Kapitel 11

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Seit Stunden stehe ich vor dem Spiegel und bin kurz vor dem Ausrasten. Ich kriege meine Haare einfach nicht hin. Offen liegen sie absolut scheiße und mir fällt eine passende Frisur ein. Ich höre wie es klingelt und Rocky anfängt zu bellen. Bestimmt ist Marco da. Ich fange an ein paar Strähnen zu flechten.
,,Was geht ab", ruft mein Bruder und knallt die Tür hinter sich zu. Verzweifelt nehme ich meine Hände aus den Haaren. ,,Ich hasse es." ,,Lass sie doch einfach auf." ,,Muss ich wohl." Ich lasse mich rücklings auf mein Bett und somit auch auf Marco fallen.
,,Du siehst immer gut aus."
,,Ich weiß", murmel ich. ,,Was ziehst du gleich an?" Ich hebe meinen Kopf ein wenig.
,,Jogginghose und das geile Shirt hier", sage ich selbstverständlich. ,,Dann brauchst du ja auch keine schöne Frisur." ,,Du hast es erfasst."
,,Na komm, wir müssen bald los." ,,Fuck es ist ja schon voll spät." Augenblicklich rolle ich mich vom Bett und stelle mich wieder vor den Spiegel. ,,Okay ich lass meine Haare auf." ,,Jetzt zieh dich um, ich will endlich dein Outfit sehen."
,,Jaja." Ich krame meine Sachen aus dem Schrank und verschwinde ins Bad. Als ich mit Svenja in der Stadt war, habe ich mir eine blaue Jeans mit einem grauen Top, schwarzer Jacke und schwarzen Sneakern geholt.
,,Uhh, schicke Emi", grinst Marco, als ich umgezogen wiederkomme. Mit meiner Bürste bewaffnet stelle ich mich wieder vor den Spiegel. Marco steht ebenfalls von meinem Bett auf und kommt zu mir. Er teilt meine Haare im Nacken und legt sie über die Schultern nach vorne. ,,So fertig." Zweifelnd muster ich beim Spiegelbild. ,,Du siehst toll aus, Kleine." Er schlingt seine Arme um meine Hüfte und drückt mir einen Kuss auf die Haare. ,,Man könnte meinen wir sind zusammen und gehen gleich auf ein Date", sage ich kichernd und nehme mein Handy aus der Tasche. Marco hat eine schwarze Jeans an. Dazu ein weißes Hemd und eine Anzugjacke. Seine Haare sind etwas nach oben gestylt, er hat bestimmt ewig dafür gebraucht. Auf meinem Handy öffne ich die Kamera. ,,Lächeln." Ein paar mal hintereinander drücke ich auf den Auslöser. ,,Schickst du mir eins? Muss den Leuten noch was wünschen und so." Ich nicke, suche das schönste aus und schicke es schließlich Marco. Dann lade ich das gleiche Bild auf meinem Account hoch, markiere meinen Bruder und poste es mit ein paar Hashtags. ,,Kommt ihr zwei?", schreit meine Mutter von unten. ,,Ja", rufen wir gleichzeitig zurück. ,,Warte. Kannst du mir noch kurz helfen?" Ich drücke ihm meine Lieblingskette in die Hand. Während er sie mir umlegt, nehme ich mein Armband, welches ich immer zu solchen Anlässen trage.
,,Okay." Ich nicke Marco zu und wir verlassen mein Zimmer.

Wie jedes Jahr gehen wir zum Weihnachtsgottesdienst in der Dorfkirche. Es ist die einzige und somit sind fast alle hier versammelt, um sich das Krippenspiel der Kinder anzuschauen. Ich hab da früher auch mitgemacht. Jedes Mal durfte ich den Engel spielen, was die begehrteste Rolle war. Wir setzten uns zu Toms Familie in die Bank. Nach und nach füllt sich die Kirche. Immer wieder kommt irgendwer und grüßt uns. Ich bin froh, als endlich die Glocken anfangen zu läuten, denn ich hasse Smalltalk. Die Organistin beginnt zu spielen und unser Pfarrer läuft ein. Die Kinder sitzen verkleidet auf den Bänken und rutschen nervös hin und her. Die Eltern sitzen daneben, konzentriert, in der Hoffung, dass alles klappt. Letztes Jahr war das nicht der Fall. Erst ist das Mikro ausgefallen, dann hat die Maria ihre Puppe nicht gefunden, der Engel hat seinen Auftritt verpeilt, Josef ist über die Kirchenstufe gestolpert und die Hirten haben ihre Texte vertauscht und vergessen. Und zu guter Letzt ist der Stern von der Wand gefallen. Aber es war witzig, so viel hat die Gemeinde noch nie bei einem Krippenspiel gelacht.

,,Hier, dass ist für dich", meint Tom und drückt mir ein kleines Päckchen in die Hand. Ich gebe ihm ebenfalls mein Geschenk. Es ist etwas größer, ich habe einen Pokal von Nanu- Nana geholt und darauf ,Der beste Stürmer' gravieren lassen. Ich stecke mein Päckchen ein und drehe mich zu Marco, welcher wie immer noch Fotos mit den Kindern machen muss. ,,Wir sehen uns Silvester." Zustimmend nicke ich und umarme Tom. ,,Marco komm endlich." Er grinst ein letztes Mal in eine Handykamera und verabschiedet sich dann. ,,Willst du auch ein Foto mit mir Kleine?", fragt er grinsend und legt einen Arm um mich.
,,Nein danke hab schon genug." Ich nehme seinen Arm von meinen Schultern und wir laufen unseren Eltern hinterher. Wie immer laufen wir zurück. Auch wenn wir einmal durch das ganze Dorf müssen, es ist Tradition. Fast niemand fährt nach der Kirche mit dem Auto, alle laufen.

,,Okay, hast du das Geschenk für Mama und Papa?" Ich nicke und hole dem Umschlag aus einer Schublade. ,,Und wo ist mein Geschenk?" ,,Wer sagt, dass du eins bekommst?" ,,Ich bin dein wunderbarer Bruder." ,,Ähh nee das glaub ich nicht." ,,Ohh die Glocke hat geläutet, komm." Wie ein kleines Kind schiebt er mich vor die Tür. ,,Und du willst ein Erwachsener sein, ja?" ,,Bin ich. Aber es ist Weihnachten." Augenverdrehend folge ich Marco die Treppe runter. Unten stehen meine Eltern. Es ist komplett dunkel nur der Tannenbaum strahlt helle Lichter von sich und taucht alles in ein Dämmerlicht. Leise Musik läuft im Hintergrund und ein paar Geschenke liegen unter dem Baum. ,,Rechts ist Emi und links ist Marco", teilt mein Vater uns mit. Wir setzten uns alle hin und ich lege den Umschlag zwischen die Geschenke für meine Eltern.
,,Das ist von Marco und mir." Rocky kommt dazu und beschnuppert alles ganz genau. Dann legt er sich zwischen die Stapel und beobachtet uns.
,,Ihr sollt anfangen", sage ich und deute auf meine Eltern. ,,Du bist doof Emi", schmollt Marco.
,,Ich weiß." Mein Vater nimmt den Umschlag von uns und packt ihn sauber aus. Neugierig lesen die beiden sich den Text durch. Ich hab mir total viel Mühe gegeben den Gutschein zu gestalten. ,,Ich glaube ihr müsst uns da mal was erklären", meint meine Mutter. ,,Naja Emi hat mir erzählt, dass Papa gar nicht mehr von der Arbeit wegkommt. Also haben wir beschlossen euch den Urlaub zu schenken. Es ist schon alles abgeklärt mit euren Chefs. Am 29. 12. gehts los und dann bleibt ihr drei Wochen da. Emi wohnt solange bei mir, dass haben wir auch schon geklärt."
,,Wow. Und was genau ist das für ein Hotel?" ,,Ein Wellness- Hotel in den Alpen. Wunderschöne Aussicht, nichts als Natur drum herum und mit ganz vielen Angeboten", antworte ich.
,,Gefällt es euch?", fragt Marco wieder. ,,Es ist wunderbar. Vielen Dank euch beiden." Meine Mutter steht auf und fällt uns beiden um den Hals. ,,Ich will auch." Mein Vater umarmt uns ebenfalls.
,,Ich weiß gar was ich sagen soll." ,,Lass es doch einfach." Ich grinse ihn frech an. ,,Du ungezogenes Kind", meint er und wuschelt mir durch die Haare.
,,Frag dich mal wer mich erzogen hat." ,,Mama", kommt es sofort von ihm. ,,Nein, von mir haben die beiden ihre guten Sachen." So geht das jedes Mal bei uns.
,,Können wir?", fragt Marco ungeduldig." Alle stimmen zu und das Auspacken beginnt.

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