Kapitel 14 - „Erinnerst du dich an meine Worte?"

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Die Angst ist so eine Sache. Jeder drückt sie anders aus, dennoch sind die Anzeichen bei jedem Menschen gleich.

Angst beginnt in der Brust. Das Herz schlägt bemerkbar schneller und unregelmäßiger. Dein trockener Hals schnürt in sich zusammen und ein Kloß hindert dich daran zu sprechen. Daraufhin folgt der Magen. Er dreht sich und du hast das Gefühl, als müsstest du jeden Moment erbrechen. Als würden deine Organe wachsen und deinen Körper von innen erdrücken. Du fühlst dich eingequetscht. Dein Körper wird von einer Gänsehaut überzogen, die dich zum Zittern bringt. Dein Mund und dein Kinn kommen dem Zittern nicht nach und deine Hände und Füße beginnen unruhig mitzumachen. Deine Atmung wird durch die Angst ebenfalls beeinträchtigt. Durch das schnelle Klopfen deines Herzens atmest du deutlich unregelmäßiger. Du versucht durch langes Auf-und Ausatmen es zu kontrollieren, doch das macht dich nervöser und du zitterst stärker. Dennoch ist es das Gehirn, das durch die Angst am stärksten leiden muss. Gedanke für Gedanke, dein Kopf scheint zu explodieren. Du stellst eine These nach der anderen auf und führst Selbstgespräche bis die Angst dich verlässt. Und das kann dauern.

Die Angst war an jenem Tag auf unsere Gesichter geschrieben, als die Polizisten das Haus betraten und meinen Bruder mitnahmen. Vor allem auf das meiner Mutter. Ich erkannte Angst, Unsicherheit und Trauer. Wie hätte eine Mutter denn auch sonst reagieren sollen, wenn es mitansehen muss, wie ihrem bereits vorbestrafter Sohn Handschellen angelegt werden?

Ich sah meinem Bruder und den Polizisten hinterher, wie sie die Wohnung verließen. Tränen durchströmten meine Augen und die selbe Frage ging 1000 Mal durch meinen Kopf:" Emre, was hast du nur getan?"

Ich erinnerte mich sofort an seine Worte bevor wir umzogen:„Das wird für uns alle ein Neuanfang. Ich werde nie wieder mit der Polizei zutun haben und mich ändern. Versprochen!"

Emre und die Polizisten verschwanden durch die Tür und zurück blieb nur noch Bilals widerliches Grinsen. Wut staubte sich auf und ich schrie ihn an:" Was wollt ihr von meinem Bruder?!"

Er schüttelte provokant seinen Kopf:" Er soll bloß das nächste mal aufpassen, wenn er mit Feuer spielt." Ich sah ihm verwirrt in die Augen und im nächsten Moment verließen sie lachend die Wohnung.

Da standen wir nun. Meine Mutter, Derya und ich. Meine Mutter am Boden zerstört während Derya versucht ihr zu helfen und ich meine Gedanken verarbeite. Was genau geschah in den letzten fünf Minuten? Zunächst dachte ich, dieser Vorfall würde das Leben meines Bruders zerstören. Doch letztendlich war es mein Leben, was zerstört wurde.

„Wir müssen zur Polizeiwache.", unterbrach Derya meine Gedanken. Sie war die sowohl körperliche als auch seelische Stütze meiner Mutter. Meine Mutter nickte und wischte sich ihre Tränen weg. Ich wollte meine Jacke anziehen, hielt mich meine Mutter davon ab:" Du kommst nicht mit." „Wieso?!", widersprach ich ihr.

„Du wirst uns da bestimmt keine Hilfe sein. Versuch herauszufinden, wer diese Jungs waren und was sie von deinem Bruder wollten. Meinst du, du kriegst das hin?" Ich nickte und wusste auch schon, welche Person mir definitiv helfen könnte. Kübra.

Meine Mutter und Derya verschwanden hektisch durch die Tür und ich suchte nach meinem Handy. Bei dem Versuch Kübra anzurufen zitterte ich bemerkbar. Ich versuchte mich durch Auf- und Ausatmen unter Kontrolle zu halten. Zwecklos.

„Ja?", Kübras Stimme aus der anderen Leitung unterbrach meine Gedanken. „Kübra, wir haben einen Notfall. Du musst sofort kommen!" „Was ist passiert?", fragte sie sofort nach. „Es geht um Emre, beeil dich." „Ich muss kurz etwas erledigen. Bin ungefähr in einer halben Stunde da."

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