Kapitel 48

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Mit einem flauen Gefühl im Bauch sehe ich auf das düstere Gebäude vor uns. Genauso stellt man sich einen Schlachthof vor. Dunkel und trostlos. Ich greife nach Mats Hand, er ist extra mitgekommen, da ich nicht alleine gehen wollte. Klar ist Willi auch noch dabei, doch jemand vertrautes ist immer besser. ,,Je schneller wir da rein gehen, umso schneller sind wir wieder raus." Entschlossen geht Willi vor, Mats und ich folgen. Im Inneren sieht es noch schlimmer aus, als draußen. Verwahrloste Ponys mit trüben Augen in kleinen Boxen. Wie kann man sein Pferd nur hier hin schicken? Am liebsten würde ich alle kaufen und auf die Wiese stellen. ,,Was wollt ihr hier?" ,,Wir möchten ein Pferd kaufen", antwortet Willi, dem Mann, welcher aus einer Ecke aufgetaucht ist. ,,Macht das. Sucht euch irgendeins aus." Gedrückte Stimmung herrscht zwischen uns und wir gehen von Box zu Box. ,,Du darfst entscheiden, Emily." Ich nicke, als mein Blick auf ein kleines cremefarbendes Shetty fällt. Es ist ganz dreckig, nur an manchen Stellen kann man das helle Fell noch erahnen. Die Hufe wachsen bereits nach vorne, sie sind viel zu lang, die Mähne und der Schweif sind fransig und die Rippen stechen hervor. Trotzdem hat die kleine Stute einen dicken Bauch, warscheinlich ist sie trächtig. Vorsichtig halte ich ihr ein Stück Möhre hin, welches sie dankbar annimmt und es verschlingt. ,,Sie möchte ich." ,,Sicher?", fragt Willi noch mal nach. Ich nicke. ,,Dann müssen wir wohl zwei nehmen. Ich habe mich bereits in den Fuchswallach verliebt", sagt er und deutet auf die Box gegenüber. Willi zwinkert mir zu und verschwindet, um den Schlachter zu suchen. ,,Lass uns so schnell wie möglich die zwei hier rausbringen", sagt Mats und nimmt mir ein Halfter ab. Ich gebe der Stute noch ein Stück Möhre und ziehe ihr langsam das Halfter an. Mit hängendem Kopf trottet sie hinter mir her, während Mats das Fuchsshetty in die Freiheit führt. Draußen fangen die zwei direkt an zu zittern. ,,Die zwei nehmen wir", höre ich Willis Stimme. ,,Alles klar." ,,Bringt sie zu schon mal zum Auto. Ich kläre noch schnell den Papierkram." Mats und ich machen uns auf den Weg zum Auto. Hand für Hand füttern wir ihnen langsam das Kraftfutter zu, damit sie den Weg nach Hause schaffen. Da Willi keinen Hänger hat, müssen wir sie führen.

Es ist ein ungutes Gefühl, zu wissen, dass dort noch andere Pferde drin sind, doch wenigstens haben wir zwei gerettet. Willi hat ihnen am Auto notdürftig die Hufe gemacht und ihnen noch Wasser gegeben. Mit jeweils einer Decke auf dem Rücken führen wir die Shettys immer weiter vom Schlachthof weg. Und je mehr wir davon wegkommen, je länger die Ponys draußen sind und rumlaufen können, umso glücklicher werden sie und blicken aufgeregt in der Gegend rum. ,,Wir brauchen noch Namen", meint Mats auf einmal und krault den Wallach zwischen den Ohren. ,,Sie haben schon welche. Die müssten im Pass stehen." ,,Na und? Wer seine Pferde zu sowas gibt, kann denen auch keine schönen Namen gegeben haben. Wir nennen sie einfach anders." Ich nicke. ,,Na schön. Ich finde der kleine Fuchs sieht aus wie ein Freddy." Mats blickt auf das Shetty. ,,Freddy passt sehr gut. Klingt irgendwie süß. Und die kleine Stute?" ,,Was hälst du von Bailey?" ,,Wie der Alkohol?" Ich nicke. ,,Gefällt mir. Passt zu der Fellfarbe." ,,Deswegen." Ich spüre wie Bailey immer wieder zu dem Gras am Straßenrand zieht. ,,Lassen wir sie kurz am Gras knabbern. Sie hatten bestimmt lange keins mehr." Ich lasse den Strick etwas länger und sehe lächelnd zu, wie die Ponys sich auf das Gras stürzen.

,,Wir sollten weiter, wenn sie zu viel fressen, dann bekommen sie eine Kolik." Danach wird mir erst bewusst was ich gesagt habe. Fest beiße ich auf meine zitternde Unterlippe und versuche krampfhaft die Tränen zu unterdrücken. ,,Hey, Süße, die kleine Dallis ist immer bei dir." Mats nimmt mich in den Arm. ,,Geht wieder", murmel ich und wische mir einmal über die Augen. Sanft drückt Mats mir einen Kuss auf den Kopf. ,,Lass uns die zwei in ihr neues Zuhause bringen." Leicht ziehe ich am Strick und reiße Bailey widerwillig vom Gras weg. Doch bald sind die Ponys wieder im laufen drin, saugen alles Neue mit ihren kleinen Kulleraugen auf.

Es sind knappe sechs Kilometer durch den Wald bis zum Hof von Willi. Trotz das sie so schwach sind, schaffen sie die Strecke wirklich gut und schnell. Auf dem Hof wartet bereits Scott um die beiden zu untersuchen. ,,Da habt ihr euch zwei süße Shettys ausgesucht. Haben sie schon Namen?", fragt Scott und holt seine Untensilien raus. Ich deute auf das braune Pony. ,,Das ist Freddy und die andere heißt Bailey." ,,Die Namen sind gut. Ihre Vorherigen waren grauenhaft", mischt Willi sich ein und stellt zwei Eimer Wasser und Futter vor die Shettys. ,,Sie sehen trotz der Zustände noch sehr gut aus. Ich werde morgen wiederkommen und sie dann impfen und ihnen eine Wurmkur geben. Lass am besten den Schmied wegen den Hufen kommen." ,,Ist schon informiert. Er kommt heute Abend." ,,Alles klar." Scott dreht sich zu uns. ,,Ihr solltet sie gleich mal ordentlich putzen. Erstmal ist Quarantänebox angesagt, dann könnt ihr sie Stück für Stück anweiden. Wenn was ist, wisst ihr wie ihr mich erreichen könnt." Scott gibt uns allen die Hand und fährt anschließend vom Hof. ,,Wir sollten versuchen sie ohne Decke durchzubringen. Jetzt ist die perfekte Jahreszeit um Winterfell anzusetzen." Willi streichelt Freddy einmal über den Mähnenkamm. ,,Bringen wir sie in die Box. Die zwei sind bestimmt müde." Mats und ich nicken zustimmend.

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