7

5.2K 178 6
                                    

"Fabian?"

Ich mache die ersten Schritte auf ihn zu, doch Alex hält mich zurück. Jeder Versuch mich zu wehren scheitert, sodass ich mitansehen muss, wie die Trage immer weiter weggeschoben wird, ohne dass ich auch nur einen genauen Blick darauf werfen kann.

"Lass mich zu ihm.", immer noch versuche ich mich aus seinem Griff zu befreien. Er lässt nicht locker.

"Du kannst da jetzt eh nicht helfen. Wenn du willst sehe ich nach ihm, aber du bleibst draußen."

Alex' Stimme klingt weich und einfühlsam und das macht mich wütend. Er kann sich nicht verhalten wie er will und seine Laune alle zwei Minuten ändern und außerdem bin ich die, die sauer sein müsste, schließlich habe ich ihn nicht ein ganzes Jahr angelogen. Ich bin so wütend auf ihn. Ich war nicht über ihn hinweg, aber es vergingen wieder Stunden, in denen ich nicht an ihn und was er getan hat denken musste und es gab wieder Tage, an denen ich keine Tränen vergossen habe. Und jetzt, wo doch alles perfekt werden sollte taucht er wieder auf und meint er kann mit mir umspringen wie er will.

Wie soll ich hier nur arbeiten? Wie soll ich jeden Tag hier her kommen und mir ansehen was ich hätte haben können. Und wahrscheinlich wird er irgendwann heiraten und Kinder bekommen und ich muss dabei zusehen. Warum konnte es nicht bei Tobias bleiben? Warum musste er das tun? Vielleicht wären wir jetzt glücklich. Glücklich als Paar, und nicht als Freunde. Ich frage mich, was schlimmer war: Tobias' Betrug oder Alex' Lüge. Alex, definitiv. Bei Alex ist es hoffnungslos. Ich kann ihm nicht verzeihen, so sehr ich auch will. Vielleicht sollte ich den Versuch wagen, das Krankenhaus zu wechseln.

Fest entschlossen, den Chefarzt darauf anzusprechen stürme ich an Alex vorbei, nicht ohne diesem noch einmal meine Wut vor Augen zu führen. Ich durchquere die halbe Chirurgie, habe aber keine Ahnung wo das Büro liegt. Auf dem Weg komme ich an vielen Zimmern vorbei, wo ich noch aushelfen muss. Dass Alex mir das eigentlich verboten hat ignoriere ich gekonnt. So erfahre ich auch, dass man Fabian schon auf ein Zimmer gelegt hat. Also entscheide ich mich dafür, ihn zu suchen, bevor ich mit dem Chefarzt rede.

Ich frage nach der Nummer des Zimmers und bin fast erleichtert, als ich Fabian sehe. Es sieht nicht schlimm aus. Er hat einen Verband um den Kopf gelegt und sein Arm ist geschient, aber er kann aufrecht sitzen und ist wach. Bis auf den Sauerstoffschlauch in seiner Nase und das EKG scheinen keine weiteren Maschinen angeschlossen zu sein.

"Was machst du nur für Sachen?", frage ich und ziehe einen Stuhl vor sein Bett. Um sicherzugehen, dass meine Einschätzung auch stimmt, gehe ich kurz die Krankenakte durch.

"Es ist nichts Schlimmes. Ich wollte nochmal in das Gebäude und irgendwas ist auf mich gefallen, aber es sah schlimmer aus, als es ist."

"Wieso wolltest du da nochmal rein?"

"Da war ein Kind. Eigentlich mehr ein Baby, es konnte noch gar nicht laufen.", erklärt er.

"Geht es ihm gut?"

"Ja, ich habe es in Sicherheit bringen können."

"Du bist so ein Held." Ich streiche ihm über die Haare. "Aber irgendwie hatte ich gehofft, dass du in deinem Bett liegst und schläfst und dann zur Arbeit fährst. Versteh mich nicht falsch, aber hier will ich dich nicht sehen."

Fabian lacht. Ich verschränke unsere Hände und lege die Akte beiseite. Es ist wie als Fabian sich den Arm gebrochen hatte. Er war damals auf einen Baum geklettert und herunter gefallen. Im Krankenhaus bin ich ihm nicht von der Seite gewichen.

"Und wann darfst du gehen?", frage ich.

"Du scheinst mich ja wirklich loswerden zu wollen.", sagt er lachend.

"Ach Quatsch."

"Ich soll eine Nacht zur Beobachtung bleiben, weil die nicht genau wissen ob ich vielleicht eine Gehirnerschütterung habe. Die wollen noch einen Neurologen vorbei schicken."

"Wer war denn schon hier?"

"Dein Ex.", antwortet er und grinst, doch sein Lachen verblasst, als er meinen Gesichtsausdruck sieht.

"Welcher von beiden?", frage ich vorsichtig. Schließlich hatte ich Fabian noch gar nicht davon erzählt, dass Alex hier arbeitet. Und wenn er es herausfindet wird er das ganz und gar nicht lustig finden. Er hält kurz inne und es dauert kurz, bis er versteht.

"Melissa, sag mir nicht, dass Alex hier ist." Auf meinen betretenen Blick fügt er hinzu: "Oh nein."

"Doch. Ich dachte, dass ich damit klar komme aber es klappt nicht. Er will reden und ist ständig da wo ich bin. Ich gehe gleich zum Chefarzt und beantrage einen Wechsel."

"Okay. Vielleicht ist es einfach besser so. Wenn er nicht aufhört dich zu belästigen sag mir Bescheid."

Bei seinen Worten muss ich lächeln, vor allem, weil Tobias das selbe gesagt hat. Fabian spielt den Beschützer, aber hier kann er mich ja schlecht beschützen. Alex ist mein Vorgesetzter und das bedeutet, dass er so ziemlich alles machen kann was er will ohne dass ich etwas dagegen tun kann. Und das hat er ja vorhin bewiesen.

"Mal etwas anderes.. Hättest du Lust nächste Woche etwas zu unternehmen?", fragt er.

"Ja, klar. Wir haben uns ja auch schon länger nicht mehr getroffen. Willst du mir dann schreiben?"

"Jap. Wie wäre es mit dem neuen Restaurant an der Mall? Ich wollte da unbedingt mal hin, habe nämlich echt nur Gutes gehört."

"Okay. Aber nur, wenn es dir dann auch wirklich wieder gut geht. Sonst verschieben wir das."

Fabian verdreht die Augen, willigt aber ein. Als ich sehe, dass Alex den Flur entlang zu den Krankenakten läuft, küsse ich Fabian noch einmal kurz auf die Wange und fliehe dann aus dem Raum. Fabian hatte ja gesagt, dass er sich noch einer neurologischen Untersuchung unterziehen muss und es ist nicht abwegig, dass Alex sie durchführen wird.

Beim Verlassen des Raumes versuche ich möglichst kein Aufsehen zu erregen, aber natürlich wird daraus nichts, denn sofort kommt eine Schwester auf mich zu.

"Dr. Parker! Die Werte für Mrs. Dena sind da. Alles im grünen Bereich."

"Ich weiß gar nicht wovon sie sprechen."

"Dr. Parker?"

Schnell mache ich kehrt und ignoriere Alex' Ruf. Er wird mir den Tag nicht noch schlimmer machen als er ohnehin schon ist. Es ist mir zwar sehr unangenehm, aber ich muss tatsächlich jemanden fragen, wo ich das Büro des Chefarztes finden kann und da jemanden zu finden ist bei diesem Trubel ganz schön schwierig.

Schließlich stehe ich aber vor der Tür und klopfe an.

DoctorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt