Kapitel 29

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Bei der richtig Station stieg ich aus und rannte den mir schon bekannten Weg zu Julians Wohnung.

Ohne mir die richtigen Worte zurechtzulegen, klingelte ich. Ich hätte sie eh vergessen, denn als ich ihn sah, wurde mir erst so richtig klar, was ich angerichtet hatte.

——-

"Julian kommt auch?", fragte ich und versuchte dabei nicht ganz den Verstand zu verlieren.

"Ich weiß das es komisch zwischen euch ist, aber —"

"Komisch? Er hat mich quasi aus dem Haus geschmissen. Deutlicher kann man nicht Schluss machen", murmelte ich. Ich war froh, dass die Erinnerung nicht mehr die ganze Zeit durch meinen Kopf schwirrte. Ich dachte einfach nicht gern daran. Ist ja auch keine Überraschung, oder?

"— aber es ist mein Geburtstag und ich hab ihn eingeladen. Schließlich gehört er immer noch dazu", argumentierte Lisa. Sie hatte ja Recht.

"Und mein Geburtstag", betonte Mia.

"Wird schon", sagte Lisa und klopfte mir auf den Oberschenkel. Nicht wirklich aufmunternd, aber irgendwie würde es schon werden.

"Hey, jetzt zerbrich dir nicht den Kopf. Freu dich lieber auf die Party."

"Ich mein, ich bin eh selbst Schuld daran." Darauf erwiderte sie nichts. Darauf konnte man auch nicht wirklich viel erwidern.

"Luca, hilfst du mir schnell?", rief Daniel.

Lisa nickte mir zu, als ich zu ihr sah, ob sie mich noch brauchte.

"Hältst du das grad mal?" Er drückte mir eine Girlande in die Hände.

"Da muss man diese Dinger noch einfädeln."

"Viel Spaß", grinste er. Ich blickte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Sicher werd ich das alleine machen.

"Ich helfe dir schon, keine Panik", lachte er.

Wir saßen ein Weile da und im Grunde hatte ich nur darauf gewartet, dass er es ansprach.

"Julian kommt ja heute auch."

"Lisa hat es mir vorhin schon gesagt."

"Und?" Und was? Hatte ich Angst ihn zu sehen? Würde ich vor lauter Selbsthass mir am liebsten ein reinhauen, am Besten vor seinen Augen, damit er sieht, wie Leid es mir tut?

Ich zuckte mit den Schultern.

Plötzlich legte er alles auf den Tisch und zog mich in eine Umarmung. Ich war überrascht und irgendwie war es genau das, was ich gerade brauchte. Aber ich konnte es nicht genießen. Ich verdiente keine Umarmung, kein Mitleid.

"Du solltest ihn umarmen, nicht mich."

Er zog zurück und schien über dieses Satz erst nachdenken zu müssen.

"Wär es dir lieber, wenn wir dich hassen würden, nur weil du einen Fehler gemacht hast?"

Natürlich nicht. Ich schüttelte den Kopf.

"Ich wünschte nur, Julian würde das auch so sehen. Aber eigentlich will ich nicht, dass er mir verzeiht. Ich verdiene es, dass er mich nicht zurück will. Ist das Minimum, was ich machen kann." Ich wusste, dass es sich anhörte, als ob ich Mitleid wollte. Aber ich meinte jedes Wort so wie ich es sagte. Ich wollte genauso leiden wie er wegen mir.

"Das ist dämlich", war alles was Daniel dazu sagte.

Als wir endlich mit der Girlande fertig waren und sie irgendwo aufgehängt wurde, war das ganze Haus so gut wie dekoriert.

"Ich geh mich dann mal fertig machen", sagte ich zu Lisa. Sie nickte gestresst.

Gerade als ich gehen wollte, kam mir Mia in die Quere. Sie sah nicht sehr... erfreut aus.

"Ich sags dir, reiß dich zusammen." Ich blickte sie fragend an. "Mir geht es dabei mehr um Lisa als um mich, du bist hauptsächlich wegen ihr da." Sie nahm meinen Arm. "Wir alle wissen, dass Julian heute kommt, und wir wissen noch mehr, dass es zwischen euch sehr, nennen wir es angespannt, ist." Ich verdrehte die Augen. Einfach nur, weil jeder mich auf ihn ansprechen musste. "Versuch ihn wenigstens heute zu vergessen und hab mal ein bisschen Spaß. Sieh es als Geburtstagsgeschenk für Lisa. Sie will eine geile Party, genauso wie ich, und mit traurigen Gästen wird das nichts. Verstanden?" Ich nickte. Sie ließ mich los und ging von der Tür weg.

-

Ich hatte wirklich eine Millisekunde daran gedacht, nicht zu kommen. Jetzt stand ich hier, Unbeholfenheit in Person. Ich versuchte echt Spaß zu haben, mir eventuell einen anzutrinken, doch ich konnte nicht aufhören, mit meinen Augen den ganzen Raum abzusuchen.

Ich hatte mich noch nicht entschieden, ob ich ihm aus dem Weg gehen wollte. Ich wollte ihn auf jeden Fall sehen, aber ob ich mit ihm reden konnte... ob er überhaupt mit mir reden wollte. Er würde mich auf jeden Fall nicht ansprechen. Wenn dann müsste ich das machen.

Und selbst wenn ich mich dazu überreden konnte, wusste ich nicht, wo ich anfangen sollte. Es gab nicht mal einen Anfang. Ich hatte noch nie im Leben etwas so bereut oder mich so gehasst, aber das hatte er alles schon mal gehört. Und nicht geglaubt.

Recht hatte er. Warum sollte er mir auch glauben?

Plötzlich packte mich Daniel am Arm und zog mich bis zu Lisas Zimmer. Er drückte mich aufs Bett und setzte sich dazu.

"Erinnerst du dich noch daran, wie ich Julian asozial genannt habe?"

Ich sah ihn an und nickte. Nicht einer seiner hellsten Momente.

"Ich hab mich entschuldigt und er hat mir verziehen. Hat zwar bisschen gedauert bis er mir wieder vertraut hat, aber jetzt ist alles wieder gut."

"Das ist ihm wahrscheinlich leichter gefallen, weil wir da schon zusammen waren." Ich lachte leicht. Ich dachte an den Abend zurück und wie wie gestritten haben. Was wir oft getan hatten, wenn ich so darüber nachdachte, aber selbst das vermisste ich.

"Ihr müsst einfach nochmal darüber reden. Und ja, ich weiß, dass ihr das schon getan habt", sagte er, bevor ich ihn unterbrechen konnte. "Und ich weiß auch, dass ich nicht unbedingt aus irgendwelchen Erfahrung sprechen kann. Aber das, was ihr hattet... das kann es nicht gewesen sein, Luca. Diese ganze Scheiße, an der auch ich Schuld bin, die habt ihr überstanden und du kannst mir nicht sagen, dass es für nichts war. Dass dir der Typ was bedeutet, sieht man auf dreißig Meter Entfernung, also mach ihm das klar, wenn er so blind ist."

"Aber wie?", flüsterte ich.

"Du kannst mir nicht erzählen, dass du gar nichts mehr machen kannst." Ich zuckte mit den Schultern.

"Warte hier", sagte er und ging. Ich blieb im Zimmer, fragte mich aber gar nicht, was er vorhatte. Er könnte jetzt mit allem wieder kommen. Allerdings kam er nur mit Lisa wieder, dachte ich zumindest. Sie schlossen die Tür hinter sich und stellten sich vor mich.

"Willst du, dass wir dir helfen?", fragte sie. Ich zuckte erneut mit den Schultern. Ich hatte mit helfen sowas wie Ablenkung gedacht, die ich echt gebrauchen könnte.

"Okay... ich hab dich gefragt, ich will mir danach nichts anhören." Sie ging zur Tür, öffnete sie und zog Julian in den Raum. Ich stand ruckartig auf und schaute abwechselnd Daniel und Lisa an. Daniel klopfte mir auf die Schulter, dann Julian und verschwand mit Lisa.

"Ehm... hey."

Nicht gesucht, aber gefunden | boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt