Willkommen zurück, Parker."
Heute arbeite ich für Dr. Ricks. Alex hat den ganzen Tag über im OP zu tun, also kann er sich keine Sorgen um mich machen und mich nicht als Assistentin wählen. Dafür hat er auch später noch genug Zeit, denn morgen ist Freitag und wir müssen noch einiges erledigen bevor wir zum Flughafen fahren. Vor allem aber sollten wir klären, wie wir es Alex' Eltern sagen wollen.
Ich gehe hinter Ricks her und komme schließlich in einem kleinen Konferenzraum aus. Fragend sehe ich den Oberarzt an. Ich ahne nichts Gutes. Ich kann ja verstehen, dass ich nicht im OP stehen soll und mich generell nicht so anstrengen soll, aber dass mich auf einmal alle in Watte packen ist schon nervig. Es muss doch möglich sein, dass ich trotzdem Behandlungen durchführen kann.
"Ich habe etwas Denkarbeit für Sie."
"Denkarbeit?", frage ich skeptisch und fühle mich in meinen Gedanken bestätigt. Bloß keine Patienten anfassen. Ricks nickt und deutet auf einen Stapel auf dem Tisch, der aus Zetteln und Magazinen besteht.
"Mag sich langweilig anhören, aber damit können wir Geschichte schreiben. Hier ist die Patientenakte. Heute Abend möchte ich erste Ergebnisse sehen."
*
"Und, wie war dein Tag?", fragt Alex, während ich mich anschnalle.
"Gut. Dr. Ricks führt bald eine Studie durch und rate wer assistieren darf!"
"Echt? Worum geht es denn?"
Alex startet den Motor und parkt aus. Es ist schon dunkel draußen. Das Gefühl im Dunkeln in einem Auto zu sitzen ist für mich immer noch der Horror. Tagsüber geht es wieder einigermaßen, aber in der Nacht habe ich immer das Gefühl nicht genug sehen zu können. Seit dem Unfall bin ich nicht mehr Auto gefahren, aber Alex setzt mich nicht unter Druck und gibt mir die Zeit, die ich brauche.
"Das ist noch streng geheim. Aber wenn es funktioniert wirst du schon bald davon hören."
"Ich bin gespannt."
Er scheint meine Anspannung zu bemerken und streicht mit seiner Hand über meinen Oberschenkel. Den gewünschten Effekt hat das jedoch nicht.
"Kannst du die Hand bitte ans Steuer legen?" Er murmelt eine kurze Entschuldigung und nimmt die Hand wieder weg. "Sorry. Mir ist es egal wenn du das tagsüber machst, aber bitte nicht im Dunkeln."
"Du musst dich nicht entschuldigen. Ich kann das verstehen."
"Wie war denn dein Tag?", frage ich, um etwas vom Thema abzulenken.
"Anstrengend. Ich stand den ganzen Tag im Operationssaal. Aber du kannst mich gerne gleich massieren, dann tut mein Rücken vielleicht weniger weh." Er grinst mich kurz an.
"Wovon träumst du eigentlich nachts?", entgegne ich lachend. Für einen Augenblick ist die Angst vergessen. "Wir haben noch viel zu tun. Und danach kannst du mich massieren."
"Na gut. Aber nur, weil du du bist."
Es ist immer noch merkwürdig Alex Wohnung 'Zuhause' zu nennen. Ich wohne zwar eigentlich schon länger dort, aber dass die Sache jetzt offiziell ist ändert einiges. Trotzdem ist es eines der schönsten Gefühle abends mit meinem Verlobten nach Hause zu kommen, ohne dass wir uns für die Nacht trennen müssen. Wir können uns über den Tag unterhalten, wir sitzen zusammen auf dem Sofa und wir schlafen im selben Bett. Nachdem wir uns beide umgezogen und etwas gegessen haben, machen wir uns ans Koffer packen. Dabei konzentrieren wir uns hauptsächlich auf Klamotten, denn den Rest sollten wir bei Alex' Eltern vorfinden. Das ganze ist jedoch eine Herausforderung. Die Temperaturen in Island sind wohl nicht besonders hoch. Auch hier ist es nicht gerade warm, aber es hat aufgehört zu schneien. Es läuft mal wieder darauf hinaus, dass ich meinen halben Kleiderschrank mitnehmen möchte. Alex ist leider auch keine gute Beratung, denn er ist selbst hoffnungslos überfordert.
"Wie wollen wir es ihnen eigentlich sagen?", frage ich, während ich nebenbei einen Pullover von Alex falte und in den Koffer lege.
"Vielleicht beim Abendessen? Meine Mutter kocht bestimmt ein drei Gänge Menü wenn sie weiß, dass wir kommen."
Ich nicke. Hoffentlich nehmen sie die Nachricht gut auf. Aber so wie ich Alex' Eltern kennengelernt habe, werden sie sich tierisch freuen. Trotzdem mache ich mir Sorgen. Alex und ich hatten einen heftigen Streit und Eltern stellen sich immer auf die Seite ihrer Kinder. Was also, wenn seine Eltern mich nicht als Schwiegertochter akzeptieren wollen? Das wäre mein größter Albtraum.
"Kommt Nathan auch?"
Zu meiner Erleichterung schüttelt Alex den Kopf. So kann ich mich immerhin nicht vor seinen Eltern blamieren. Wäre Nathan auch da, wäre eine Blamage schon fast zu hundert Prozent gesichert. Auch wenn ich ihn wirklich sehr ins Herz geschlossen habe, Alex' Bruder hat nur Unsinn im Kopf und dabei nimmt er keine Rücksicht auf Verluste. Immerhin wird mein Kind einen witzigen, liebevollen Onkel haben.
"Reicht das nicht für heute? Den Rest können wir morgen machen."
Ich nicke zustimmend. Es ist schon spät und ich bin ziemlich müde. "Dann gehe ich jetzt eben ins Bad."
"Warte." Alex steht auf und kommt auf mich zu. "Darf ich den Bauch noch einmal sehen?", fragt er zögernd.
Lachend ziehe ich meinen Pullover ein Stück nach oben. Alex steht einfach nur da und sieht auf meinen Bauch. Ich habe das Gefühl, dass er sich nicht traut ihn anzufassen, also ergreife ich seine warme Hand und platziere sie etwas unterhalb von meinem Bauchnabel. Sofort ist da wieder dieser Glanz in seinen Augen, der mich mit so viel Glück erfüllt.
"Kaum zu glauben, dass unser Kind da drin ist."
"Ich bin gespannt, wann es sich zum ersten Mal bewegt. Hast du nicht manchmal Angst, dass wir grauenhafte Eltern werden könnten?"
"Oh ja." Alex lacht. "Aber ich weiß, dass du eine großartige Mutter sein wirst, deshalb ist es nicht ganz so schlimm, wenn ich alles falsch mache."
"Du bist witzig. Du kannst immerhin deine Eltern fragen. Und du weißt, wie gute Eltern sein sollten.", entgegne ich.
Alex küsst mich kurz auf die Schläfe. "Dann scheinen wir uns doch perfekt zu ergänzen."
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Doctor
Teen FictionNach der Trennung von Alex kämpft Melissa sich durchs Leben. Sie hat ihr Studium beendet und sich bei verschiedenen Krankenhäusern beworben. Als sie eine Zusage von dem Krankenhaus, in dem auch Alex gearbeitet hat, bekommt, nimmt sie ohne zu Zögern...