Young Me

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Ich habe kaum Erinnerung an meine Familie oder an sonst etwas, was die letzten Jahre passiert ist.

Doch ich kann mich an die Besuche bei der Polizei und im Gericht erinnern.

Ich war noch ein Kind, doch sie führten mich zu Dritt durch den kalten weißen Gang ins Büro. Auf dem Weg begegneten mir große, muskulöse, böse schauende Männer. Sie begutachteten mich, manche grinsten, andere sahen geschockt.

Und ein Satz hat sich in meine Seele geschweißt "Sie ist doch noch ein Kind!".

Die Stimme werde ich niemals vergessen, sie kam von einer Frau. Die einzige Frau die ich an dem Tag dort gesehen habe.

Sie hatte lange blonde Haare und strahlend blaue Augen, sie sah nicht böse aus, sie sah nicht aus als ob sie jemanden etwas antun könnte.

Doch sie hat gemordet, bekam 15 Jahre Haft und eine lange Bewährung dazu.

Manchmal ist man mehr als man aussieht.

Und dann wurde ich in den Raum geführt, in den ich für Stunden sitzen musste.

Er bestand nur aus einem Tisch mit zwei Stühlen und einem großen Spiegel, von dem ich wusste das dahinter Menschen standen und mich ansahen.

Ich setze mich auf einen Stuhl und ein Mann setzte sich mir gegenüber, die anderen ließen uns alleine.

Es war mir mehr als unangenehm, ich wollte da nicht sein, ich wollte zu meinen Eltern. Aber diese waren nicht mehr da.

Das Gefühl, wieder eine Familie verloren zu haben, die ich erst als Mama und Papa genannt habe, wieder zu verlieren.

Ich weiß nicht mehr genau wie alt ich war, irgendwo zwischen 6 und 7 Jahre, aber ich wusste das mich dieses Gespräch noch viele Albträume kostete.

Der Tisch war für mich viel zu hoch und meine Füße berührten kaum den Boden, nur mit den Fußspitzen konnte ich den berühren.

"Jessica Flins, richtig?" fragte er mich. Ich sah ihn ängstlich an, er war in einem grauen Anzug und hatte graues Haar, seine Mine war hart und nur seine Augen ließen ihn von einem Monster unterscheiden, man erkannte, dass es ihm nicht gefiel ein Kind zu verhören.

"Ja, das ist mein Name." piepste ich mit meiner hohen Stimme, ich merkte selbst wie sie zitterte und genauso es auch mein Körper tat.

Der Mann raufte sich die Haare und stand dann ruckartig auf, was mich zurückschrecken ließ.

"Ich kann das nicht, sie ist doch nur ein Kind!" murmelte er.

Es war einige Zeit still bis er sich wieder setzte und mich ansah, das glänzen in seinen Augen war weg, ich fühlte mich schon fast so als ob ich schuldig war.

Doch ich war es nicht, ich hatte Mama und Papa nur Blumen bringen wollen und wurde vom Gärtner aufgehalten und habe mit ihm geredet.

Ich erzählte ihn den ganzen Tag ausführlich, ich fühlte mich so erwachsen, dabei bin ich doch so jung.

"Deine leiblichen Eltern sind tot oder?" fragte er, als Sicherheit natürlich. "Sie sind jetzt an einem besseren Ort, dass meint Grace immer." antwortete ich brav.

Grace ist meine Pflegemutter, erst gestern habe ich sie das erste Mal Mama genannt, dabei war es mehr ausversehen, und trotzdem weinte sie vor Freude.

"Sie meinen Grace Klears? Ihre Pflegemutter?" fragte er. Ich nickte. "Ich habe sie gestern Mama genannt, sie hat sich sehr gefreut!" erzählte ich ihm stolz.

Die harte Fassade des Beamten fiel und seine Augen wurden wässrig, ich fühlte mich wieder so schuldig.

"Das ist echt schön." sagte er geknickt.

Ich wusste von dem Vorfall, ich habe sie selbst gesehen. Ihre blutverschmierten Körper lagen im Flur. Als ich eintraf war die Polizei schon dort, es soll wohl einen lauten Kampf gegeben haben. Die Nachbarn haben die Polizei gerufen.

"Was passiert nun mit mir?" fragte ich ihn ängstlich.

"Du wirst hier noch ein paar Tage bleiben bis alles geklärt ist, dann wird sich das Jugendamt um eine neue Familie für dich kümmern."

Es waren nicht nur ein paar Tage, es waren 2 Wochen! Die sich anfühlten wie Ewigkeiten. Ich wurde wie ein Verbrecher behandelt und weinte nachts so lange bis der Wächter mich tröstete und ich in seinen Armen einschlief, doch morgens war er wieder hart und kalt zu mir.

Oft dachte ich an das geschehene, ich bekam eine Kindertherapeutin, die mir helfen sollte, doch sie holte den Schmerz nur noch mehr hoch. Bis zu dem Zeitpunkt, wo ich diese Familie anfing zu hassen, wo es mir nicht mehr weh tat und es mir komplett egal war, wenn ich die Bilder sah.

Ich weiß nicht warum sie aus mir das gemacht hat, aber bis heute empfinde ich kaum etwas für die Toten.

Alles was ich wusste war, dass ich einfach nie wieder jemanden mein Herz schenken möchte.

Niemals wird mir jemand wieder weh tun. Nie wieder werde ich jemanden als meine Eltern oder als Mama und Papa bezeichnen.

Erst nach den Wochen wurde mir die Familie von Niklas vorgestellt. Ich hatte keine Lust auf Familie zu tun, deswegen war ich immer ein Problemkind. Ich verschwand oft, ich kam nicht zum Essen oder schloss mich für Tage in mein Zimmer.

Selbst Niklas hat damals nicht helfen können, er verstand mich nicht.

Eigentlich hat niemand jemals mich verstanden, bis heute. Sie akzeptieren mich und meine Vergangenheit aber kann man dazu Verstehen sagen?

Wir reden nicht über solche Dinge, sie kennen meine Eigenarten und auch sonst alles. Aber ich fühlte mich niemals Verstanden.

Wahrscheinlich würde mich auch niemand verstehen, keiner hat das durchlebt, was ich erleben musste.

Ich bin für immer alleine.

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