Kapitel 1

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„Es ist heiß, zu heiß." stöhnte Carly neben mir. Ich lächelte nur. Zum einen weil mir die Hitze auf Fuerteventura nichts ausmachte, da ich es in Kalifornien gewohnt war, bei so hohen Temperaturen den Alltag zu bestreiten. Zum anderen, weil Carly das in den letzten 5 Minuten bestimmt schon 7 Mal gesagt hatte. Ich kannte die schwarzhaarige Schönheit schon seit 13 Jahren. Wir sind zusammen auf die High School gegangen, aber nach dem Abschluss hatte ich keinen wirklichen Kontakt mehr zu ihr gehabt. Den hatte ich eigentlich zu keinem gehalten, also auch nicht zu Elliot, der neben Carly saß und auf seinem Tablet rumtippte, um nochmal zu überprüfen, ob er alle Einstellungen hatte. Ich war nie der Typ gewesen, der sich viele Freunde suchte und nachdem ich mit meiner High School fertig war, bin ich von New York nach San Francisco gezogen, um dort aufs College zu gehen. Mein Traum war es, Marketing Management zu studieren und den hatte ich mir erfüllt, natürlich ohne die Erlaubnis meiner Mutter und dem Kerl, den sie als Ersatz für meinen toten Vater ins Haus geholt hatte. Die wollten, dass ich nach der Schule gleich anfing zu arbeiten, um ihnen unter die Arme zu greifen. Denn als Kellnerin und arbeitsloser Mechaniker verdient man nicht viel. Somit hatte das Geld vorne und hinten gefehlt. Es war ein Wunder, dass ich das voll bezahlte Stipendium für ein College in San Francisco erhielt. Ein Wunder, auf das ich all die Jahre gewartet hatte. Also ließ ich meine Familie hinter mir, alle meine Schulkameraden, mit denen ich nie wirklich etwas zu tun gehabt hatte und zog einmal quer durch das Land, um das zu studieren, was ich wollte. Die Entscheidung fiel mir damals schwer, denn ich hatte immerhin noch einen Bruder, den ich liebte, wie keinen anderen. Aber in dieser Sache musste ich an mich denken.

„Nerv nicht Carly." sagte Elliot ohne von seinem Tablet aufzuschauen. „Scheint als hätten wir alles. Du musst nicht nochmal darunter Liv." Er schaute auf. Seine strubbeligen hellbraunen Haare standen zu allen Richtungen ab. Die Sonnenbrille verdeckte seine braunen Augen. Elliot war wie ich 27 Jahre alt und ganz ordentlich gebaut. Aber sein Charakter machte sein nettes Aussehen zunichte. Wenn etwas nicht nach Plan lief, dann ließ er das alle spüren. Wahrscheinlich hatte ich mich nur darum bereiterklärt, ihm zu helfen, seinen kleinen Film über Fuerteventura zu drehen, damit er seine Laune nicht an mir ausließ. Nicht sehr ehrenhaft, das wusste ich, aber ich war schon immer der Mensch, der versuchte die Menschen um sich herum mäßig zu stimmen, damit sie ihre schlechte Laune nicht an mir ausließen. Das hatte fast immer gut funktioniert. Nur zu Hause nie. Es hat lange gedauert, bis ich gemerkt hatte, dass ich meiner Mutter und auch meinem Vater nie das geben konnte, was sie von mir wollen. Darum bin ich einfach gegangen und habe mein Leben gelebt. Und es war die beste Entscheidung meines Lebens.

Carly seufzte neben mir. „Gott sei Dank, ich dachte schon ich muss ewig hier unter diesem Baum sitzen und warten bis du fertig wirst." Carly war schon seit der High School Elliots Freundin. Naja eher so eine on-off Freundin, wann immer die beide gerade Lust auf den anderen hatten. Ich habe da noch nie durchblicken können, aber da ich nicht viel mit ihnen zu tun gehabt habe, hat mich das auch nicht weiter gekümmert. Dass sie meinen Namen noch wussten, hatte mich schon erstaunt. Es hat zwar gedauert, bis sie mir meinen Namen zuordnen konnten, als wir uns zufällig im Hotel getroffen hatten, aber sie hatten es geschafft. Wir waren hier für unser 10-jähriges Jubiläum zu unserem High School Abschluss. Die beiden waren schon länger auf Fuerteventura wegen Elliots Film.

„Du machst auf dem Video eine gute Figur. Das muss man dir lassen." Er stand auf. Ich wollte mich gerade für das fast Kompliment bedanken, dass ich von ihm bekommen habe, als ich eine lachende Kinderstimme hinter mir hörte. Wir drei drehten uns der Stimme zu und sahen eine Gruppe in unsere Richtung zu den Klippen gehen.

„Mama sieh mal, das geht da hinten voll tief!" rief der kleine Junge, der nicht älter als 6 sein konnte freudig aus, sprang in die Luft und lief voraus.

Bis du wieder LächelstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt