Kapitel 21

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Seit Stunden hocke ich in diesem Loch. Es ist kalt, feucht und dunkel hier. Nur ein paar verrostete Gitterstäbe trennen meine Zelle von den anderen. Die sind allerdings leer. An die harte Steinwand gelehnt warte ich vergebens darauf, dass etwas passiert. Da mein Zeitgefühl komplett weg ist, habe ich keine Ahnung ob es Tag oder Nacht ist, oder wie viel Zeit vergangen ist. Zusammengekauert hocke ich an der Wand, als laute, schwere Schritte erklingen. Die Tür wird geöffnet und eine der Wachen schiebt irgenwas in die Zelle.
,,Iss das. Anweisung vom Boss", raunzt er unfreundlich und knallt die Tür wieder zu. Ich versuche mich zu bewegen, doch sofort fängt meine Wunde am Rücken an zu schmerzen. Stück für Stück krabbel ich über den Boden zur Zellentür. Dort steht ein Teller mit irgendwas zu essen und eine Flasche. Mit zitternden Händen öffne ich sie und kippe gierig die Flüssigkeit runter. Danach schaue ich das Essen aan und beschließe es stehen zu lassen. In meinem Zustand kriege ich nichts runter. Langsam ziehe ich mich zurück zu der Wand, lege meinen auf die angezogenen Knie und warte darauf, dass die Müdigkeit über die Schmerzen siegt.

Laute Rufe wecken mich aus meinem Halbschlaf. Die Flasche und der Teller stehen immer noch unverändert da. Die Rufe werden lauter und vermischen sich mit Kampfgeräuschen, was meinen Kopf noch mehr zum dröhnen bringt. Die vielen Schritte auf dem Flur nehme ich kaum war. Erst als jemand meine Zellentür auftritt, hebe ich meinen Kopf. ,,Nehmen wir sie mit?", fragt jemand, doch ich kann ihn nicht erkennen, da es zu dunkel ist. ,,Ja. Je mehr, desto besser", antwortet ein andere.
Ein dritter kommt rein und packt einen Arm von mir. Er zieht mich hoch, wobei ich mir ein leises Wimmern nicht verkneifen kann. Der Erste kommt und betrachtet meinen Rücken. ,,Sie ist ziemlich schwach und hat ne üble Wunde. Sie ist eh die letzte, trag sie, Timmens", weist er an. Ich werde hochgehoben und über eine Schulter gelegt. Eigentlich wollte ich noch warten, bis wir draußen sind, aber die Müdigkeit und die Schmerzen schwärzen mein Sichtfeld immer mehr, bis es komplett schwarz wird.

,,Hey, aufwachen, wir wollen los", werde ich unsanft geweckt. Ich kann mich erstmal gar nicht orientieren. Die grelle Sonne blendet meine Augen und ich muss mich einen Moment lang daran gewöhnen, dass ich gerade draußen bin. Hinter dem Zaun. Mitten im Wald auf einer Lichtung. Weit weg vom Leski- Clan. ,,Mach jetzt." Ich blicke zu dem Mann, welcher ungeduldig vor mir steht. Langsam stehe ich auf, achte dabei darauf, dass ich meinen Rücken nicht zu sehr strapaziere. Mir wird eine Flasche Wasser in die Hand gedrückt und der Trupp geht los.
,,Wer sind die?", frage ich leise jemanden, der neben mir steht. Ich kenne weder die Umgebung noch die Leute. Ich weiß nichts. Nur das Nick mich entweder vergisst oder diesen Clan zerstören wird, wenn er mich hier findet. Ich wüsste nicht was besser ist. Einseits will ich zurück zu meiner Familie, aber andererseits kann ich auch gut auf Nick verzichten. ,,Wir gehen zu dem Carimte- Clan. Endlich komme ich zurück zu meiner Familie", freut sich der Junge. Ich schenke ihm ein kleines Lächeln und konzentriere mich wieder darauf nicht zu stolpern. Mein Kopf tut extrem weh und meine Wunde schmerzt höllisch. Hoffentlich sind wir bald da.

