Kapitel 57

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Das Rütteln an meiner Schulter weckte mich auf. Ich blinzelte verschlafen und brauchte einen Augenblick, bis ich verstand, wo ich war. Ich setzte mich gerade hin und legte den Kopf hin und her, damit sich die Verspannungen lösten. Dann öffnete ich die Augen. Das Krankenhaus, richtig.

Ich sah zu der Person auf, die mich geweckt hatte. „Du musst etwas essen." sagte Logan und setzte sich auf den Stuhl neben mir. Ich schüttelte leicht den Kopf. „Ich habe keinen Hunger." Dann sah ich wieder zu Hugh neben dem ich eingeschlafen war. Sein Gesicht wirkte eingefallen und Grau, er hatte einen dicken Verband um den Kopf gewickelt und war an unzählige Monitore angeschlossen. Ich saß auf einem Stuhl neben seinem Krankenbett und hatte seine Hand gehalten, wie die letzten Tage auch. Dabei musste ich wohl eingenickt sein. Ein Wunder, dass ich schlafen konnte ohne, dass mir die Ärzte etwas gaben.

„Wenigstens ein bisschen. Hugh wird sich aufregen, wenn er erfährt, wie wenig du auf dich geachtet hast." tadelte mich Logan mit so viel Traurigkeit in der Stimme, dass es schon kein Tadel mehr war. „Was ist, wenn er es nie erfahren wird?" fragte ich und sofort schossen mir die Tränen wieder in die Augen. Was war, wenn er wirklich nie wieder aufwachen würde? Vorsichtig legte ich seinen Arm wieder unter die Decke. Zwar war sein Handgelenk bandagiert, aber man sah noch immer einen Teil seiner alten Narbe und ich war mir ziemlich sicher, dass es Hugh unangenehm war, wenn die anderen es erfahren würden, vor allem, wenn er es ihnen nicht selbst erklären konnte. Daher achtete ich immer darauf, dass keiner seine Handgelenke, die durch des kurzärmligen Krankenhaus-Shirts nicht verdeckt wurden, sah. Auch hatte ich die Ärzte und Schwestern schon darauf aufmerksam gemacht.

„Er wird wieder aufwachen. Du kennst ihn. Wahrscheinlich besser, als alle anderen. Du musst stark sein. Für euch beide." Logan umarmte mich und zog mich ein Stück zu sich heran. Als ich anfing zu schluchzen drückte er mich fester an sich und hauchte einen Kuss auf meinen bandagierten Kopf.

James hatte mich die Treppe herunter gestoßen. Oder besser gesagt ich war gefallen, und hart mit dem Kopf aufgeschlagen. Ich war im Krankenwagen wieder zu mir gekommen und hatte sofort nach Hugh gesucht. Sie mussten mir ein Beruhigungsmittel spritzen, damit sie mich ruhig halten konnten und erklärten mir dann, dass Hugh in dem Krankenwagen lag, der als erstes am Haus der Martins angekommen war. Ich hatte noch erleichtert aufgeatmet. Als ich dann am nächsten Tag erfahren hatte, dass Hugh nicht wieder aufgewacht war, hatten alle vehement auf mich eingeredet und mir gesagt, ich sollte mich ausruhen aber ich wollte nur zu Hugh. Ich bettelte April so lange an, mir zu helfen, da selbst Logan sich resolut geweigert hatte, bis sie schließlich kleinbei gegeben hatte und mir einen Rollstuhl besorgt hatte.

Bei dem Sturz hatte ich mir nicht nur ein Loch im Kopf zugezogen. Ich hatte mir mein rechtes Bein gebrochen, mein linker Arm war angebrochen. Prellungen der Rippen und unzählige blaue Flecken inklusive.

Ich durfte mir eine lange Tirade von Logan und dem Arzt anhören, als sie mich in Hughs Zimmer gefunden hatten, aber das war mir egal gewesen. April hatte mich zu dem Zimmer gebracht, mir geholfen, mich auf einen Stuhl zu setzen und mich dann mit Hugh allein gelassen. Ich war ihr so unglaublich dankbar, dass sie mir geholfen hatte. Als die anderen verstanden hatten, dass mich nichts von Hugh fortbringen konnte, akzeptierten sie es und ließen mich jeden Morgen zu Hugh, um mich am Abend wieder in mein Krankenzimmer zu bringen.

„Was ist, wenn ich nie wieder stark sein muss für uns beide?" stellte ich Logans Worte wieder in Frage. „So darfst du nicht denken, Liv."

„Aber ich kann nicht anders. Logan ich will nicht mehr... Ich will nicht mehr Hughs leeren Blick vor mir sehen. Ich will das Blut nicht sehen. Aber immer, wenn ich die Augen zumache, sehe ich ihn und höre dieses abscheuliche Geräusch." Logan wiegte mich hin und her und strich über meinen Rücken. Aber es hatte bei weitem nicht die Wirkung, die Hughs Umarmung auf mich haben würde. „Er wird aufwachen." sagte er noch einmal mit ein wenig mehr Nachdruck. „Das verspr-"

Bis du wieder LächelstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt