Kapitel 1

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Die Äste knacken unter meinen Füßen und der Schweiß durchnässt meine Haare. Es ist brütend heiß, obwohl wir im Wald sind. Früher war das Wetter scheinbar geregelt. Zumindest hat man mir das gesagt. Das war vor der Katastrophe. ,,Jula ich will nicht mehr", jammert Jason und schaut zu mir hoch. ,,Wir müssen noch ein Stück weiter. Es dauert nicht mehr lange." Er seufzt und greift nach meiner Hand. Ich könnte ehrlich gesagt auch eine Pause gebrauchen, aber wir müssen so schnell es geht zum nächsten Clan, hier draußen soll es so schreckliche Kreaturen geben, die nicht mal in den schlimmsten Alpträumen existiertieren. Und mit zwei Messern hab ich da nicht so wirklich gute Chancen. Auf einmal raschelt es in den Büschen neben uns. ,,Was war das?", fragt mein Bruder ängstlich und klammert sich an mein Bein. ,,Alles gut. Uns passiert nichts", versuche ich möglichst ruhig zusagen, obwohl ich selber total Panik habe. Jason fängt an zu schluchzen und ich ziehe eins meiner Messer. In der nächsten Sekunde springen mehrere bewaffnete Männer aus dem Gebüsch und richten ihre Schwerter auf uns. Jasons Schluchzen wird lauter. ,,Wer seid ihr?", zischt einer der Männer. ,,Jula. Und das ist Jason", bringe ich vorsichtig raus. ,,Was wollt ihr hier?", fragt er weiter.
Was bringt es ihn anzulügen?
,,Wir wollen zum Leski- Clan."
,,Von dort kommen wir. Wir bringen euch hin. Ich bin übrigens Liam", sagt er wesentlich freundlicher und schenkt Jason ein kleines Lächeln. Die anderen Männern stecken ebenfalls ihre Waffen zurück. Klar, was sollen ein Mädchen und ein kleiner Jumge auch gegen sie ausrichten. Ausgehungert, abgemagert, schwach von dem Weg, mit zerissener Kleidung und verfilzten Haaren. Selbst wenn ich es schaffen würde, einen zu töten, sind da immer noch die anderen. Die Gruppe setzt sich in Bewegung und Jason beruhigt sich wieder etwas. Leider dauert es nicht lange, bis wieder das Geheule anfängt. ,,Jula, ich kann nicht mehr." Ich bleibe stehen und hocke mich vor ihn. ,,Hör auf zu weinen, es ist doch alles gut. Ich werde dich tragen, okay?" Er nickt und lächelt etwas. Ich setze meinen Rucksack ab und lasse Jason auf meinen Rücken steigen. Dann nimmt Jason den Rucksack und ich halte ihn fest. ,,Können weiter", sage ich und wir setzen uns wieder in Bewegung. ,,Was macht ihr beide eigentlich so alleine hier draußen?" Liam hat sich etwas zurückfallen lassen und läuft nun neben mir. ,,Unser alter Clan hat uns vertrieben. Nun ist unsere Hoffnung im Leski- Clan angenommen zu werden." ,,Ich will euch das echt nicht verderben, aber die Chancen sind sehr gering. Oder habt ihr was zum bieten?" ,,Nein. Aber man kann es ja mal versuchen."
Er nickt nachdenklich und geht wieder nach vorne an die Spitze.

Die Sonne geht unter, als wir endlich in Sichtweite des Zauns kommen. Der Clan hat sich in eine alte, zerbomte Stadt niedergelassen und baut sich dort schon seit mehreren Jahren ihre Existenz auf. Schnell passieren wir den Sicherheitszaun und laufen durch die staubigen Gassen. Ab und zu läuft ein Mensch an uns vorbei. Je mehr wir ins Stadtinnere kommen, umso voller wird es. Die unterschiedlichsten Leute laufen dort rum. Unversehrte, einigen fehlen Gliedmaßen, einige wurden durch die Strahlung genetisch verändert und haben verkrüppelte Arme, das Gesicht verunstaltet oder einen komischen Ausschlag. Jason klammert sich stärker an mich. Klar, er hat Angst, mit sieben ist das ja kein Wunder. Liam führt uns zu dem höchsten und unversehrtestem Gebäude der Stadt. Wir müssen viele Treppen hoch laufen, bis wir endlich vor einer Tür stehen bleiben. ,,Ich gebe kurz dem Boss Bescheid", informiert Liam uns und verschwindet hinter der Tür. Ich lasse Jason runter und schaue mich um. Der Flur und das Treppenhaus sind grau und sehen trostlos und ausgebrannt aus. Orangenes Licht fällt durch die schmutzigen Fensterscheiben und erhellt alles ein wenig. Eine Tür knallt zu und lässt mich zusammenzucken. ,,Der Boss wartet drinnen. Viel Glück", sagt Liam und deutet auf die Tür. Langsam gehe ich darauf zu. Ich muss es tun. Für Jason. Automatisch greift er nach meiner Hand. Das Zimmer hinter der Tür ist genauso trostlos. Ein einzelner Tisch mit einem Stuhl, welcher von einem übel dreinguckenden Mann besetzt wird. ,,Wer seit ihr?", fragt er laut und seine Stimme hallt durch den Raum. Jason klammert sich wieder fester an mich. ,,Jula. Und das ist Jason."
Meine Stimme klingt fester als erwartet. ,,Was wollt ihr hier?"
,,Einen Platz zum wohnen."
,,Was habt ihr zu bieten?" Ich schweige. Nichts haben wir, gar nichts außer ein paar wertlosen Sachen in meinem Rucksack.
,,Nichts zu bieten? Ziemlich hohe Anforderungen." ,,Bitte wir haben sonst nichts. Jason kann, sobald er alt genug ist, eine Ausbildung zum Jäger oder Krieger machen." Er lacht rau. Der Stuhl wird zurückgeschoben und er steht auf. ,,Nun, da ich heute gut gelaunt bin, werde ich euch ein Zimmer geben. Allerdings hast du einen Job zu erledigen." ,,Was denn?" Ich würde alles tun, damit es Jason gut geht. ,,Aber, aber. Doch nicht vor dem Kleinen." Er kommt näher und mustert mich. Irgendwie hab ich da kein gutes Gefühl. ,,Liam", ruft er und sofort öffnet sich die Tür. ,,Gib dem Kleinen ein schönes Zimmer, etwas zuessen und Kleidung." Er nickt und kommt zu uns. Jason fängt wieder an zu weinen.
,,Nein Jula, ich will bei dir bleiben." ,,Hey, alles gut. Ich muss nur noch schnell etwas regeln. Dann komme ich nach. Versprochen, ja? Aber bitte sei so lieb und geh mit Liam mit." Er schaut misstrauisch zu ihm aber nickt dann. Die Tür fällt wieder zu und wir sind alleine. Jetzt erst muster ich ihn. Der Mann, dessen Namen ich immer noch nicht weiß, hat braune Haare und dunkle Augen. Markante Wangenknochen zieren sein Gesicht, wäre er nicht so bedrohlich, würde ich fast sagen, er ist attraktiv. ,,Nun Jula, natürlich könnt ihr hier nicht kostenlos wohnen. Meine Gegenleistung ist auch nicht so schwer. Du kommst jeden Abend wenn es dunkel wird hier her. Den Rest bekommst du schon noch mit." Seine Lippen ziehen sich zu einem dreckigen Grinsen. Ich schlucke. Das ist heftiger als erwartet. ,,Ich kann dich alternativ auch zurückschicken, in die Wildnis mit deinem..."
,,Okay. Ich machs", unterbreche ich ihn schnell, bevor ich es mir anders überlege. Es ist das beste für Jason. Ich bin erstmal zweitrangig. ,,Wunderbar. Morgen fängst du an. Und jetzt geh zu deinem Bruder", sagt er und mustert mich ein letztes Mal. ,,Derek", ruft er laut. Ein ziemlich breitet Typ kommt rein. ,,Ja Boss?" ,,Bring sie zu ihrem Bruder." Damit dreht er sich um und verschwindet hinter einer Tür. ,,Komm", knurrt er und fasst mich am Arm.
,,Danke ich kann alleine laufen", zische ich und reiße meinen Arm aus seinem Griff.

,,Julaa", schreit mein Bruder sofort als ich das Zimmer betrete. Er springt auf und schmeißt sich in meine Arme. ,,Dürfen wir jetzt hier bleiben?" ,,Ja. Hier werden wir ab jetzt wohnen." Ein süßes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. ,,Ich hab Hunger."
Liam kommt rein und hält zwei Teller in der Hand. ,,Ich hol euch noch was zum Anziehen." Er lächelt uns einmal zu und verschwindet dann wieder. Jason stürzt sich sofort auf das Essen während ich das Zimmer betrachte. Es ist nicht groß, ein Bett ein Fenster und ein Schrank. Ein kleines Bad mit einem verstaubten Waschbecken und improvisierte Dusche. Die Toilette sieht ganz in Ordnung aus, die scheinen hier eine gute Wasserversorgung zu haben.
,,Na komm Jason, ab ins Bett, du musst schlafen." Er nickt und verschwindet im Bad. Das ist also unser neues Zuhause.

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