Wir sind früh, denn bisher sind nur Kate, Dean, Lilly und James da. Wir setzen uns zu ihnen an den großen Tisch. Mir fällt fast ein Stein vom Herzen, als alle die Anwesenheit von Alex unkommentiert lassen und so tun, als wäre er nie weg gewesen. Es wäre gelogen zu behaupten, dass ich deshalb nicht nervös gewesen wäre. Je nachdem wie sie unsere Beziehung mittlerweile sehen hätte das auch böse ausgehen können.
"Was wollt ihr trinken?", fragt Dean in unsere Richtung.
"Ich nehme eine Cola.", antworte ich.
"Kein Alkohol? Es ist Silvester. Was ist mit Melissa los?" Kate tut so, als seie sie furchtbar entsetzt über meine Getränkewahl.
"Sie nimmt noch Medikamente, Kate.", erklärt Alex. "Ich nehme auch eine Cola."
"Du kannst ruhig etwas trinken, Alex."
"Und wie kommen wir dann nach Hause?"
"Wir können laufen. Es ist nicht weit." Alex' Blick kommt dem eines 'Nein's nahe.
"Nehmt euch doch einfach ein Taxi. Ihr solltet dann nur rechtzeitig anrufen, weil heute sicher viel los ist.", schlägt Lilly vor.
"Stimmt, wieso sind wir da nicht vorher drauf gekommen?"
"Also gut. Dann nehme ich ein Bier."
Zufrieden gebe ich Alex einen Kuss auf die Wange. Während Dean die Getränke holen geht, kommen Laura und Michael und setzen sich zu uns. Kate freut sich riesig. Ich wusste ja von Anfang an, dass die beiden sich gut verstehen würden. Es ist ein angenehmes Gefühl wieder im Pub zu sein, die irische Musik zu hören und mich mit meinen Freunden zu unterhalten. Aber noch schöner ist das Gefühl, dass Alex dabei an meiner Seite ist und meine Hand hält.
Dann erscheinen die Freunde von Alex. Als Julia mich sieht sucht sie sofort einen Platz in der Nähe von mir. Auch Lucas, Monica und Jim setzen sich zu uns. Neben Jim nimmt ein Mann Platz, den ich nicht kenne. Wenig später stellt Jim ihn uns als seinen Freund vor.
"Nimmst du immer noch die Medikamente?", fragt Julia mit Blick auf meine Cola. Ich nicke. "Ich war dabei, als du in den Schockraum kamst. Ich hatte echt Angst."
"Aber jetzt geht es mir ja wieder gut.", entgegne ich. Ich hoffe sehr, dass Alex ihr gesagt hat, dass keiner von der Schwangerschaft wissen soll. Wobei wir uns auch darüber Gedanken machen sollten, denn die ersten drei Monate sind bald vorbei. Alleine bei dem Gedanken daran es endlich zu verkünden macht sich Nervosität in mir breit.
Valentina kommt, wie sollte es auch anders sein, zu spät. Als Tobias sich zu uns gesellt, merke ich, wie Alex sich verkrampft. Sanft drücke ich seine Hand. Zum Glück kriegt er sich etwas später wieder ein und die Atmosphäre wird wieder entspannter.
Die Zeit vergeht wie im Flug. Irgendwann steige ich von Cola auf Wasser um und Alex von Bier auf Cola, denn betrinken wolle er sich nun auch nicht. James ist mal wieder ziemlich betrunken, aber auch Dean kann heute gut mithalten. Um kurz vor Mitternacht dann holt Kate zusammen mit Julia den Sekt. Ich bekomme ein Glas Orangensaft. Der Fernseher an der Wand zeigt den Countdown und alle um uns herum sprechen aufgeregt mit.
Bei drei zieht Alex mich in seine Arme und bei zwei drückt er seine Lippen sanft auf meine. Während alle anderen in Jubel über den Jahreswechsel ausbrechen, sind wir voll und ganz in unseren Kuss vertieft. Es ist mein erster richtiger Neujahrskuss. Das alte Jahr endet mit dem Schönsten und das neue beginnt mit ihm. Alex.
Ich hoffe auf ein Jahr ohne Komplikationen. Ein Jahr, in dem wir uns voll und ganz auf uns konzentrieren können. Ein ganzes Jahr Ärztin sein. Ein Jahr, in dem wir Eltern werden und, wer weiß, vielleicht werden wir noch in diesem Jahr heiraten. Bitte lass es ein gutes Jahr werden.
"Frohes neues Jahr, Melli.", sagt Alex leise, nachdem er seine Lippen von meinen gelöst hat.
"Frohes neues Jahr.", erwidere ich. Beim Blick in seine Augen könnte ich mich jedes Mal verlieren.
"Hey, darf ich jetzt auch mal?", ruft Kate und verschränkt die Arme.
Nachdem jeder mit jedem einmal angestoßen hat, begeben wir uns nach draußen. Alex und ich sind die Letzten, weil ich auf den Krücken nur langsam voran komme und mir kaum jemand Platz machen möchte. Überall am Himmel leuchtet das Feuerwerk. Alex legt einen Arm um meine Hüfte und zusammen sehen wir uns das Spektakel an. Es erinnert mich etwas an den Moment, als ich mit Alex bei seiner Familie in Island war und wir uns die Polarlichter angesehen haben.
Doch wie zu Beginn jedes Jahres muss ich auch an meine Eltern denken. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wie wir Silvester gefeiert haben, aber ich weiß, dass ich mich immer sehr auf den Jahreswechsel gefreut habe. Ich bin ziemlich froh, dass wir einfach nur still an der Straße stehen und in den Himmel sehen. Es ist nicht so, als wolle ich mir den Abend mit diesen traurigen Gedanken verderben, aber sie gehören einfach dazu. Vor allem jetzt, wo ich weiß, dass ich selbst Mutter werde, muss ich besonders oft an meine Eltern denken.
Da im Pub die Party erst nach Mitternacht richtig loszugehen scheint und wir scheinbar alle weniger Lust auf wildes Tanzen und sich betrinken haben, bietet Julia kurzerhand an, dass wir unsere Runde auch zu ihr nach Hause verlegen können. Die Wohnung ist zwar für so viele Leute nicht gerade geeignet, aber es reicht. Wir bestellen Pizza und unterhalten uns etwas. Später gehen wir dazu über, ein paar Runden Picolo zu spielen.
"Victoria, entweder du gibst Tobias einen Kuss oder du musst zwei Schlücke trinken.", liest Laura vor.
Unsicher sieht Victoria zu Tobias. Dieser sieht sie nur gleichgültig an. "Naja, das steht nicht wirklich auf meiner Liste von Dingen, die ich einmal im Leben gemacht haben möchte, aber okay, was soll's?"
Dann küsst sie ihn schnell und lehnt sich wieder zurück."Alex, sag wie alt Lilly ist. Liegst du falsch musst du zwei Schlücke trinken."
"Oh, kommt schon, das ist gemein. Ich habe keine Ahnung. Fünfundzwanzig?"
"Sechsundzwanzig.", antwortet Lilly grinsend und füllt das Glas von Alex auf.
"Kate, sag eine Schwäche von fünf deiner Mitspieler und trinke bei jedem Mal einen Schluck."
"Das ist leicht. Dean, du kannst deiner Tochter keine zusammen passenden Klamotten anziehen. James, du trinkst zu viel wenn wir ausgehen. Victoria kommt immer zu spät und schiebt es auf die Arbeit. Alex, du kannst dich nicht durchsetzen wenn es darum geht Melissa zum Zuhören zu bewegen. Und damit wären wir bei dir, Melissa. Du hörst nie zu und setzt immer deinen eigenen Kopf durch. So das war's."
Wahrscheinlich sollten wir jetzt beleidigt sein und uns angegriffen fühlen, aber irgendwie sind wir eher belustigt. Kate trinkt fünf Schlücke und liest die nächste Aufgabe vor.
"Alex, trinke vier Schlücke, wenn du denkst, dass du dein ganzes Leben mit deiner Partnerin verbringen wirst."
Gespannt sehen wir ihn an. Dann hebt er sein Glas an seine Lippen, trinkt vier Schlücke und lächelt mich an. Und ich kann nicht anders, als einfach nur zurück zu lächeln.
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Doctor
Teen FictionNach der Trennung von Alex kämpft Melissa sich durchs Leben. Sie hat ihr Studium beendet und sich bei verschiedenen Krankenhäusern beworben. Als sie eine Zusage von dem Krankenhaus, in dem auch Alex gearbeitet hat, bekommt, nimmt sie ohne zu Zögern...