zuckte mit den Schultern und sah weiterhin auf den Boden. „Warum ist sie gegangen?“ Harrys Körper versteifte sich. Statt meine Frage zu beantworten, sagte er nur: „Sie wird nicht zurückkommen, Louis.“ Völlig ausdruckslos. Ich merkte, dass er die Hoffnung aufgegeben hatte und am liebsten hätte ich auch geweint. Sie war also wirklich weg. Wütend schlug ich mit der Hand auf das Bett. „Scheiße“, sagte ich. Warum musste sie Harry so wehtun? Sie hatte doch sicherlich gemerkt, wie sensibel er war. Und wie gerne es sie hatte. Und nun war sie einfach so gegangen und es war ihr völlig egal, ob das Harrys Leben zerstörte. „Warum tut sie das?“, flüsterte ich und schüttelte den Kopf. Eigentlich hatte ich der Starke sein wollten, der Harry tröstete, aber die ganze Situation nahm mich auch mit. Ich hatte Stella auch gemocht. Sie war mit der Zeit eine Freundin geworden, vor allem, als wir gemeinsam unseren Verkupplungsplänen nachgegangen waren. Aber das war ja jetzt auch gescheitert, allerdings war es nicht Harrys Schuld „Sag mir doch einfach, warum sie weggegangen ist“, bat ich und sah Harry flehend in die Augen. Er nahm mir mein Handy aus der Hand und zeigte mir das Foto. „Weißt du, wer das ist?“, fragte er und zeigte auf einen Mann, der im Hintergrund zu sehen war. Ich schüttelte den Kopf. „Das ist ihr Vater“, er ballte wütend die Hände zu Fäusten und biss die Zähne zusammen. „Und er hat sie verdammt noch mal voll unter Kontrolle!“ Harry zerquetschte das Handy fast mit seinen Fingern und ich nahm es ihm aus der Hand und legte es neben mir auf das Bett zurück. Er wandte das Gesicht von mir ab und flüsterte: „Ich mache mir solche Sorgen um sie, Louis. Ich will nicht, dass sie wieder so gequält wird oder dass ihr Vater sie … schlägt.“ „Er schlägt sie?“, fragte ich entsetzt. Davon hatte ich noch gar nichts gewusst. „Na ja, an dem Tag, als sie zu uns kam, wollte er sie schlagen. Aber dann ist sie weggerannt. Bis jetzt hat er sie also noch nicht richtig geschlagen, ab wer weiß, was er jetzt mit ihr tun wird? Woher soll ich wissen, dass es ihr nicht noch schlechter geht also vorher? Ich kann es nicht ertragen, dass sie weg ist. Und dann auch noch dort! Stella könnte so ein glücklicher Mensch sein, sie hat so viel Lebensfreude, obwohl sie eigentlich gar keinen Grund dazu hat. Aber ihre Eltern sind dabei, ihr das letzte bisschen Glück, das noch in ihr steckt, wegzunehmen.“ Ich schluckte. „Du kannst nichts tun, Harry. Mach dir nicht solche Gedanken, du wirst es nicht ändern können.“ Harry sah mich aufgebracht an. „Ich hätte sie aufhalten müssen, Louis! Ich wusste, dass es ihr daheim schlecht gehen würde, und ich hätte ahnen können, dass sie sich nicht allein gegen ihren Vater wehren kann. Und was habe ich getan? Nichts! Ich habe daneben gestanden wie ein verdammter Idiot und bin weggerannt, als die Paparazzi aufgetaucht sind. Ich bin einfach nur nutzlos! Der Moment, in dem sie mich wirklich gebraucht hätte, ist vorbei, und jetzt ist sie weg und ich kann rein gar nichts mehr tun, denn zurückholen kann ich sie schlecht. Und selbst wenn ich könnte, sie wollte bestimmt nicht zu mir zurückkommen. Ich habe einfach nur alles falsch gemacht!“ Ich war mir nicht sicher, was ich sagen sollte. „Harry, wie gesagt, du kannst nichts ändern. Stella ist alt genug, um zu entscheiden, was sie tut. Ob es wirklich das Beste für sie ist, wissen wir nicht, aber wir müssen es akzeptieren. Und du musst aufhören, dich in deinem Zimmer zu verkriechen und nicht mehr mit uns zu reden. Wir können versuchen, dass es wenigstens dir wieder besser geht, wenn wir Stella schon nicht helfen können. Aber du musst aufhören, dich so auszugrenzen.“ Harry warf mir einen wütenden Blick zu. „Ich grenze mich also aus, nur weil ich mal nicht den Sunnyboy spiele? Mir geht es verdammt schlecht, Louis! Weißt du eigentlich, was für ein Gefühl es ist, dass ich Stella einfach habe gehen lassen, obwohl ich genau wusste, dass es ihr jetzt schlecht geht? Ich kann es dir sagen: es ist ein Scheißgefühl! Und ich habe keine Lust, glücklich zu sein, wenn sie es nicht ist! Aber wenn du der Meinung bist, ich grenze mich aus, na bitte. Vielleicht haben die Zeitungen ja doch recht und ich bin einfach ein blöder Außenseiter, der eigentlich gar nicht zu euch passt. Wenn du das denkst, kein Problem, Louis. Aber lass mich bitte damit in Ruhe! Ich habe verdammt noch mal andere Sorgen. Also lasst mich doch einfach mit euren Harry-der-Loser-grenzt-sich-aus-Problemen in Ruhe!“ Perplex starrte ich meinen besten Freund an, einen Moment unfähig, ein Wort zu sagen. „So habe ich das nicht gemeint“, murmelte ich nach einer Weile, aber Harry zischte: „Gib dir keine Mühe, Louis. Ich will eure Hilfe nicht.“ Er starrt mich abweisend an und ich griff wütend nach meinem Handy. Ohne ein Wort verließ ich den Raum und knallte die Tür hinter mir zu. Ich zuckte selbst von dem lauten Knall zusammen und einige Minuten blieb ich einfach vor der Tür stehen, nicht in der Lage, mich zu bewegen. „Na super, Louis Tomlinson. Das hast du mal wieder toll gemacht“, flüsterte ich abfällig und hasste mich selbst. Jetzt ging es Harry noch schlechter. Enttäuscht von mir selbst rannte ich in mein Zimmer, warf mich auf mein Bett und vergrub das Gesicht in meinem Kissen. Was sollte ich nur tun?  

Von einem verrückten Sommer, fünf wundervollen Idioten und einer Menge ChaosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt