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Zur Sicherheit nehme ich direkt zwei Schwangerschaftstests mit. Ich eile zur Kasse und bin froh, dass die Kassiererin mich nur gelangweilt ansieht und nach dem Geld fragt und keine Fragen stellt. Auf dem Weg nach Hause gehen mir tausend Gedanken durch den Kopf.

Wenn ich wirklich schwanger bin, muss ich es Alex sagen. Und dann müssen wir reden. Alles andere wäre unvernünftig. Wieso unbedingt jetzt? Ich wollte immer, dass meine Kinder bei ihren Eltern aufwachsen. Ich wollte ihnen das geben, was meine Eltern mir nicht geben konnten. Und jetzt bin ich vielleicht von meinem Ex Freund schwanger. Und wie soll das mit der Arbeit gehen? Ich kann doch nicht jetzt schon aussetzen und außerdem weiß ich auch nicht, wie ich danach wieder anfangen soll. Werde ich womöglich alleinerziehende Mutter?

Vor meiner Wohnungstür muss ich erstmal ein paar Mal tief durchatmen. Meine Hände zittern so sehr, dass ich die Tür fast nicht aufgeschlossen bekomme. Sollte ich Kate anrufen? Nein, die kann schließlich auch nichts machen und außerdem müsste ich ihr dann ja die Wahrheit über ihre Hochzeit sagen.

Vielleicht bin ich ja auch gar nicht schwanger. Vielleicht habe ich meine Tage nicht bekommen, weil meine Hormone so verrückt spielen oder weil ich gestresst bin. Und vielleicht ist mir wirklich so oft schlecht, weil der Gedanke an die Arbeit mich psychisch mitnimmt. Vielleicht ist das alles ein ganz großer Zufall.

Trotz aller Hoffnungen weiß ich auch schon bevor ich die zwei positiven Tests in der Hand halte, dass das alles kein großer Zufall ist. Wir haben schließlich nicht verhütet. Nein, wir haben nichtmals darüber nachgedacht.

„Scheiße.", fluche ich vor mich hin. „Scheiße, scheiße, scheiße!"

Ich muss es Alex sagen. Aber dann zieht das Krankenhaus mich sofort aus dem Verkehr. Nein, darum geht es nicht. Es geht hier nicht um mich, es geht um ein Baby, welches in mir heranwächst. Und wenn ich dafür zurücktreten musst, werde ich das tun.
Trotzdem sollte ich mir erst Gewissheit beim Frauenarzt holen, bevor ich es Alex sage. Außerdem weiß ich ja gar nicht wann er aus Island zurück ist. Er hat nur gesagt, dass er ein paar Tage weg ist, nicht für wie viele Tage. Trotzdem; Je schneller desto besser.

Und das Schicksal scheint es gut mit mir zu meinen, denn ich bekomme direkt für den nächsten Nachmittag einen Termin beim Arzt. In der Nacht davor bekomme ich kaum ein Auge zu. Im einen Moment war alles in Ordnung; ich hatte einen Plan und wusste genau wie meine Zukunft aussieht und wer kein Teil dieser sein soll. Und von jetzt auf gleich hat sich alles geändert und die Ungewissheit ist unglaublich groß.

Ich bin froh, dass ich im Krankenhaus am nächsten Tag nur wenig machen muss. Meine Konzentration würde auch nicht für mehr reichen.
Einmal läuft Alex mir über den Weg und fragt, ob mit den Geschenken alles geklappt hätte.

„Sie haben sie mit zu Kates Eltern genommen. Aber sie haben sich sehr darüber gefreut, dass du an sie gedacht hast.", erkläre ich.

„Super, vielen Dank. Ich muss dann auch los."

„Alex."

Meine Stimme ist zittrig. Er sieht mich an, als hätte ich gerade ein Wunder vollbracht. Nein, ich sollte den Termin beim Arzt abwarten. Keine voreiligen Gespräche.

„Nathan ist auch wieder da, oder?", frage ich schnell und hoffe, dass er nicht merkt, dass mir eigentlich etwas anderes auf dem Herzen lag. Ich kann den Blick nicht von seinem Gesicht wenden. Wird es aussehen wie er? Seine Augen haben? Oder seine Nase?

„Ja, der ist auch wieder da."

„Danke."

Schnell wende ich mich ab und suche Nathan.

*

Es ist merkwürdig im Wartezimmer meiner Frauenärztin zu sitzen. Normalerweise saß ich hier immer wenn ich zur Vorsorgeuntersuchung musste. Jetzt bin ich wahrscheinlich schwanger. Als ich aufgerufen werde wird mir immer mulmiger zumute. Ich muss mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass ich es nicht ändern kann. Es ist, wie es ist.

„Ich werde versuchen einen Ultraschall zu machen, ich kann Ihnen aber nicht versprechen, dass man schon etwas sieht.", erklärt die Ärztin, nachdem ich Platz genommen habe. Ich nicke und lasse sie arbeiten.

„Weiß der Vater von ihrem Verdacht?"

„Nein, ich wollte erst sicher gehen, dass ich richtig liege."

„Okay." Sie bewegt das Ultraschallgerät etwas. Dann dreht sie den Monitor so, dass auch ich einen Blick darauf werfen kann. „Sehen Sie den kleinen Punkt da? Es ist schwer zu erkennen, sie müssen genau hinsehen."

„Ja.", antworte ich. „Was ist das?"

„Das ist Ihr Baby."

In diesem Moment muss ich die Tränen zurückhalten, und ich weiß nicht, ob vor Glück oder doch vor Entsetzen. Es ist so klein, und trotzdem ist es da. Es ist merkwürdig und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass meine Mutter hier wäre. Wie soll ich das bloß alleine schaffen?
Die Ärztin macht mir einen Abzug von dem Foto. Ich beschließe, diesen für Alex mitzunehmen. Direkt nachdem ich einen neuen Termin für die nächste Kontrolluntersuchung ausgemacht habe, fahre ich zu Alex' Wohnung. Es ist jetzt offiziell, ich muss es ihm sagen und wir müssen darüber reden.

Sein Auto steht nicht vor der Tür, trotzdem versuche ich mein Glück und klingele. Wie erwartet macht niemand auf. Er scheint noch im Krankenhaus zu sein. Eigentlich wollte ich diese Unterhaltung nicht im Krankenhaus führen, aber ich muss es ihm jetzt sagen. Ich muss diese Last los werden, bevor alles noch viel schlimmer wird, und er hat schließlich ein Recht darauf es zu erfahren. Alles andere wäre unvernünftig. Es beginnt bereits zu dämmern, als ich mich wieder ins Auto setze und mich auf den Weg zum Krankenhaus mache.

Die ganze Zeit mache ich mir Gedanken. Wie soll ich es ihm sagen? Wie wird er reagieren? Wie geht es danach weiter?

Und dann kommt plötzlich ein Auto von links angeschossen.

DoctorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt