Kapitel 16

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„Bitte schnallen Sie sich an, wir landen in Kürze am Flughafen von San Francisco." Ich blickte auf und sah die Stewardess an, die mich anlächelte. Meine Gedanken hingen noch auf Fuerteventura, weshalb ich wohl die Durchsage verpasst haben musste.

„Natürlich, entschuldigen Sie bitte." Hastig griff ich nach dem Gurt und klickte die beiden Enden vor meinem Bauch zusammen. Die Stewardess lächelte mir noch einmal kurz zu und ging dann weiter, um zu überprüfen, ob es ähnliche Fluggäste wie mich gab, die die Durchsage einfach überhört hatten. Der ältere Mann neben mir, der mich den ganzen Flug lang zum Glück nicht weiter beachtete hatte, warf mir nun nur kurz einen kritischen Blick zu und wandte sich dann wieder seinem Laptop und den Diagrammen zu.

Ich blickte wieder aus dem Fenster und beobachtete die Wolken, durch die wir gerade hindurchflogen. Meine Gedanken gingen immer wieder zu Hugh und vor allem zur letzten Nacht zurück und dem Morgen. Viel Schlaf hatte ich nicht bekommen. Wir waren irgendwann gegen halb zwei eingeschlafen. Um vier war ich aber heimlich aus seinem Zimmer geflohen.

Als ich aufgewacht war, hatte ich erst gedacht, dass ich verschlafen hatte. Aber als ich auf den Digitalwecker neben Hughs Bett geschaut hatte, war es gerade 04:03 Uhr gewesen. Mein Blick war zu Hugh geglitten, der neben mir lag. Er hatte einen Arm um mich gelegt und sein Bein zwischen meine geschoben. Er atmete tief und ruhig. Sein Gesicht hatte er an meiner Schulter verborgen und sein Atem streifte in regelmäßigen Abständen meine Haut. Gänsehaut breitete sich langsam über meinem Körper aus.

Ich stand vor der Wahl ihn aufzuwecken, oder mich heimlich aus dem Staub zu machen. Hätte ich Hugh aufgeweckt, hätte ich ihm erklären müssen, dass ich um fünf Uhr das Hotel verlassen musste. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob er erwartete, dass ich am nächsten Morgen nicht mehr da war, weil er das, was zwischen uns entstanden war, als One-Night-Stand betrachtete. Daher, und weil ich wohl ein Feigling war, hatte ich vorsichtig Hughs Arm von mir genommen und war unter der Decke hervorgekrabbelt. Ich hatte meine Sachen zusammengesammelt und mich schnell und leise angezogen. Mein Blick war immer wieder zu Hugh geflogen, weil ich befürchtete, dass er aufwachen würde. Und ich hatte das dumme Gefühl, dass er nicht sehr erfreut sein würde mich beim Gehen zu erwischen.

Nachdem ich alle meine Sachen zusammengesammelt hatte, war mein Blick noch einmal zu Hugh geglitten, der seelenruhig auf dem Bauch geschlafen hatte. Die Decke verdeckte ihn von der Hüfte abwärts. Leise war ich nochmal an sein großes Bett getreten und hatte seine entspannten Gesichtszüge betrachtet, die vom Mondlicht abgezeichnet wurden. Ich glaube, ich hatte Hugh noch nie so entspannt und schon scheinbar zufrieden gesehen. Sein Atem ging gleichmäßig, sein nackter Oberkörper hob und senkte sich im Rhythmus seiner Atemzüge. Ein paar Haarsträhnen waren in seine Stirn gefallen. Generell standen sie in alle Richtungen ab, was nur normal war, sooft wie ich durch sie in der Nacht hindurchgefahren war. Ein Lächeln hatte sich in mein Gesicht geschlichen, aber als mein Blick wieder auf den Wecker fiel, fiel es in sich zusammen. Ich war versucht einen Zettel für Hugh zu hinterlassen, um mich zu erklären, aber auch dafür war ich zu feige. Hugh würde sicherlich schnell merken, dass ich nicht mehr da war und mich dann wieder aus seinem Leben streichen.

Das, was zwischen Hugh und mir in dieser Nacht entstanden war, war unglaublich gewesen. Ich hatte mich Hugh voll und ganz hingegeben. Und das hatte ich in der Art und Intensität bei noch keinem Mann getan. Auch nicht bei einem meiner zwei Ex Freunde. Ich konnte mir nicht erklären, was Hugh an sich hatte. Es war wohl seine ganze Art, die mich vom ersten Moment an irritiert aber vor allem fasziniert hatte. Wenn ich etwas von diesem Urlaub behalten würde, dann waren es Hughs dunkelbraunen, ausdrucksstarken Augen, sein Duft, und das Gefühl, dass seine Nähe bei mir ausgelöst hatte.

Ich umfasste mein linkes Handgelenk und wollte mit meinem Armband spielen, aber wieder erinnerte ich mich, dass es nicht mehr an meinem Handgelenk hing. Ich wusste nicht, wann ich es verloren hatte, aber es ärgerte mich schon, da es das Armband war, dass ich mir von meinem ersten Gehalt gekauft hatte. Ich war damals in einen Laden von Carters gegangen und hatte mir spontan ein Armand der Firma gekauft, für die ich arbeitete. Seitdem hatte ich es nur selten abgelegt. Dass es jetzt nicht mehr da war, war irritierend, denn ich hatte es Jahrelang getragen. Es war Gewohnheit geworden, dass es an meinem Handgelenk war.

Bis du wieder LächelstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt