Kapitel 34

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Der Abspann war zu Ende und es wurde sehr still im Raum. Der Fernseherbildschirm war schwarz, die anderen schienen wie ich die Luft anzuhalten. Ich versuchte die Frage zu verstehen. Denn sie ergab gar keinen Sinn. Ich blickte zu Doreen, die mich ernst ansah. Auch April und Natalie schienen ernsthaft interessiert an meiner Antwort.

„Meine Tochter?" Nein, das war keine rhetorische Frage. Wann sollte ich denn eine Tochter bekommen haben? Hatte ich etwas verpasst?

Doreen öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder. Meine Frage schien sie zu verwirren. Nun, ihre hatte ja auch mich aus dem Konzept gebracht.

„Wer hat euch gesagt, dass ich eine Tochter hätte?" fragte ich daher. Ich setzte mich auf, um meinen Kreislauf etwas mehr in Bewegung zu bringen. Ich musste jetzt klarer denken können, denn irgendwo lag hier ein Haken. Und den musste ich finden.

„Du hast keine Tochter?" fragte Natalie dann. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, wie kommt ihr denn da drauf? Und dann soll ich sie einfach zurückgelassen haben, bei... ja wo überhaupt?" Ich stellte mein Sektglas auf den Tisch, und nahm dann eine großen Schluck aus meinem Limonadenglas.

„Wir dachten bei ihrem Vater, der auch nicht viel Geld zu haben scheint, sodass du ihm Geld regelmäßig zukommen lässt." erklärte April. „Wir wollten dich nicht verurteilen. Nur verstehen." fügte sie sofort hinzu. Dieses Mal war ich es, die den Mund öffnete, ihn aber ohne etwas zu sagen wieder schloss.

„Wenn ich eine Tochter haben würde, würde ich sie mit Sicherheit nie zurücklassen. Sie wäre doch dann... meine Tochter!" sagte ich und wurde etwas lauter, weil ich die Vorstellung fürchterlich fand, mein eigenes Kind irgendwo zurückzulassen. „Ich habe kein Kind. Ich weiß nicht, wie ihr darauf gekommen seid. Die einzigen, die ich unterstütze sind-" Abrupt schloss ich den Mund. Meine Gedanken rasten und ich spürte die Blicke der anderen auf mir. Die Anspannung in meinem Körper, die ich vorher gar nicht mitbekommen hatte, ließ nach und ich sackte zurück. Ungläubig schüttelte ich den Kopf.

„Er denkt, ich habe meine eigene Tochter zurückgelassen." war alles, was ich gerade so noch hauchen konnte. Dann begannen die ersten Tränen in meinen Augen zu sammeln. Stumm liefen sie sofort über meine Wangen. April war als erstes bei mir. „Liv, was ist los? Nicht weinen." Sie wischte mir die Tränen von den Wangen, aber immer wieder liefen weitere hinab.

„Hugh muss mich für die schlimmste Frau der Welt halten." Und warum zum Teufel redete er nicht mit mir über diese ganze Sache? Ich sah auf und blickte in Aprils blaugrüne Augen. Wieder schüttelte ich den Kopf, weil ich es nicht glauben konnte. Das also hatte er mit "seine Familie zurücklassen" gemeint. April zog mich an sich und strich mir über den Rücken durch meine Locken. Auch Natalie und Doreen schwiegen.

Wie viel Abscheu und Verachtung Hugh für mich empfinden musste, wenn man all das zusammenzählte, was in letzter Zeit passiert war. Ich war jetzt nicht nur eine Frau, die fremdging, sondern auch noch eine, die ihr Kind bei ihrem Ex zurückließ, der sich in Hughs Augen wohl nicht um seine Tochter kümmern konnte. Kein Wunder, dass er nichts mit mir zu tun haben wollte. Tori sah mir sehr ähnlich, allein schon, weil wir das gleiche Haar hatten.

„Liv, wenn das alles nur ein Missverständnis ist, dann ist es ja eigentlich gar kein Problem. Wenn Hugh es hört, wird er es verstehen." Ich zog mich zurück und sah April an, die mir gegenüber kniete und mich anlächelte. „Ich weiß nicht, warum Hugh ausgerechnet bei dir immer sofort vom schlimmsten ausgeht, aber das könnte bedeuten, dass du für ihn anders bist, als alle anderen. Besonders." Sie klopfte mir auf die Schulter. „Du setzt seinen Schutzmechanismus außer Kraft, ohne dass es einer von euch gemerkt hat. Und weil ihr beide nicht wirklich gesprächige Menschen seid, können solche Ungereimtheiten schon mal auftreten."

Bis du wieder LächelstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt