Kapitel 2

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Kleine Hände in meinem Gesicht wecken mich auf. ,,Da ist jemand an der Tür", flüstert Jason in mein Ohr. Meine Augen gewöhnen sich langsam an das Licht und ich richte mich auf.
,,Glaubst du da ist jemand böses?" ,,Nein keine Sorge. Ich geh nach gucken." Ich stehe auf und laufe mit nackten Füßen zur Tür. Mit Schwung öffne ich sie und sehe Liam. ,,Macht euch fertig, dann zeige ich euch alles. Ich warte hier." Er winkt Jason einmal zu, welcher unter der Bettdecke hervorschaut. ,,Okay bis gleich." Ich schließe die Tür, wobei sie entsetzlich quiescht.
,,Ab ins Bad mit dir." Vorsichtig steht Jason auf und tapst ins Bad.

,,Das hier ist die Kantine. Das Essen ist für jeden gleich, manchmal gibt es Fleisch, aber nur sehr selten, eigentlich nie", erklärt Liam und wir stellen uns an der Theke an. Die Schlange geht schnell voran und wir erhalten jeder ein Tablett mit zwei Scheiben Brot einem kleinem Pott Marmelade und eine etwas komische aussehende Scheibe Käse. Zu dritt setzen wir uns an einen Tisch. Jason sieht den Käse ebenfalls angeekelt an. ,,Den will ich nicht essen", motzt er. ,,Komm wir tauschen. Du gibst mir den Käse und bekommst meine Marmelade, okay?" Sofort nickt er und hebt die Scheibe an einer Ecke hoch. Was man nicht alles für seinen Bruder macht. Ich belege das dünne Brot mit dem mickrigen Käse und beiße rein. Schmecken tut es jetzt nicht sonderlich, aber besser als nichts. Immerhin haben wir uns tagelange lang nur von Beeren und anderem Zeug aus dem Wald ernährt. Es ist ein Wunder, dass wir nicht schon längst gestorben sind.

,,So ab ins Bett mit dir." Jason klettert auf die Matratze und legt sich unter die Decke. ,,Jetzt hör mir mal zu. Ich muss gleich weg. Aber keine Angst, bis morgen früh bin ich wieder da. Falls etwas ist, du weißt wo Liams Zimmer ist, dann gehst du zu ihm okay?" ,,Wieso musst du weg?" ,,Sonst können wir hier nicht wohnen. Es ist mein Job. Also sei bitte so lieb und schlaf jetzt. Du bist doch schon ein großer Junge, oder?"
Er nickt tapfer. ,,Ich bin bald wieder da." Ich gebe ihm einen Kuss auf die Stirn und drücke ihm seinen Tiger in den Arm. Den hat er als Baby von unserer Mutter bekommen. Er dreht sich zur Wand und macht die Augen zu. Leise schließe ich die Tür hinter mir und gehe durch den leeren Gang. Am liebsten würde ich umkehren, ihn nie wieder sehen, doch dann sind wir erneut heimatlos. Das kann ich Jason nicht antun.

Ich gehe durch das Treppenhaus, bis ganz nach oben. Mir fällt auf, dass hier nur sehr wenige Zimmer sind, die größte Tür führt natürlich zu ihm. Wie sollte es anders sein, er ist der Boss, er kann alles machen und bekommt alles, was er will. Vor der Tür stehen zwei Wächter und mustern mich.
,,Was willst du hier", herrscht mich der eine an. ,,Ich...also...", stotter ich und über fieberhaft. Was soll ich jetzt sagen? ,,Lass gut sein, Ash. Der Boss hat mir Bescheid gesagt, du kannst rein", sagt er andere und nickt mir zu.
Unsicher öffne ich die Tür und gehe rein, wobei mir der Blick von diesem Ash nicht entgeht. Der Kerl ist komisch. Ich blicke zu dem Tisch und dem Stuhl wo er sitzt. ,,Ah, Jula, ich hab auf dich gewartet." Er grinst und steht auf. ,,Komm her." Zögerlich gehe ich zu ihm. Alles in mir schreit wegzulaufen, aber das würde mir eh nicht viel helfen.
,,Vielleicht sollte ich dir die Regeln erklären, bevor wir anfangen." Er überbrückt den letzten Schritt und umrundet mich. ,,Erstens", fängt er an und streicht mir von hinten die Haare hinter mein Ohr. ,,Du wirst niemanden irgendwas davon erzählen. Zweitens." Seine Hände fahren über meine Haut und hinterlassen eine kribbelnde Spur. ,,Du machst das was ich sage, ohne Widerstand. Und zuletzt, du wirst keinen anderen Jungen küssen, oder sonst was mit ihm machen. Unterhalten und kurze Berührungen sind erlaubt, aber nicht mehr", flüstert er in mein Ohr und entfernt sich wieder von mir. ,,Verstößt du gegen eine dieser Regel wird es für dich nicht schön enden. Ich würde dich zwar niemals ernsthaft verletzten, dennoch wird es nicht angenehm sein. Dein Bruder ist natürlich eine Ausnahme", erklärt er und beendet seine Runde um mich.
,,Noch Fragen?" Sein Blick durchbohrt mich, ich würde ihn gerne mal richtig betrachten, doch seine bestimmende Tonart hindert mich daran. Etwas wütend packt er meinen Kiefer und drückt ihn hoch. Somit hab ich keine andere Möglichkeit als in seine Augen zu starren.
,,Ich hab dich was gefragt", zischt er. ,,N...Nein", bringe ich stotternd raus. ,,Gut." Er lässt meinen Kiefer wieder los.
,,Komm mit." Er geht auf eine weitere Tür zu. Die ist mir gestern gar nicht aufgefallen. Stumm und leise folge ich ihm. Was hinter der Tür zum Vorscheinen kommt, ist unfassbar. Ein großer Raum, von dem noch mal andere Räume abgehen. In diesem Raum steht ein kleiner Tisch und ein großes Sofa. Ich hab noch nie eins gesehen, doch in der Schule haben wir das mal durchgenommen. Dazu ein großes Regal mit Büchern. Eine große Fensterfront gibt den Blick auf das ganze Gelände frei. Man kann sogar über den Zaun gucken und die Wälder und Wiesen erkennen. So etwas luxuriöses hab ich noch nie gesehen. Ich hatte immer nur das Zimmer mit meinem Bruder und meinem Vater zusammen.
,,Setz dich", kommt es von links. Ich reiße meinen Blick vom Fenster und setze mich neben ihn auf dieses Sofateil oder was auch immer. Es ist total bequem, man sinkt in die weichen Kissen. Der Raum ist in einem schönen weiß gehalten, nicht in diesem grässlich grau. Der Tisch ist aus hellem Holz und das Sofa hat einen schönen hellen beigeton. Das Bücherregal ist ebenfalls aus hellem Holz und viele Bücher in Ledereinschlag stehen drin. Ich hab noch nie ein Buch gelesen, in der Schule hat unsere Lehrerin eins gehabt, damit wir lesen üben können, doch nie haben wir es ganz gelesen. Eine große Lampe strahlt ein angenehmes Licht in den Raum. Wie der Strom hier gemacht wird weiß ich nicht, ich hab es schon im alten Clan nie verstanden.

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