Die neue Welt

Kapitel 19

Mit einem leisen klicken öffne ich die Tür zu Nicks Arbeitszimmer. Wie immer sitzt er an dem einzigem Tisch im Raum. ,,Was gibt's", fragt er etwas genervt ohne aufzublicken. ,,Stör ich?", frage ich vorsichtig. Sofort schnellt sein Kopf hoch. ,,Nein. Entschuldige, ich dachte du wärst Carola. Ich hasse es Neue einzuweisen." Ich gehe zum Tisch und stütze mich auf die Kante.
,,Was ist los?" ,,Ich ähm wollte fragen ob, also ob ich vielleicht meinen Dad und Jason besuchen darf." Unschuldig lächel ich ihn an. ,,Jula, ich will dich da echt ungerne rauslassen." ,,Bitte. Ich hab sie schon über zwei Wochen nicht gesehen." ,,Warte kurz."
Er kramt in seinen Unterlagen und holt ein Blatt raus. ,,Ash hat gerade Dienst. An sich könnte ich dich rauslassen..." Grinsend sieht er zu mir hoch und ich weiß genau was er will. Nur weil wir gestern keinen Sex hatten. Das war so klar. ,,Gut, was willst du?" ,,Oh das siehst du dann."
,,Nick. Sag doch einfach", jammer ich. Er schüttelt den Kopf. ,,Jetzt ab zu deinem Bruder. Und komm zum Abendessen wieder."
,,Aber..." ,,Mach bevor ich es mir anders überlege." Ich drehe mich um. ,,Muss ich Angst haben?", frage ich beim rausgehen. ,,Nö eigentlich nicht. Es sei denn du machst nicht mit, dann schon." Ohne mich noch mal umzudrehen verlasse ich das Zimmer. Wie immer laufe ich die altbekannten Gänge durch. Ich hab mal gehört, dass die Menschen früher ihre Wände mit Farbe angemalt haben. Wie das wohl ausgesehen hat? Drei mal klopfe ich an die Zimmertür. Ich versuche sie auf zu machen, aber sie scheint zu zu sein. ,,Falls du deine Familie suchst, sie ist nicht da." Mein Kopf geht zur Seite und ich sehe Liam. ,,Weißt du wo sie sind?" ,,Dein Vater hat Dienst und dein Bruder ist bei seinem Freund. Hab ihn gerade dort hin gebracht." ,,Danke." ,,Kein Ding. Hast du Lust mit zu mir zu kommen?" Ich denke kurz nach. Nick arbeitet, also wie soll er es mitkriegen? ,,Okay." Auf Liams Gesicht bildet sich ein Lächeln. Wir gehen ein paar Meter weiter und nehmen auf seinem Bett, die einzige Sitzmöglichkeit, platz.
,,Worüber reden wir jetzt?", fragt Liam grinsend. Ich zucke mit den Schultern. ,,Ich weiß eigentlich kaum was von dir. Erzähl mal was." Er nickt vorsichtig. ,,Also ich kenne meine Eltern nicht. Mir wurde auch nie gesagt wo ich herkomme. Ich war wohl einfach da. Vom Himmel gefallen oder so." Ich fange an zu lachen.
,,Irgendwann habe ich aufgehört nachzuforschen. Naja das wars eigentlich auch schon." ,,Das muss echt mies sein." ,,Man gewöhnt sich dran."

Den ganzen Nachmittag lang sitzen Liam und ich in seinem Zimmer und reden über mein altes Leben. ,,Ich muss los." Er nickt. ,,Wann sehen wir uns wieder?" ,,Keine Ahnung. Wenn ich das nächste mal Zeit habe." An der Tür hält Liam mich noch mal auf. ,,Warte." Ich drehe mich um und merke, dass er mir verdammt nah ist und hinter mir leider die Wand ist. ,,Liam ich..." Er unterbricht mich mit einem Kuss. Erstarrt bleibe ich stehen und bin zu nichts fähig. Dann schaltet mein Gehirn wieder ein und ich drücke ihn weg. ,,Das funktioniert nicht Liam", murmel ich und blicke in seine verletzten Augen. ,,Ich weiß, dass du was mit dem Boss hast. Aber ich konnte nicht anders."
,,Tut mir leid." Ich öffne die Tür und lasse ihn stehen. So schnell ich kann renne ich die Treppe hoch. Die Wachen beäugen mich skeptisch, lassen mich aber ohne ein Kommentar rein. Ich setze ein möglichst neutrales Gesicht auf, aber zum Glück ist Nick nicht am arbeiten. In der Wohnung sehe ich, dass Nick am Esstisch auf mich wartet. ,,Da bist du ja. Lass uns essen." Ich setze mich und wir fangen an, aber irgendwie ist die Stimmung gedrückt. Allerdings traue ich mich nicht ihn darauf anzusprechen.

Das Essen ist schnell beendet und wir ziehen uns um. Als ich aus dem Bad komme ist das Licht bereits aus und Nick liegt im Bett. Er rührt sich nicht mal, als ich dazu komme. Irgendwas ist passiert. Ob es an mir liegt kann ich nicht sagen. Ich verlasse das Bett wieder und gehe in mein Lieblingszimmer. Auf dem Sofa starre ich in die dunkle Nacht. So hat sich Nick noch nie benommen. Weiß er etwa von dem Kuss? Aber wie und wenn ja, warum ist er nicht ausgerastet, sondern redet nicht mehr mit mir? Ich weiß nicht wie lange ich dort sitze, aber irgendwann öffnet sich die Tür. An den Schritten kann ich erkennen, dass es Nick ist. ,,Du weißt davon oder?", murmel ich sobald er neben mir sitzt. Langsam nickt er. ,,Wieso warst du bei ihm?" ,,Mein Dad hatte noch Dienst und Jason war bei einem Freund. Liam hat niemanden mehr, er tut mir ziemlich leid." ,,Hab ihr nur geredet?", harkt er nach. Ich schweige. ,,Das reicht. Keine Angst ich hab versprochen dir nichts zu tun. Ich halte mich dran." ,,Es tut mir leid, okay? Ich habe halt nicht nachgedacht."
,,Das macht es nicht besser." Er steht auf und verlässt den Raum. Seufzend sinke ich an der Lehne zusammen. Natürlich passiert mir das alles. Wem auch sonst?