Zwei Tagesmärsche später kommen wir im Carimte- Clan an. Auf einer großen Wiese stehen viele aus Stein gebaute Häuser. Die meisten sind rund und haben Dächer aus Stroh oder Holz. Wir werden zu einem großem Haus geführt. Nach und nach wird jeder einzeln reingebracht, kommt aber nicht wieder raus, was mich ziemlich nervös macht. ,,Jetzt du", sagt einer und stößt mich mach vorne. Leise zische ich auf, da er genau meine Wunde getroffen hat und diese immer noch nicht gut verheilt ist. Müde und ausgelaugt betrete ich zwischen zwei Wachen das Haus. ,,Wer bist du und wo kommst du her?", werde ich direkt empfangen. Ich brauche einen Moment um meine Kraft zu sammeln, damit ich antworten kann. ,,Jula Narukta. Ich komme vom Leski- Clan." ,,Warum warst du dort gefangen?" ,,Keine Ahnung. Schätze der Boss wollte mir ne Lexion erteilen." Der Mann nickt nachdenklich. ,,Wir können sie nicht gebrauchen. Tut sie in eine Zelle, achtet aber darauf, dass sie uns nicht wegstirbt." Da ich viel zu müde bin um etwas zu verstehen lasse ich mich protestlos mitziehen. Ich werde in eine Zelle geschubst und die Tür fällt hinter mir zu. Schon wieder gefangen. Ich bleibe an Ort und Stelle stehen, damit meine Augen sich erstmal wieder an die Dunkelheit gewöhnen.
,,Komm ruhig rein, Kleines. Ich tu dir nichts." Die Stimme hört sich alt und kratzig an. Mit der Zeit kann ich eine Person erkennen, welche auf etwas Stroh in einer Ecke liegt. ,,Wer bist du?", frage ich leise mit zitternder Stimme. ,,Keine Angst. Ich bin ein alter, kranker Mann. Ich kann dir nichts tun." Langsam gehe ich zu ihm hin. Er sieht tatsächlich nicht gut aus. Seine Haut ist blass, als hätte er seit Jahren nicht die Sonne gesehen. Sein Gesicht ist eingefallen und alt und trotzdem haben seine Augen einen freundlichen Glanz. ,,Mein Name ist Cisa. Endlich habe ich wieder Gesellschaft. Weißt du, die bekommt man hier unten nicht oft." Irgendwie ist er mir sympathisch. ,,Ich bin Jula", antworte ich und setze mich neben ihn. ,,Ein außergewöhnlicher Name. Warum bist du hier?" ,,Ich weiß es nicht. Eigentlich komme ich von den Leski. Dort war ich auch gefangen wegen... ist ja egal. Aber dann wurde der Clan vermutlich angegriffen und ich wurde mitgenommen. Jetzt bin ich hier." ,,Du kommst von den Leski?" Freudig nimmt der Mann meine Hand. ,,Ich gehöre auch zu ihnen. Kennst du den Boss?" Ich nicke. Mehr als es mir lieb ist. Cisa fängt an zu lächeln. ,,Er ist ein guter Boss, weißt du. Auch wenn es nicht so aus sieht. Ich kenne ihn besser als sonst irgendjemand, er war für mich wie ein Sohn." Tränen schimmern in seinen Augen. ,,Er hat nie von dir erzählt", murmel ich leise. ,,Er redet nicht gerne über vergangene Sachen. In welcher Beziehung stehst du zu ihm?" Ich schweige. Kann ich es ihm erzählen? ,,Schon gut, Kleines. Ich kann es mir denken. So war er schon immer." Ein Hustenanfall schüttelt seinen mageren Körper. ,,Es ist schön, meine letzten Tage nicht alleine zu verbringen." ,,Wie meinst du das?" ,,Ich bin schon zu lange hier unten. Mein Leben ist bald vorbei." ,,Nick wird uns sicher vorher hier raus holen", sage ich zuversichtlich. ,,Dich. Da bin ich mir sicher. Dich wird er nicht hier lassen Jula. Aber für mich ist es zu spät." Ich antworte nicht.
,,Sei nicht traurig Kleines. Ich bin zufrieden mit meinem Leben. Meine letzten Jahren waren nicht schön, aber ich kann mich nicht beklagen." Er drückt leicht meine Hand. ,,Jetzt schlaf ein wenig. Du scheinst müde zu sein." Ich nicke und mache es mir so bequem es nur geht.

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