Kapitel 6

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Kurz darauf bekam ich auch schon die Adresse von Julian geschickt. Ich machte mich gleich auf den Weg, denn ich wusste nicht, wie weit sie von uns weg wohnten und wie lange ich dafür zu Fuß brauchte.

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Ich klingelte fünf Minuten nach der vereinbarten Zeit an der Tür, da ich mich zwei mal verlaufen hatte. Ich dachte, ich kenne jedes Eck dieser Stadt, aber da hab ich mich wohl getäuscht. Schon irgendwie peinlich ...

Beim ersten Klingeln öffnete niemand die Tür. Von drinnen hörte ich nur lautes Geschrei und Gelächter, könnte vielleicht daran liegen, dass mir keiner aufmachte. Nochmal klingeln. Ich nahm ein lautes Brüllen war: "Seid doch einfach mal ruhig! Wie alt seid ihr?!" Das war eindeutig Julian. Dann kamen Schritte auf die Tür zu und Julian mit einem knallrotem und gestressten Gesicht öffnete.

"Sorry, wie lang stehst du schon da?", fragte er, während er sich anhörte, als wäre er einen Marathon gelaufen.

"Nur fünf Minuten oder so."

Neben ihm tauchte Caro auf, die sich sofort in meine Arme warf. "Ach, ich hab dich sooo vermisst, Bruderherz!"

Julian musste sich ein Lachen verkneifen.

"Ja, super, ich dich natürlich auch." Ich drückte meine Schwester von mir weg.

"Hast du alles?", fragte ich sie.

Mit einem Nicken und einer Umarmung verabschiedete sie sich von Amelie, die auch irgendwann aufgetaucht war.

"Bis Montag!", rief sie, als wir aus Einfahrt heraus gingen. Ich winkte nur.

"Du solltest dich mit Julian anfreunden! Dann können wir mal was zu viert machen", sagte Caro plötzlich.

"Sicher nicht!"

"Was hast du denn gegen ihn?"

Ja, was hatte ich gegen ihn? Ich stellte mir diese Frage echt zu oft. Aber es war nunmal so, dass ich keinen Grund hatte. Trotzdem mochte ihn nicht!

"Manche Menschen mag man und manche eben nicht!" Super Erklärung! Nicht.

Für mich war das Thema erst mal abgehakt. Ich hatte keine Lust, über ihn zu reden.

"Warum bist du eigentlich nicht an dein Handy gegangen?", fragte ich nach kurzem schweigen in einem leicht bösen Ton.

"Du hast angerufen? Hab ich nicht gehört, wir haben mit Julian Scheiße gemacht. Waren wohl etwas zu laut." Schon wieder Julian! Ich glaube, jeder, wirklich JEDER liebt ihn! Was ist denn so toll an dem?!

"Du hast übrigens noch nie mit mir und Freundinnen Scheiße gemacht", fügte Caro noch hinzu.

"Dann tausch mich doch mit Julian aus! Ihn mag sowieso jeder!", schrie ich. Jetzt fing ich auch noch an mich mit meiner Schwester zu streiten.

"Komm' runter und hör' auf, auf ihn eifersüchtig zu sein!"

"Warum denkt das jeder?! Ich bin nicht eifersüchtig, auf was denn überhaupt?!"

"Das weißt du genau." Und ich wusste es auch genau. Ich musste mit ihm meine Freunde teilen und das passte mir ganz und gar nicht. Zum Glück gehörte wenigstens Lisa nur mir.

Aber wenn ich gewusst hätte, wie schnell sich das ändern könnte, hätte ich mich nicht dazu entschieden, nett zu Julian zu sein.

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Die letzten drei Wochen vergingen echt schnell. Ich war zu Julian nett, so oft es ging. Mit Daniel habe ich mich immer noch nicht ausgesprochen, weshalb Lisa und ich jede freie Minute zusammen verbrachten. Wir waren wie zwei Kletten. Jede Nacht übernachteten wir und nach der Schule gings dann auch gleich wieder zum anderen. Ich war teilweise mehrere Tage hintereinander nicht zu Hause. Mit der Gruppe gingen wir jedes Wochenende feiern, nie trank ich mehr als zwei Bier oder einen Cocktail und das auch nur um zu belauschen, was Lisa und Julian so viel zu reden hatten. Ich glaube, die verstanden sich richtig gut, aber ich hab mir selbst geschworen, nicht mehr eifersüchtig zu sein. Deshalb blieb ich jedes Mal ruhig.

Nicht gesucht, aber gefunden | boyxboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt