Fabian hält mir die Tür zum Restaurant auf. Dankbar lächle ich ihn an und trete ein. Es ist sehr edel eingerichtet. Wir werden zu unserem Tisch geführt und setzen uns.
"Kann ich Ihnen einen Wein bringen?", fragt der Kellner.
"Haben Sie vielleicht etwas alkoholfreies? Ein Wasser vielleicht?", frage ich zurück.
Dem Kellner entgleisen die Gesichtszüge und es fällt mir schwer nicht zu lachen. Wir sind hier definitiv im falschen Restaurant für unsere Gesellschaftsklasse, aber Fabian der Restauranttester scheint sich zu amüsieren.
"Ein Wasser. Und Sie?", wendet der Kellner sich an Fabian, als er sich wieder gefasst hat.
"Ich nehme einen Rosé bitte."
Der Kellner nickt, gibt uns die Speisekarten und geht wieder. Ich sehe zu Fabian, der nun auch breit grinst.
"Du könntet RTLs neuer Restauranttester werden, weißt du?"
"Da wende ich mich am besten an dich. Hast ja schließlich Erfahrung mit RTL."
"Ich stehe nicht mehr bei denen unter Vertrag, tut mir leid." Ich zucke mit den Schultern. "Und außerdem werde ich mich da nie mehr melden. Es ist ein Wunder, dass die mich nicht angezeigt haben."
"Ach ja, das Kleid. Hast du das noch?"
"Hängt in meinem Kleiderschrank."
Ich öffne die Speisekarte und überfliege die Gerichte. Bei vielen Dingen weiß ich nichtmals was der Name bedeuten soll. Ich lasse mich von Fabian beraten und habe schließlich einen Salat und irgendwas mit Spaghetti auf dem Teller.
"Bringt die Nachtschicht nicht deinen kompletten Rhythmus durcheinander?", fragt Fabian und trinkt einen Schluck. "Bei mir war das anfangs ganz schlimm."
"Nicht wenn ich an meine Nachtschicht noch eine normale Schicht hänge."
"Aber das ist doch krank." Er setzt das Weinglas ab und greift wieder zur Gabel. "Du musst danach furchtbar erschöpft sein und kannst trotzdem nur viel zu wenig schlafen."
"Das sagt ja gerade der Richtige. Wie war das nochmal bei dir? Erst Feuerwehrmann dann Anwalt?"
"Ich weiß", gibt er zu. "Aber.. Du bist mir wichtig und ich will, dass es dir gut geht. Ich meine, es ist erst deine zweite Woche und ich will einfach nicht, dass deine Arbeit dich krank macht, verstehst du? Auf Dauer kann das doch nicht gehen."
"Das ist lieb von dir, aber mir geht es gut. Die Anderen müssen da auch durch und irgendwann regelt sich das alles ja auch wieder. Es ist das was ich immer machen wollte und jetzt lebe ich quasi meinen Traum."
"Aber wenn es dir zu viel wird, auch mit Alex, und du jemanden zum Reden brauchst.."
"Dann kann ich mich immer an dich wenden, ich weiß.", beende ich seinen Satz. "Ich sollte mir mehr Sorgen um dich machen. Du balancierst zwischen zwei Jobs, die dich beide unglaublich fordern und du hast dich dabei auch noch verletzt."
Ich deute auf seinen Arm, der immer noch geschient ist. Der Verband an seinem Kopf ist verschwunden und man kann den Schnitt auf seiner Stirn sehen. Er wird nie ganz weggehen. Die Wunde ist zwar nicht tief, aber eine Narbe wird definitiv bleiben. Eine Narbe, die ihn immer wieder daran erinnern wird wie er dieses Kind aus dem brennenden Haus gerettet hat.
"Du weißt warum ich das gemacht habe.", sagt er und spießt ein Stück Fleisch mit seiner Gabel auf.
"Ja, das weiß ich und ich bin verdammt stolz auf dich, aber trotzdem mache ich mir Sorgen. Nachts stehst du in Gebäuden, die in Flammen stehen, und rettest Kinder und tagsüber bist du im Gerichtssaal. Und wir wissen beide, dass du sofort aufspringen würdest wenn jetzt dein Pieper losgehen würde, obwohl du verletzt bist. Und ich würde nichts dagegen sagen, weil ich weiß wie wichtig es dir ist. Aber im Gegenzug darfst du auch nichts sagen, weil du weißt wie wichtig mir mein Beruf ist."
"Okay. Du hast Recht. Aber ich werde es mir trotzdem denken, das kannst du nicht verhindern."
"Ich werde es auch trotzdem denken.", gebe ich lachend zu.
Auch Fabian lacht und wir widmen uns wieder unserem Essen. Das Essen ist sehr gut und die Bedienung ist auch sehr freundlich, aber für diesen Preis werde ich wohl nicht noch einmal Essen gehen.
"Bist du satt?", fragt Fabian. Er scheint bemerkt zu haben, dass ich seit einer Weile nur noch in meinem Essen herumstochere.
"Ja, ziemlich satt. Das war aber auch eine riesige Portion."
"Naja, so riesig nun auch wieder nicht. Soll ich zahlen?"
"Du kannst gerne den Kellner rufen um zu zahlen, aber ich bezahle für mich selber."
Fabian winkt den Kellner zu uns und holt sein Portemonnaie aus der Tasche. Ich öffne meine Tasche und suche nach dem Portemonnaie. Als ich es gefunden habe, hält Fabian dem Kellner schon Geld hin. Viel zu viel Geld.
"Nein, Fabian. Ich zahle für mich."
"Ich lade dich ein."
"Fabian.", wende ich ein. Ich will nicht, dass mein bester Freund sich dazu verpflichtet fühlt mein Abendessen zu bezahlen. Fabian bleibt stur.
"Stimmt so."
Seufzend gebe ich nach. Ich werde ihm das Geld einfach später zustecken. Als wir das Restaurant verlassen, hält er mir wieder die Tür auf. Es ist bereits dunkel draußen und ich bin froh, dass ich nicht alleine zurück zum Krankenhaus laufen muss. Auf dem Weg unterhalten wir uns noch etwas. Mein Versuch, Fabian das Geld zuzustecken scheitert. Trotzdem werde ich das später noch machen. Vor dem Krankenhaus bleiben wir stehen.
"Es war sehr schön. Das Geld bekommst du trotzdem noch zurück.", sage ich und lächle Fabian an.
"Ach Melissa."
Er tritt einen Schritt näher und legt die Arme um mich. Ich vergrabe mein Gesicht in seiner weichen Jacke. Er riecht gut; so vertraut. Vorsichtig löse ich mich aus der Umarmung. Ich will eigentlich nicht gehen, will die Wärme nicht gehen lassen.
"Ich gehe dann mal rein.", sage ich und sehe zu Fabian auf.
"Okay."
Wir lächeln uns an. Meine rechte Hand liegt immer noch auf seinem Arm. Es fühlt sich gut an ihn endlich wieder zu sehen und nicht immer Ewigkeiten warten zu müssen bis wir uns sehen können, weil die Entfernung zwischen uns so groß ist. Plötzlich und ohne Vorwarnung beugt Fabian sich etwas vor, hält dann aber inne. Ich halte den Atem an und bewege mich kein Stück. Dann zieht er mich näher an sich ran, legt seine Hand an meine Wange und presst seine Lippen sanft auf meine, und das alles so schnell, dass ich es nicht verhindern kann.
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Doctor
Teen FictionNach der Trennung von Alex kämpft Melissa sich durchs Leben. Sie hat ihr Studium beendet und sich bei verschiedenen Krankenhäusern beworben. Als sie eine Zusage von dem Krankenhaus, in dem auch Alex gearbeitet hat, bekommt, nimmt sie ohne zu Zögern...