Kapitel 8 - Aleyna & Berkan

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Malik war mein Nasip. Mein Fat. Mein Schicksal.

Ich wusste so lange nicht, wieso ich auf dieser Welt war. Ich dachte immer nur, ich sei für meine Familie da. Für meine Mutter, um sie nach dem Tod meiner Schwester vor ihren Selbstmordversuchen abzuhalten. Vielleicht auch für meinen Bruder, um ihn aus der schiefen Bahn zu holen. Doch vielleicht hatte es auch einen ganz anderen Grund. Und ich war mir so sicher, dass es etwas mit Malik zu tun hatte.

Ihr müsst wissen, ich war noch nie auf der Suche nach einem Mann, der mich glücklich machen soll, der mich von meinen Problemen erlösen und auf andere Gedanken bringen soll.

Doch wie heißt es so schön:" Schicksal ist, wenn du etwas findest, was du nie gesucht hast und dann feststellst, dass du nie etwas anderes wolltest."

Nachdem der Geschäftspartner von Malik's Vater ging, tanzten Malik und ich weiter. Er tat so als sei das, was er gesagt hat normal wäre. Anders als ich. Ich drehte innerlich durch. Er nannte mich seine Frau. Mein Herz klopfte mir beinahe aus der Brust und eine unbeschreibliche Wärme durchzog mein Bauch. Ich glaube sowas nennt man glücklich sein.

Ich lächelte bis über beide Ohren und sah ihm ununterbrochen in die grünen Augen. Er lächelte verwirrt:" Was ist los?" Ich schüttelte mein Kopf:" Ach nichts, mein Mann." Ein Gekicher dröhnte unaufgefordert aus mir. Ich kannte mich so gar nicht. Er fing auch an zu lachen:" Ist doch keine Lüge. Du bist bald meine Frau. Ich weiß es."

„Was macht dich so sicher? Ich mein wir kennen uns ja gar nicht richtig.." Doch Malik unterbrach mich:" In dem Augenblick, an dem ich dich das aller erste Mal sah, wusste ich sofort, dass du es bist, die ich heiraten will. Wenn nicht du, dann keiner."

Ich zerschmelze in seinen Armen und sofort fiel mir ein, wie unsere erste Begegnung eigentlich war. - Er hatte mich aus der Beinahe- Vergewaltigung seines Bruders gerettet. Diese Geschichte wollte ich nicht unseren zukünftigen Kindern erzählen. Ein Schauer lief an meinem Rücken entlang. Ich sah zu Boden und schämte mich abgrundtief.

„Was ist los? Hab ich was falsches gesagt?", unterbrach die raue Stimme von Malik mich. Ich schüttelte verträumt meinen Kopf:" Nein, aber ich finde unsere erste Begegnung nicht gerade traumhaft schön." Er fing an zu lachen:" Ich schon. Ich sah da dieses wunderschöne und tollpatschige Mädchen, dass im Hochzeitssaal alle Teller fallen lies. Das ist unsere erste Begegnung. Nicht die andere an die du gerade denkst. Vergiss die. Lösch sie aus deinem Gedächtnis, das hab ich auch." Ich nickte stumm. Als ob ich das so schnell vergessen könnte.

Das Lied neigte sich zum Ende und wie begaben uns zurück auf unsere Plätze. Zu unserem Glück gab es sofort schon Essen. Kein riesiges Büfett wie im Hochzeitssaal von Malik's Vater, aber ein leckeres, halbes Huhn mit Salat. Das reichte uns und wir verspeisten es köstlich.

„Wie alt bist du eigentlich?", fragte ich wie aus dem nichts. „Rate.", Malik zwinkerte. Ich hatte die Chance sein Gesicht intensiv zu bemustern. Sein perfekt, markantes Gesicht mit den schönen grünen Augen, dem perfekt gestutzten Bart und den Grübchen. Er hatte kein Babyface, dennoch war es schwierig es einzuschätzen. „19?", fragte ich. Er lachte:" Fast. 20. Und du bist 18?" Ich nickte und wir aßen weiter.

Der Abend kam allmählich zum Ende und wir verließen den Saal. Am Ausgang standen die Familien des Brautpaares und verabschiedeten sich von den Gästen. Uns sahen sie verwirrt an und versuchten zu erraten, wessen Kinder wir sind. „Bist du nicht Aleyna, die Tochter von Fatma?", fragte mich die Frau. Ich nickte:" Ja das bin ich." Die Frau wendete sich zu Malik:" Dann musst du Berkan sein. Leider konnten wir auf eure Hochzeit letztes Jahr nicht kommen.." Malik unterbrach sie:" Ist kein Problem. Schönen Abend noch."

Auf dem Weg zum Auto lachten wir uns kaputt über die Verarsche. „Unsere Hochzeit letztes Jahr war bestimmt toll, Aleyna.", zwinkerte Malik und kam mir näher. Wir standen nun genau an seinem Wagen. „Bestimmt, Berkan.", sagte ich und wurde nervös. Malik kam mir immer näher. Ich glaube er wollte mich küssen. Ich wollte es auch. Mehr als alles andere. Doch irgendetwas hinderte mich daran. Ich konnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Also müsste ich ihn besser kennen lernen.

Ich sah nervös zu Boden und Malik verstand meine Blockade. „Sollen wir etwas spazieren?" Ich nickte.

Sofort neben dem Gebäude befand sich ein ganz kleiner Park, indem wir uns aufhielten. Ich sah auf die Uhr und es wurde schon elf Uhr. Mir war sehr kalt, was ich nicht anmerken wollte, denn es würde wie eines dieser Klischees wirken. Und genau das mochte ich nicht. An meinen Armen war dennoch ganz klar eine Gänsehaut zu erkenn und Malik zog seine Jacke aus und warf sie mir über die Schultern. „Ist nicht nötig.." Er unterbrach mich:" Zieh es nicht in die Länge. Du wirst es tragen." Ich war stumm.

Nach ungefähr zwei Minuten fanden wir eine Bank, die einen tollen Ausblick hatte, auf die wir uns dann hinsetzten.

„Ich will dich kennen lernen.", sagte ich und schaute auf den Himmel. Die Sterne waren ganz klar zu sehen. „ Neig mal deinen Kopf weiter rechts und schau westlich auf den Himmel." Ich sah ihn verwirrt an. Malik lachte:" Jetzt tu es." Warum wollte er nicht, dass ich ihn besser kennen lerne?

Ich neige meinen Kopf weiter rechts und schaute westlich den Himmel an. „Das ist der Pegasus.", sagte er fasziniert. Ich war überrascht, dass er sich mit den Sternbildern gut auskennt. „Siehst du ihn?", fragte er mich. Ich stotterte:" Ehm... Ja jetzt seh ich ihn.. Denke ich.." Ich sah absolut gar nichts, nur Sterne. Sie ergaben kein Bild. Malik lachte:" Was willst du über mich wissen?"

Ich sah ihn nachdenklich an:" Alles." „Ich rede nicht gerne über mich.." „Ich muss doch wissen, wen ich letztes Jahr geheiratet habe.", ich versuchte etwas Humor in das trübe Gespräch zu packen. Vergeblich. Malik sah neutral, ohne irgendeine Emotion auf den Boden. „Ich würde viel lieber alles über dich erfahren.", sagte er und lächelte mich von der Seite an.

„Nein, wenn du dich nicht öffnest, wieso sollte ich es dann?", langsam wurde ich zickig. Ich verschränkte meine Arme ineinander und sah ihn erwartungsvoll an. „Suzan.." Ich liebte es, wie er mit seiner rauen Stimme meinen Namen aussprach. „Ich habe mich noch nie jemanden geöffnet, ich.. Ach ich weiß nicht."

Er war verletzt. Seine Vergangenheit hat Narben verursacht. Aber bei wem hat es das denn nicht?

„Ich bin hier geboren und vor fünf Jahren nach Stuttgart gezogen. Mein Vater hat meine Mutter betrogen und sie haben sich getrennt. Meine Mutter ist psychisch instabil, weil sie ihre Tochter verloren hat. Mein Bruder ist auf Bewährung und sobald er einen Fehler macht, wird er eingesperrt." Ich sah ihn erwartungsvoll an. Er reagierte zunächst nicht, ich denke mal er verdaute die ganzen Informationen.

„Woran in deine Schwester gestorben?"

„Sie ist gesund geboren. Zunächst hatte sie eine leichte Sehschwäche. Daraufhin dachten wir sie wäre Kurzsichtig, doch ihre Sehkraft verschlechterte sich schnell. Wir brachten sie zu einem Arzt und nach vielen Untersuchungen kam heraus, dass sie NCL hat. Das ist eine Art von Demenz. Ihre Netzhaut baute sich langsam ab und sie wurde blind. Aber die Krankheit bereitete sich weiter aus. Ihre Nervenzellen starben ab und sie konnte nicht mal mehr selbstständig schlucken oder atmen.."

Malik umarmte mich ganz fest:" Es tut mir leid." „Ist acht Jahre her. Da war ich knapp zehn Jahre alt.." Er unterbrach mich: „Ich muss dir etwas sagen.." Langsam lies ich ihn los und sah ihn überrascht an.

„Ich bin bipolar Gestört."

MALIKWo Geschichten leben. Entdecke jetzt