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Während im Operationssaal alles vorbereitet wird, finde ich mich auf der Galerie ein. Es sind nicht viele Ärzte dort. Nur ein paar gelangweilte Assistenzärzte, die essen oder Zeitung lesen. Und dann bin da ich, in der ersten Reihe, und sehe tatsächlich genau hin, was unten vor sich geht.

Alex betritt den OP, wo Hannah ihn bereits erwartet. Dann beginnt die Operation und es erinnert mich daran, als ich zum ersten Mal in diesem Krankenhaus war und Alex bei der Notoperation zugesehen habe. Damals, als noch alles in Ordnung war. Immer noch ist er die Ruhe selbst. Jeden kleinsten Schritt erklärt er. Ich betrachte seine Hände, die im Gegensatz zu Hannahs Händen kein bisschen zittern. Sein konzentrierter Gesichtsausdruck, seine Körperhaltung. In Gedanken an das was wir hatten werde ich traurig. Wieso muss er nur so ein schlechter Mensch sein? Und wieso komme ich einfach nicht über ihn hinweg?

Auf einmal sieht er zu mir auf und ich könnte schwören, dass er lächelt, obwohl ich das aufgrund seiner Maske nicht sehen kann. Ertappt sehe ich weg und breche den Blickkontakt ab. Was tue ich hier eigentlich? Den alten Zeiten hinterher trauern? Da gibt es doch viel sinnvollere Dinge, die ich jetzt tun könnte. Schnell stehe ich auf und verlasse die Galerie. Jetzt muss ich mir wohl nur noch eine Ausrede für Hannah ausdenken.

Gegen Nachmittag, als es beginnt zu dämmern, fahre ich nach Hause. Mir bleibt kaum noch Zeit bis zu meiner Verabredung mit Kate, also trinke ich nur schnell einen Kaffee und esse ein Brot, bevor ich wieder ins Auto springe. Es dauert Ewigkeiten bis ich einen Parkplatz gefunden habe, aber Kate verzeiht mir die Verspätung, wahrscheinlich hauptsächlich, weil sie selbst das gleiche Problem hatte. Nun schiebt sie den Kinderwagen vor sich her und wir schlendern über den Weihnachtsmarkt.

Leider waren wir nicht die einzigen mit dieser Idee und es ist ziemlich voll. Naja, was erwartet man auch, wenn man in Düsseldorf zum Weihnachtsmarkt geht? Aber es ist nicht weit weg und trotzdem ganz schön. Es wird langsam dunkel und die schön geschmückten Straßen und Stände kommen zur Geltung. Überall läuft Weihnachtsmusik und es fängt wieder leicht an zu schneien. Das Weihnachtsfieber packt mich, ich entspanne mich etwas und genieße die Zeit mit meiner besten Freundin.

„Willst du Kakao trinken?", fragt Kate und zeigt auf eine kleine Hütte, wo Glühwein und heiße Schokolade ausgeschenkt werden. Da wir jedoch beide noch Auto fahren müssen, können wir nicht einfach wie früher Glühwein trinken. Aber der Kakao ist mindestens genauso gut und spendet meinen kalten Händen etwas Wärme.

„Nathan ist übrigens wieder da. Er fängt vielleicht im Krankenhaus an.", erzähle ich.

„Wirklich? Versteht ihr euch gut?"

Kate rückt Linas Mütze zurecht und stellt sich dann wieder aufrecht hin. Ich stelle meine Tasse auf den Stehtisch.

„Ja. Es ist ein bisschen merkwürdig, weil er ja Alex' Bruder ist, aber wir kommen ziemlich gut klar."

„Immer noch kein Gespräch mit Alex?"

Ich schüttle mit dem Kopf und strafe Kate mit einem genervten Blick. Sie kann es einfach nicht lassen. Entschuldigend hebt sie die Hände.

„Ich meine ja nur.", murmelt sie und trinkt einen Schluck. „Was hast du denn diese Woche noch vor?"

„Nicht viel, ich muss arbeiten. Wann fahrt ihr zu deinen Eltern?"

„Wahrscheinlich irgendwann nächste Woche. Ich dachte mir, dass es schön wäre etwas mehr Zeit dort zu verbringen, weil meine Eltern Lina ja so selten sehen."

Ich stimme Kate zu. Auch als meine Eltern noch lebten waren meine Großeltern wichtige Bezugspersonen für mich. Wir waren oft dort. Es war zwar immer etwas besonderes, aber ich hätte auch nicht darauf verzichten wollen. Später war das kaum anders. Auch wenn ich meine Großeltern rund um die Uhr um mich herum hatte, sie konnten meine Eltern natürlich nicht ersetzen. Und so blieben sie trotzdem etwas besonders und auch meine Bindung zu ihnen blieb besonders. Und bestimmt ist es auch für Kates Eltern schön ihre Enkeltochter zu sehen.

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