"Warte", sagte ich monoton. Er blieb stehen und setzte sich wieder neben mich, diesmal aber mehr Abstand zwischen uns.
"Seit ich denken kann, haben meine Eltern mir immer gesagt, wie scheiße sie mich finden, wie viel lieber sie doch noch einen Sohn gehabt hätten und dass ich nur die fehlgeschlagene Notlösung war, da mein Bruder mit 2 Jahren entführt und ermordet worden war, bevor ich geboren wurde. Ich wurde quasi eingesperrt. Ich bekam Hausunterricht bis ich 11 war. Ich hatte mich das einzige Mal gegen sie durchgesetzt und ich konnte es nicht erwarten, auf eine öffentliche Schule zu gehen und endlich Freunde zu finden. Doch natürlich wusste jeder auf der Schule über meinen reichen Vater Bescheid und fast jeder war ausschließlich nur auf unser, entschuldige, sein Geld aus. Meine einzige Freundin war Amy. Meine beste Freundin. Der Plan meiner Eltern war, dass ich nach meiner Schule Wirtschaft studiere und dann in der Firma meines Vaters arbeite, bis ich mich als fähig genug erwies den Betrieb weiterzuführen. Ich wollte das nie und sie wussten es auch, doch für sie war es klar, dass sie wiedermal ihren Willen durchsetzen würden. Abends ausgehen durfte ich nicht, da waren schon die Schulbücher bereit auf den Tisch gestellt, damit ich schön alles auswenig lernen konnte, um möglichst gut in der Schule zu sein. Menschliche Nähe habe ich nie von einem der beiden bekommen, außer mal eine Hand auf der Schulter als Freunde und Geschäftspartner da waren. Dann wurde natürlich auch erzählt, wie toll ich war und wie viel Potenzial ich hätte, eines Tages die ganze Firma zu übernehmen. Kaum war der Besuch weg, wurde wieder auf mir herumgeritten. Du verstehst es nicht, Michael, ich wurde noch nie von einem der beiden umarmt, nie haben sie gesagt, dass sie stolz auf mich sind, als ich die 1er nach Hause gebracht habe, nie. Ein Tag nach meinem 16ten Geburtstag, hat Amy sich ihr Leben genommen. Sie ist mit dem Auto ihrer Eltern unangeschnallt gegen einen Baum gefahren. Ich wusste immer, dass sie Probleme im Leben hatte, ich wusste, dass sie starke Depressionen hatte, doch ich dachte nie, dass es so weit kommen würde. Nun hatte sie ihren Platz im Himmel und ich war noch immer in dieser Hölle gefangen, ohne die einzige Person, die mir was bedeutet hatte. Und weißt du, was mein Vater zum Tod von Amy gesagt hat? "Sei froh, dass du sie los bist Fiona, sie hat dich eh nur mit ihren Problemen von den wichtigen Dingen abgelenkt. Außerdem kamst du wegen ihr auf diese dusselige Idee mit New York." Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich ausgerastet bin, wie sehr ich ihn angeschrien habe. Ich habe ihn verflucht, seit diesem Tag hasse ich sie. Alle beide, denn meine Mutter ist kein Deut besser. Als ich einen netten Jungen aus der Gegend kennenlernte, beschimpfte sie mich als dreckiges Flittchen, er haute natürlich sofort ab, aber das war schon vorher, da muss ich ungefähr 14 gewesen sein. Ich hatte meinen Eltern gesagt, dass ich gerne nach meiner Schule mit Amy nach Amerika gehen würde, um dort zu studieren, doch das durfte ja nicht passieren, so würden sie ja ihre potentielle Erbin und Rufträgerin verlieren. Wie dem auch sei. Nach meinem Ausraster meldete mich mein Vater bei einem Psychologen an, weil er der Meinung war, dass es seinem Ruf und seiner Firma schaden würde, wenn ich mir auch etwas antun würde, ein großer Fehler für ihn. Ein Journalist sah, wie ich das Gebäude des Psychologen betrat und am nächsten Tag kam die fette Schlagzeile "Erbin von Canterville & Co. in psychiatrischer Behandlung - die total verrückte Tochter des Millionärs". Daraufhin wurde ich wieder von ihm angeschrien. Er sagte mir, dass ich seinen guten Ruf ruiniert hätte und mich mit meiner toten Freundin zum Teufel scheren sollte, da wir sein Leben kaputt gemacht hatten. Einige Monate vor meinem Plan nach Amerika abzuhauen, erzählte mir mein Vater, dass er Lungenkrebs hat. Er war schon immer ein genussvoller Raucher, doch sowas hatte er nun auch wieder nicht verdient. Jedoch kann ich trotzdem sagen, dass es mich total kalt gelassen hat, es hat mich nicht glücklich gemacht, nein, aber ich war auch nicht traurig. Da es mir wirklich an allem fehlte, an menschlicher Nähe, Liebe, gutem Umgang und und und, aber an Geld fehlte es mir tatsächlich nie. Ich habe immer das bekommen, was ich wollte, Anziehsachen, Schmuck, Taschen, was ich wollte halt, da ich ja einen guten Eindruck auf die Außenwelt schaffen musste. Ich verkaufte ein paar meiner teuersten Sachen und verschwand Nachts einfach. Ich bin hierher gekommen, um mein Leben in den Griff zu kriegen, doch auch hier klappt das alles irgendwie nicht. Du wolltest, dass ich dir alles erzähle und hier, bitteschön", die Tränen waren schon an meinen Wangen getrocknet und Mike schaute mich mit einem Mix aus Mitleid und Wut an. Ohne was zu sagen nahm er mich in den Arm und wir schliefen beide ein.
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You and the voices inside my head
Storie d'amore*** "Woran denkst du grad?", fragte er mich, nachdem ich die ganze Zeit wortlos in den Himmel starrte. "Nur du bist in meinem Kopf", flüsterte ich. Nur du und diese Stimmen. ***