Felix Stimme erklang aus dem Radio, immer wieder unterbrochen von dem Rauschen.
"Jako, ich muss... erzählen... ich lebe... Jaucke..."
Das Rauschen erfüllte wieder durchgehend den Raum.
Alle waren verstummt. Geschockt.
Seit fast zwei Jahren hatten sie Felix Stimme wieder gehört.
Natürlich war das ein Schock für sie.
"Seht ihr? Ich bin nicht verrückt. Ich hab mir das nicht nur eingebildet", sagte ich vorsichtig in die Stille.
Marti schluckte.
"Wir gehen heute Nacht los zu Jaucke, Jako..."
Flo sah immer noch komplett verstört aus und Frodo fehlten die Worte.
"Aber... Wie ist das möglich... Da-Das Radio... Ich habe ihn doch sterben sehen...", stotterte er leise.Ich wachte in der UWG auf. Rieb mir die Augen.
Erhob mich aus meinem Bett und kletterte die Leiter hinunter. Ging in die Küche.
"Guten Morgen, Felix"
Andre und Niklas schauten auf, als ich in die Küche kam. Nach fast zwei Jahren hatten ihre befremdeten Blicke aufgehört, die mich früher auf Schritt und Tritt verfolgt hatten.
Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Mir ging es mit Steve und Rick genauso.
Was vor zwei Jahren geschah? Ich wachte eines Morgens auf und hatte den seltsamsten Traum, den ich je geträumt hatte. Und ich hatte das Gefühl, er hatte ewig gedauert. Mindestens 5 Jahre, vielleicht viel länger.
Ich wähnte mich im Krieg. Mit anderen. Alle, die hier waren, in meinem Freundeskreis, waren gestorben. Andere haben sich mit mir durchgekämpft, einer hatte immer tiefe Augenringe, egal wie viel er auch schlief, einer war erstaunlich klein, einer hatte halblanges lockiges Haar und trug einen grünen Pullover, der von dem vielen Staub und Schmutz ganz grau wurde, einer hatte einen Bart, kurze dunkle Haare und eine Brille, die kaputtging, als wir auf der Flucht waren vor... das klingt jezz vielleicht komisch, aber vor dem Militär, das uns in eine Basis stecken wollte.
Was eine Basis ist, weiß ich nicht, aber ich wusste, dass ich dort nicht hinwollte.
Und dann war da ein großer Mann mit langem Haar, markanter Nase und einer Gitarre. Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen, doch sein Gesicht hatte sich mir eingebrannt und blitzte ab und zu in meinen Gedanken auf, vorzugsweise bei Gewitter.
Und das Seltsamste an dem Ganzen war, dass mir der Traum so real vorkam, als hätte ich ihn wirklich gelebt, und mein Leben vor dem Traum kam mir eher wie ein Traum vor als der Traum selbst es je könnte. Verwirrend, oder?
Seit knapp zwei Jahren hatte sich einiges verändert. Als hätte jemand anderes bis dahin mein Leben gelebt, bis ich aus diesem... Traum erwachte.
Rick und Steve betraten die Küche. Steves Brille sitzt wieder heile auf seiner Nase und Ricks grüner Pullover strahlte mir frisch gewaschen entgegen. Wir waren für heute verabredet, zum Drehen.
Das war noch so eine Sache. Einerseits schrie eine klare Stimme in meinem Kopf, sie waren schon immer da gewesen, doch eine zweifelnde kleine zweite murmelte:
"Aber sie waren doch in meinem Traum..."
Außerdem waren die Erinnerungen an die beiden genau so verschwommen und unwirklich wie die an mein Leben vor dem Traum.
Bei Steve hörte es vor ein paar Monaten auf (oder fing es da an?)
Ich sah ihn nicht mehr verschwommen, alle Ereignisse mit ihm blieben mir klar im Gedächtnis. Rick war erst ein paar Tage hier. War er vorher woanders gewesen? Es fühlte sich an, als wäre er aus dem Nichts aufgetaucht, urplötzlich.
Als wolle mir jemand weismachen, er wäre schon immer da gewesen, doch in Wirklichkeit, tief in mir drin, wusste ich, dass das nicht stimmte.
Ich merkte, wie ich die beiden anstarrte, und ein Seitenblick auf Andre und Niklas bestätigte mir, dass vor allem Ricks Anwesenheit sie immer noch verstörte.
Wir hatten noch nicht darüber geredet, hatten die verwirrten Blicke der anderen und unser eigenes Gedankenchaos einfach so hingenommen.
Aber obwohl keiner etwas darüber verlauten ließ, konnte ich es in ihren Augen sehen. Ihnen war etwas Ähnliches passiert, wenn nicht sogar genau das Gleiche.
Schweigend aßen wir unser Frühstück zu Ende, ungeachtet der Tatsache, dass uns Rick und auch Steve immer noch seltsam fremd vorkamen.
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War No More || Berliner Cluster
FanfictionÜberall herrschte Krieg. Jako musste dabei zusehen, wie einer seiner Freunde nach dem anderen starb. Mit nur noch einer Handvoll von ihnen, Rick, Frodo, Marti und Flo, kämpft er sich durch die Nachkriegszeit, die gezeichnet ist von Hunger, Krankheit...