Kapitel 28

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"Du warst betrunken, ich war betrunken. Wir haben rumgemacht."

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Wenn ich etwas in der Hand gehalten hätte, wäre es mir laut krachend auf den Boden gefallen.

"Schau mich nicht so an", meinte sie und wich meinem Blick aus. "Wenn ich es rückgängig machen könnte, würde ich, glaub mir."

"Fuck...", sagte ich mehr zu mir selbst und raufte mir die Haare.

"Du hättest übrigens mal erwähnen können, dass du eine Freundin hast. Ich bin nämlich keine, die sich an vergebene Jungs ranmacht. Normalerweise", sagte sie schon ein wenig angepisster.

"Was... Freundin?", fragte ich irritiert. Mal davon abgesehen, dass es ein Freund war - woher wusste sie davon?

"Ich glaube nicht, dass du deine Mutter mit Babe eingespeichert hast", erwiderte sie und warf mir mein Handy zu. "Hat die ganze Zeit geklingelt."

Schon als ich das Handy anmachte, sah ich die ganzen verpassten Anrufe und unzählige Nachrichten von Julian. Ich hatte dermaßen Mist gebaut.

"Ich erklär dir alles später, versprochen, aber ich muss jetzt dringend los", rief ich, während ich schon loslief. Ich musste so schnell wie möglich nach München.

Ich rannte aus dem Haus, den ganzen Weg bis zum Bahnhof ohne einmal anzuhalten. Ich lief zum Schalter, um mich zu erkundigen, wann der nächste Zug fahren würde.

„In circa drei Minuten, Tickets bitte am Automaten kaufen", sagte die Frau hinter der Glasscheibe. Ich bedankte mich flüchtig, obwohl ich eh noch ein wenig Zeit hatte. Jedoch hatte ich nicht die Absicht ein Ticket zu kaufen. Ich hatte ja nicht mal Geld dabei.

Ich verließ das kleine Häuschen und stellte mich an das Bahngleis. Auf und ab wippend wartete ich auf den Zug, doch von Sekunde zu Sekunde wurde mir klarer, was mir bevorstand. Je schneller ich in München war, desto früher war ich bei Julian. Und je früher ich bei ihm war, desto eher erfuhr er, was ich angestellt hatte. Ich wollte nicht, dass er es erfuhr. Ich wollte nicht, dass er mich anders sah. Ich mochte ihn, ja, ich liebte ihn! Er würde mir das nie wieder glauben.

Der Zug fuhr ein, ich ließ Leute aussteigen, bevor ich selbst einstieg. Ohne Ticket. Die Türen schlossen hinter mir und innerlich schlug ich mich selbst. Ich würde es gern wirklich machen, aber dann gucken mich nur alle komisch an, darauf konnte ich gerade verzichten. Wir setzten uns in Bewegung und so wuchs auch mein schlechtes Gewissen. Ich fuhr gerade schwarz. Was war nur los mit mir?!

Hatte irgendwer vielleicht einen Tipp für mich, wie man sich in einer solchen Situation verhält? Wie man unbemerkt in fast einer Stunde nach München kommt, ohne erwischt zu werden? Ich wäre demjenigen gerade sehr dankbar.

Ich beschloss, mich nicht in einen der Waggons zu setzen, sondern in einem Zwischenraum bei den Toiletten. Ich glaube, dass wäre unauffälliger. Ich setzte mich auf den Boden, verschwendete keinen Gedanken daran, ob er schmutzig war oder nicht, und raufte mir die Haare. Wie konnte man nur so dämlich sein? Nicht nur auf das Schwarzfahren bezogen, sondern generell. Ich war mit 16 nicht im Stande eine Beziehung zu führen, wobei es doch jeder kann. Da ist doch auch nichts schweres dabei, mit Lisa hab ich das auch gut hinbekommen und bei ihr hab ich ganz anders gefühlt. Julian ist einfach... mit Julian ist es einfach anders. Ich weiß, hört sich verdammt kitschig an, aber er ist meine erste große Liebe. Fuck, was ist nur los mit mir. Es ist schwer zu erklären, warum er in für mich kurzer Zeit so wichtig geworden ist. Es ist einfach so und es hat mich viel Kraft gekostet, das zu realisieren und zu akzeptieren. Ich will ihn mit dieser schweiß Aktion nicht verlieren.

Nicht gesucht, aber gefunden | boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt