Kapitel 11

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,,Wach auf Jason." Langsam streiche ich meinem Bruder durch die Haare, damit er wach wird. Kurz blinzelt er, dann kommen seine blauen Augen zum Vorscheinen. ,,Was ist?"
,,Ich hab eine Überraschung für dich." Sofort ist er komplett wach. ,,Was für eine?" ,,Das musst du schon selber schauen. Geh ins Wohnzimmer." Im Schlafanzug klettert er aus dem Bett und läuft zur Tür. Er wird immer schneller und öffnet gespannt die Tür zum besagten Zimmer. Als er sieht wer dort auf dem Sofa sitzt, bleibt er erstarrt stehen. ,,Na los, lauf zu Dad", sage ich leise und schubse ihn in Richtung Sofa.  Jason sprintet los und hüpft unserem Vater auf den Schoß. Ich setze mich ebenfalls dazu. ,,Endlich habe ich euch wieder", seufzt mein Vater.
,,Jetzt erzähl mal bitte wie du überleben konntest." ,,Nachdem ich getrennt wurde und nicht mehr zurück gefunden habe, schlug ich mich selber durch. In der Hoffnung, euch irgendwann wieder zu sehen. Ich baute mir eine kleine Hütte aus Stöcken und Blättern und ging ab und zu jagen. Es war hart, ich hatte Glück nicht vergiftet zu werden. Als die Matunkas durch den Wald zogen folgte ich ihnen unauffällig und wurde beim ersten Kampf gefangen genommen." ,,Hast du schon mit Nick geredet?" Er nickt.
,,Ich darf hier arbeiten. Jason, ich werde zu dir ins Zimmer ziehen." ,,Und Jula?", fragt Jason.
,,Ich bekomme ein anderes Zimmer. Ich werde euch aber oft besuchen." Zufrieden kuschelt er sich an Dad. ,,Solang die Matunkas noch hier sind werdet ihr zu den anderen gehen. Soll ich euch begleiten?" ,,Ja", ruft Jason sofort und rennt in sein Zimmer um sich umzuziehen. ,,Jula, erzähl mir nichts. Wo wohnst du wirklich? Und warum sind wir überhaupt hier?" ,,Das ist egal Dad. Ihr beide seid in Sicherheit, ich komme schon klar. Sei einfach für Jason da. Er braucht dich sehr." ,,Meine kleine Jula." Er drückt mir einen Kuss auf den Kopf. ,,Ich hab euch so vermisst."
,,Wir dich auch."

Mein Vater und Jason sind zu dem Rest des Clans zurückgekehrt. Ich sitze etwas gelangweilt auf Nicks Bett und lese eins der Bücher. Der Tag ist schon weit vorangeschritten, als Nick gegen Abend wieder kommt. Nicht, dass ich ihn vermisst hätte, aber es ist langweilig so alleine. ,,Geht's dir gut?" ,,Ja. Hat sich was getan?"
,,Kaum. Ein paar sind abgehauen, doch die meisten Lager sind noch da." Er legt seine Brustplatte ab und offenbart mir ein blutbeflecktes Shirt. ,,Bist du etwa verletzt?" ,,Nur ne kleine Wunde an der Schulter", winkt er ab. ,,Sieht aber nicht so aus." Ich stehe auf und gehe ins Bad. Kurz darauf komme ich mit Desinfektionsmittel und dirversen Verbandssachen wieder. Nick setzt sich aufs Bett.
,,Shirt aus." ,,Mach du es doch?" Ein leicht dreckiges Grinsen bildet sich auf seinen Lippen. Ich nehme sein Messer, welches neben ihm liegt und zerschneide es kurzerhand einfach. Eine Schnittwunde zieht sich vom Nacken bis zum Schultergelenk. ,,Hast ja noch mal Glück gehabt." Sie scheint nicht tief zu sein. Ich sprühe etwas zur Säuberung drauf, was ihn kaum merklich zusammenzucken lässt. ,,Am besten gehst du erst duschen. Danach mach ich dir was drauf."
,,Kommst du mit?" ,,Vergiss es."
,,Du vergisst wohl, dass ich der Boss bin und..." ,,Nick bitte. Du weißt ganz genau, dass das alles nicht einfach ist." Er zieht mich zu sich und ehe ich mich versehe liege ich unter ihm. ,,Hast du mich gerade unterbrochen?!" Seine Stimme nimmt einen dunklen Ton an. ,,Sorry", murmel ich leise. ,,Heute. Und nur heute, wegen den ganzen Aufregungen. Nächstes mal endet es nicht so." Er geht von mir runter und verschwindet. Was will er nur immer von mir?

Wieder wache ich alleine im Bett auf. Da Nick nicht da ist binde ich meine Haare hoch und gehe in die Küche um etwas zu essen. Als ich an der Tür nach draußen vorbei komme, erreichen mich laute Schreie. Vorsichtig öffne ich die Tür und will raus, doch die Wachen halten mich auf. ,,Der Boss hat uns verboten jemanden rauszulassen." ,,Ich muss da raus." ,,Nein." ,,Aber..." Einige Männer rennen bewaffnet durch den Gang die Treppe hoch. Augenblicklich werde ich von einer Wache reingestoßen und die Tür wird verschlossen. Da ich weiß, dass es nichts bringt einen Ausbruchversuch zu starten, lasse ich mich mit einem Buch auf das Sofa fallen, aber so wirklich konzentrieren kann ich mich hier unten nicht. Hoffentlich geht es Jason und Dad gut.

Die Stunden wollen einfach nicht vergehen. Schon zum vierten Mal lese ich den selben Satz des Buches. Doch immer wenn ich am Ende angelangt bin, habe ich vergessen, wie er angefangen hat. Ich kann mich einfach nicht konzentrieren. Zu groß ist meine Angst, dass Liam oder sogar Nick etwas zustoßen könnte. Auch wenn ich Nick hassen sollte, ohne ihn wären Jason und ich warscheinlich tot und meinen Vater hätten wir auch nicht gefunden. Natürlich hat er seine Launen und die ständig wechselnden Gefühle, welche ich nie bei ihm einordnen kann. Er ist ein Geheimnis, es wird mit Sicherheit noch dauern, bis er sich öffnet, wenn er es denn überhaupt tut. Ein leises Klopfen lässt mich aus meinen Gedanken fahren. Die Angestellte steckt ihren Kopf ins Zimmer. ,,Miss, haben Sie einen Wunsch für das Abendessen?" ,,Nenn mich doch bitte endlich Jula." ,,Ich glaube nicht, dass der Boss..." ,,Nick ist nicht hier, du musst es ja nicht in seiner Anwesenheit machen. Und mir ist egal was es gibt, aber bitte koch genug und lass meinem Bruder und meinem Vater etwas zukommen, sodass es kein anderes Clanmitglied merkt." ,,Alles klar, Mi... Ich meine Jula." Sie schließt die Tür wieder und ich versuche mich erneut auf das Buch zu konzentrieren.

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