Kapitel 8

288 21 0
                                    

Das erste was ich spüre sind Schmerzen. Ich versuche mich aufzusetzen, doch eiserne Arme halten mich fest. Von den verzweifelten Versuchen mich zu befreien wacht Nick auf.
,,Was machst du?", murmelt er verschlafen. ,,Lass mich los."
,,Warum?" ,,Weil ich nicht länger als nötig meine Zeit mit dir verbringen will. Außerdem muss ich zu Jason." Er lacht leise.
,,Falls du es noch nicht bemerkt hast, es regent, was bedeutet, dass die Schule ausfällt, weil niemand raus darf. Was ebenso bedeutet, dass dein Brüderchen nicht von seinem Freund hier rüber kann und somit wirst du mir noch etwas Gesellschaft leisten." ,,Dann lass mich wenigstens ins Bad." Er lockert seine Arme etwas und sofort flüchte ich aus der unerträglichen Hitze. Gerade will ich aufstehen, als mir einfällt, dass ich untenrum nichts anhabe, und das Shirt auch nicht das längste ist. Mein Zögern bringt ihn erneut zum lachen. ,,Süße, das war nicht das letzte Mal, dass ich dich nackt gesehen habe. Jetzt geh endlich."
,,Dreh dich um." ,,Was?" ,,Mach schon." Er verdreht genervt die Augen bevor er sein Gesicht im Kissen vergräbt. Schnell stehe ich auf und renne zum Bad. Sofort verschließe ich die Tür. Erschöpft lasse ich mich auf den Toilettendeckel sinken. Diese Schmerzen machen mich fertig. Dumpf dringt Nicks Stimme durch die Tür. ,,Geh duschen, Handtücher hängen rechts neben der Dusche. Komm danach in die Küche." Ich antworte nicht.
,,Jula", knurrt er wütend.
,,Ist gut." Meine Stimme ist nicht laut, doch er scheint er gehört zu haben. Als ich sicher bin, dass er nicht mehr da ist stehe ich langsam wieder auf. Am Spiegel bleibe ich kurz stehen. Meine Augen sind immer noch verheult und gerötet, ich habe leichte Augenringe und meine Haare hängen wirr von meinen Kopf. Ich entdecke einen unübersehbaren dunkelroten Fleck an meinem Hals. Dieser Mistkerl. Es reicht nicht mich zu entjungfern und mir wehzutun, nein er muss mir auch noch so was zufügen, damit es noch peinlicher für mich ist, andere Leute zu treffen. Etwas sauer reiße ich ein Handtuch aus dem Schrank und gehe damit zur Dusche. Dann werde ich mir jetzt mal etwas Luxus gönnen, nach allem was ich durchgemacht habe und noch machen werde.

Lange stehe ich unter der Dusche, doch die Schmerzen wurden nicht weniger. Irgendwann schaffe ich es das Wasser abzuschalten und wickel mich in das weiche Handtuch. So einen Stoff habe ich noch nie gesehen, geschweige denn auf meiner Haut gespürt. Fasziniert trocke ich mich ab, kämme meine Haare und mache die Tür einen kleinen Spalt auf. Das Zimmer ist leer. Leise schleiche ich durch den Raum, um mir die Klamotten, welche ich auf dem Bett entdeckt habe zu nehmen. Flink schlüpfe ich in sie rein. Ich hab noch keine Lust zu Nick zu gehen und Hunger hab ich auch keinen. Neugierig wie ich bin nehme ich mir das kleine Buch aus der Schublade und verschwinde wieder ins Bad, um ungestört lesen zu können.

11.9.2035
Der Erste ist nun von uns gegen. Keiner wußte wirklich, was es war, man vermutet eine nicht ansteckende Krankheit. Doch die Angst hier unten ist groß. Die Angst vor dem Tod. Die Angst, nach dem Schlafen die Augen nicht mehr zu öffnen steigt mit jeder Stunde. Die Angst, Freunde und Familie zu verlieren und daran zu Grunde zu gehen. Die Angst nie wieder das Tageslicht zu erblicken. Ich frage mich, wie es da oben aussieht, wenn ich hier jemals raus komme. Falls die Kriege endlich aufhören. Meiner Ansicht nach dauert es nicht mehr lange, bis die Menschheit sich mit ihren eigenen Waffen gegenseitig ausrottet. Dann sind wir nur noch Geschichte. Vielleicht findet man ja mein Buch.

Ein Klopfen bringt mich zurück in die Realität. ,,Miss, der Boss erwartet sie schon seit einiger Zeit. Sind Sie fertig?", erklingt eine weibliche Stimme vor der Tür. ,,Ja ich komme sofort", sage ich hastig. ,,Ich gebe dem Boss Bescheid." Ich warte, bis die Angestellte weg ist und lege meine Haare über die Verfärbung am Hals. Wieder scanne ich zuerst das Zimmer, bevor ich das Buch zurück lege und mich auf den Weg in die Küche mache. Es regnet immer noch, hoffentlich hört es bald auf damit ich Jason holen kann und endlich hier rauskomme. Da der Regen oft noch Atomare Strahlung enthält ist er meistens sehr gefährlich und teilweise ätzend, da ebenfalls sehr viele Chemikalien im Wasser sind. Niemand traut sich dann raus, selbst die Wachen verlassen ihre Posten. Das Wasser wird dann gereinigt und gefiltert, woraufhin es benutzbar und trinkbar wird. Schneller als es mir lieb ist, komme ich bei Nick an. Ohne Pause starren mich seine Augen an. Ich setze mich hin und betrachte das ganze Essen. ,,Nimm dir." Er fängt an sich das Essen auf den Teller zu schaufeln, während ich immer noch stumm da sitze. Wieso soll ich essen, wenn ich keinen Hunger habe? Schon der Geruch lässt leichte Übelkeit aufkommen. ,,Was ist los?" Seine Stimme klingt schon fast wieder sanft. Doch darauf falle ich nicht rein. Nicht mehr. ,,Kein Hunger", murmel ich leise. Er zuckt mit den Schultern und isst weiter. Was ein Egoist. Nicht mal warum hat er gefragt, oder ob ich Schmerzen habe. Meine Handgelenke sind immer noch aufgescheuert und und Bauch fühlt sich an, als hätten sich dort Messer reingebohrt. Das Essen über redet niemand ein Wort.
,,Komm. Solange es regnet bleibst du bei mir." Beim Versuch aufzustehen wird mir auf einmal schwindelig. Mein Unterleib zieht sich zusammen und ich hab das Gefühl gleich umzukippen. In letzter Sekunde kralle ich mich in den Tisch. Ich spüre Nicks Anwesenheit direkt hinter mir.
,,Soll ich dir helfen?" Trotzig richte ich mich auf. ,,Nein." Mit zusammen gebissenen Zähnen folge ich Nick. Er bleibt vor einem Zimmer stehen. Ich hab vergessen, was da drin war. Es waren zu viele Räume an dem Tag. Geräuschlos schwingt die Tür auf und gibt den Blick auf ein gemütliches Sofa frei. Es ist zu der großen Fensterfront gerichtet. Ebenfalls befinden sich zwei Sessel, ein Regal, Teppiche und ein Tisch im Raum. Wie immer ist alles in hellen Tönen gehalten. ,,Willst du dich nicht setzten?" Ich merke, dass ich immer noch im Raum rumstehe. Mit roten Wangen setze ich mich zu ihm auf das Sofa. ,,Wenn deine Schmerzen sehr schlimm sind, dann sag das. Ich hab etwas dagegen." ,,Geht schon", murmel ich und blicke raus in den Regen. Der tödliche Regen. Zumindest wird das immer gesagt. Ob das stimmt ist eine andere Frage. Doch was ist schon wahr und wem kann man wirklich vertauen, außer sich selbst?

Die neue WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt