Kapitel 55: Kaninchen

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(Meine Kapitelnamen werden immer einfallsreicher...)
Pov. Flo

Ich stellte fest, wie sehr ich mich verlaufen hatte, als ich mich am Rande eines weiten Abgrundes wiederfand, der sich mitten im Wald befand. Der Riss schien sich endlos nach links und rechts zu erstrecken, und ragte bis weit in die Tiefe, den Boden konnte ich gerade eben so ausmachen. Dort, auf diesem endlos fern erscheinenden Grund, gurgelte ein Fluss, aus dem einige Felsen ragten, er hatte sich wohl mit der Zeit immer tiefer in die Erde gegraben. Ich schätzte, die Kluft war zwei oder drei Meter breit, mit weitem Anlauf und ganzer Willenskraft hätte man es schaffen können, hinüberzuspringen auf die andere Seite, doch dieses Risiko... Ich schaute auf die kaum auszumachenden Wassermassen dort unten und mir wurde schlecht in Anbetracht der Höhe und ich ging ein paar Schritte zurück. Ein Vogel schrie in meiner Nähe einen schnatternden Alarmruf und flog davon. Ich seufzte, strich mir die Haare aus dem Gesicht und setzte mich in sicherer Entfernung von der Klippe auf einen bemoosten, umgestürzten Baum um ein wenig Ruhe zu finden. Weshalb auch immer dieser Vogel jetzt in Panik aufgestoben war, sollte es nur kommen. Entweder es brachte mich um, oder eben nicht. Im Moment konnte ich nicht sagen was genau mir lieber wäre. Mein Magen knurrte lauter als jeder Bär es geschafft hätte, mein Arm war geschwollen, die Wunde hatte sich entzündet und sie patzte immer wieder auf, um mir aufs neue den letzten Nerv zu rauben. Ich musste irgendwo etwas zu Essen herbekommen, aber wenn ich mir selbst nichts fangen konnte müsste ich warten bis meine magischen Kräfte zurückkamen oder eben vorher einfach abkratzen. Das wäre ja mal peinlich. Ein Magier, der einfach so in der Wildnis verhungert. Nein, nein und nochmal nein, so konnte und durfte ich nicht enden! Auf der anderen Seite des Abgrundes huschte ein Kaninchen umher und sah mich mit kugelrunden, braunen Augen an, als es mich erspähte. Zaghaft lächelte ich dem Tier zu. So etwas tat ich nun einmal, das war eine Eigenschaft, von der ich nicht wusste, ob sie gut oder schlecht war. Das Tier machte sich lang und streckte sich vor um vorsichtig an der Klippe zu schnuppern, dann machte es kehrt und war verschwunden. ,,Wäre ich fit wie du gewesen, hätte ich das auch gemacht." Seufzte ich leise und sah auf den großen, verwilderten Brombeerbusch, in dem das Tier meinem Blick abhanden gekommen war. Als es auf der anderen Seite wieder erschien sah es mich erneut mit diesen kugelrunden Augen an. Ja, es saß da, rührte sich nicht und sah mich eindringlich an. Komisch, ich hätte nicht erwartet, dass Kaninchen überhaupt irgendeinen Ausdruck zeigen konnten. Ich zog die Brauen hoch und schaute es an, es schaute zurück. *Ich glaube, so langsam werde ich verrückt. Ich sitze hier und liefere mir einen Starrwettbewerb mit einem Kaninchen.* Mit den Fingerspitzen begann ich meine Schläfen zu reiben, um sichergehen zu können, dass ich nicht begann vor Hunger und Erschöpfung zu halluzinieren. Nein, es saß noch immer genau da wo es vorher gewesen war und ich meinte es ließe die Ohren hängen und schüttelte zaghaft den Kopf, bevor es begann mit den Pfoten seinen Kopf zu waschen.

Nachts sind alle Katzen grau (Youtube Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt