Eine Woche ist seit dem einen Tag vergangen. Ich wohne zwar bei Nick, doch er hat mich nicht ein einziges Mal angefasst. Ich sehe wie oft es ihm schwerfällt, aber er hat selber Schuld. Wieder einmal regent es und ich starre auf das verlassene Gelände unter mir. Ich würde gerne mal wissen, wie sich der Regen auf der Haut anfühlt. Doch die Angst, dass es ein ätzender Regen sein könnte ist zu groß. Immer wieder sehe ich zwischen dem Bäumen etwas aufblitzen, doch nie kann ich erkennen was es ist. ,,Jula?" Ich drehe mich etwas und sehe Nick. ,,Ist alles okay?" Ich nicke leicht und drehe mich wieder zurück. ,,Darf ich deine Haare aufmachen?", fragt er vorsichtig. Warscheinlich steht er direkt hinter mir. ,,Okay." Sanft fängt er an meinen Dutt zu lösen. ,,Mit offenen Haaren siehst du viel schöner aus." Er legt meine Haare über meine Schultern und bleibt hinter mir stehen. ,,Was beobachtest du?" ,,Sieh mal zum Waldrand. Da siehst du immer wieder eine oder mehrere weiße Gestalten rumlaufen. Ich frag mich was das ist." Eine Zeitlang blicken wir beide stumm aus dem Fenster.
,,Dahinten", sage ich und hebe meine Hand ein wenig. ,,Du hast Recht. Ich kann mir nicht erklären was das ist." Ganz vorsichtig legt er einen Arm um meine Hüfte. ,,Möchtest du etwas essen?" Ich schüttel den Kopf.
,,Jula, du isst viel zu wenig. Du musst mehr essen." ,,Dann lass mich hier raus." ,,Das kann ich nicht verantworten." ,,Wenn du mich raus lässt, dann werde ich heute Abend was essen."
,,Dir ist aber schon klar, dass es regnet?" ,,Dann halt raus auf die Gänge. Aber einfach wieder unter Leute. Ich fühle mich hier nicht wohl." Er seufzt einmal.
,,Okay. Aber nicht so lange. Geh dir was anderes anziehen."
Er überlegt kurz, als ob er noch was sagen will, doch er löst ohne eine weitere Aktion seine Hände von mir und geht. Einen Moment bleibe ich noch stehen. Erst als seine Schritte komplett verklungen sind, erwache ich langsam aus meine Starre, werfe noch einen sehnsüchtigen Blick nach draußen und verlasse dann das Zimmer. Schnell tausche ich das abgeranzte Hemd von Nick gegen ein Shirt und eine Hose aus.,,Na Süße, lange nicht gesehen", grinst Ash mich direkt vor der Tür an. Ausdruckslos sehe ich ihn an. ,,Ja und? Hab dich nicht vermisst." ,,Du hast dich verändert. Vor ein paar Tagen warst du schüchtener, das hat mir besser gefallen." ,,Das ist wirklich traurig", erwieder ich gelangweilt und verschwinde aus dem oberstem Stockwerk. Weiter unten fühle ich mich geborener. Nicht so abgehoben wie bei Nick. Normal, wie die anderen Leute. Zumindest für ein paar Minuten. Denn normal bin ich nicht mehr. Wer weiß, ob ich es jemals wieder sein kann? Ich stoppe an der Tür hinter der Jason mit meinem Vater wohnt und klopfe. ,,Ich mach auf", ruft Jason und ich höre, wie er vom Bett springt. Wenig später wird die Tür aufgerissen. ,,Dad, Jula ist da", ruft mein kleiner Bruder und hüpft fröhlich auf und ab bevor er sich in meine Arme schmeißt. ,,Wie schön dich zu sehen", sagt mein Vater lächelnd und erscheint ebenfalls im Türrahmen. Er sieht besser aus. Sein Gesicht hat wieder Farbe bekommen, er ist nicht mehr ganz so dürr und seine Augen haben durchgehend seinen liebevollen und sanftmütigem Ausdruck, wie früher.
Lange war ich bei meiner Familie, so lange, dass ich fast schon ein schlechtes Gewissen Nick gegenüber bekommen habe. Das ist allerdings sehr schnell wieder verflogen. Als es schließlich dämmert, verabschiede ich mich doch, nicht ohne Jason zu versprechen bald wiederzukommen. Leise schließe ich die Tür und gehe die Treppe hoch. ,,Jula?! Wo kommst du denn her?" Ein breit grinsender Liam steht vor mir.
Ich antworte nicht, sondern stehe einfach nur da und kann nicht fassen, dass er noch lebt.
,,Ich hab dich vermisst", murmel ich und lasse mich in seine Arme ziehen. ,,Ist alles okay?" ,,Nein." Schnell unterdrücke ich den Schluchszer, der hochkommt.
,,Komm mit." Er zieht mich mit sich, die ganzen vielen Gänge entlang bis zu seinem Zimmer. Dort setzten wir und aufs Bett und er zieht mich sofort wieder in seine schützenden Arme.
,,Ich kann es dir nicht erzählen. Der Boss würde dich umbringen", durchbreche ich nach einigen Minuten die Stille. Warscheinlich tut Nick das sowieso, wenn er das hier rausfindet. ,,Du arbeitest also für den Boss?", schlussfolgert er und seine Stimme bekommt einen dunklen Klang. ,,Für Jason und meinen Vater." Kurz runzelt Liam die Stirn, sagt aber nichts.
,,Es tut mir leid, aber ich muss wieder." ,,Okay. Pass auf dich auf." ,,Du auch." Eine letzte Umarmung und ich stehe wieder alleine auf dem oft so leeren Gang. Leise schleiche ich durch die Flure, in der Hoffung niemandem zu begegnen, den ich kenne. Leider hat Ash immer noch Dienst, als ich wieder vor Nicks Wohnung stehe und kann sich wie immer eine nervige Bemerkung nicht verkneifen. Ohne auf irgendwas einzugehen betrete ich den Vorraum von Nick. ,,Da bist du ja endlich. Nicht mehr lange und ich hätte dich gesucht." Ich lächel ihn kurz an. ,,Es hat mir gut getan zu meiner Familie zu kommen. Danke." Etwas überraschen blickt er auf. Ich habe beschlossen etwas netter zu ihm zu sein. Vielleicht geht das ja auf Dauer auf ihn über. Ich hab lange über ihn nach gedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass er seit langem keine wirkliche Bezugsperson hatte. ,,Ist noch etwas?" ,,Ähm darf ich einfach so rein?" ,,Es ist jetzt auch dein Zuhause. Ich hole dich gleich zum Essen." Er senkt seinen Blick wieder über das Buch und schreibt. Also trete ich in die mir allzubekannte Wohnung ein und suche das schöne Sofazimmer aus mit Blick über das Gelände.

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Die neue Welt
RomanceWir schreiben das Jahr 2135. Es ist ein Jahrhundert her, dass der Atomkrieg begonnen hat und die Erde zerstörte. Menschen waren auf der Flucht, jede Stadt war zerstört und ein Kampf ums Überleben began. Clans bildeten sich und der Kampf geht weiter...