Keine Viertelstunde später klingelte ich außer Atem an Ricks Tür. Er öffnete und lotste mich in seine Wohnung, natürlich kam sie mir bekannt vor, verschwommen, doch gleichzeitig hatte ich das Gefühl, noch nie hier gewesen zu sein.
Am Küchentisch saß Steve, noch halb schlafend über seinen Kaffee gebeugt.
"Setz dich, Felix"
Es war seltsam, in der Wohnung dieses für mich eigentlich fremden Mannes zu sein, doch beide Stimmen in meinem Kopf schrieen: "DU KENNST IHN!", wenn auch in vollkommen anderem Kontext. Die lautere Stimme sagte, das wir schon jahrelang befreundet sind und oft zusammen Videos gedreht hatten, die leisere flüsterte nur: "Ihr wart zusammen im Krieg, habt gemeinsam gekämpft und eure Freunde sterben sehen..."
Ich wusste nicht, welcher ich glauben sollte, aber ich vertraute Rick.
Ich ließ mich auf einen freien Stuhl nieder. Rick stellte eine Tasse heißen Kaffee vor mich und ich sog den Duft, der in Schwaden aus der Tasse kroch, tief ein.
"Also... Wie bin ich gestorben?"
Rick schluckte, fasste sich aber schnell wieder.
"Du... Okay, fangen wir von Anfang an. Du erinnerst dich an Steve, Frodo, Flo und Marti?"
Die Namen rannten in meinem Kopf herum, und endlich hatten sie alle eine Glühbirne gefunden, die sie aufdrehten.
"Steve sitzt ja hier... Flo ist doch der Mann mit den Augenringen, der so furchtbar durcheinander war, als er seine Cap verlor. Er hat immer auf den Kleinen, auf Frodo, aufgepasst, richtig?"
"Ja, naja, das heißt, bis er krank wurde. Dann hat Frodo sich um ihn gekümmert"
"Und Marti war der Spaßvogel, er konnte jeden immer zum Lachen bringen..."
Ricks Augen verdunkelten sich.
"So war er, früher. Der Krieg hat uns alle verändert..."
Steve schaute zum ersten Mal von seinem Kaffee auf.
"Und an Jako? Du erinnerst dich doch an Jako, oder?"
"Ja, sicher... Naja, schemenhaft..."
"Du erinnerst dich nicht an Jako? An deinen besten Freund, den Großen mit der Gitarre und den langen Haaren?! Mit dem du dich ohne Worte verstanden hast? Der uns abends immer ein Lied spielte, gemeinsam mit dir, bis er seine Gitarre eintauschen musste? Der mit dir eine Band gegründet hatte, vor dem Krieg? Fewjar? Du erinnerst dich nicht an Fewjar?"
Da Wort brachte etwas in mir zum Klingen. Fewjar...
"Da ist etwas..." Angestrengt runzelte ich die Stirn.
"Ich glaube..."
Jakos Gesicht blitzte vor mir auf.
"Felix?", flüsterte er. Es war das erste Mal, dass ich in diesem Leben seine Stimme hörte.
"Hey, Jako! Lustig, dass wir uns hier treffen"
"Felix! Wo sind wir?"
"Sieht aus wie ne Wiese", sagte ich mich umblickend. Tatsächlich entstand unter meinem Blick eine Wiese, grünes Gras, Blumen, Insekten.
"Und was tust du hier?"
"Ich bin hier, um dir etwas zu erzählen. Such Jaucke! Er wird dir alles Weitere sagen. Es ist nämlich so, dass..."
Jakos Anblick verschwand, an seine Stelle traten Ricks und Steves verwirrte und besorgte Gesichter.
"Hey, was guckt ihr denn so?"
Steve hielt mir die Hand hin und zog mich hoch.
Ich war vom Stuhl gefallen.
"Was..." Ich rieb mir stöhnend den Kopf. "Was ist passiert?"
"Du hast plötzlich ganz steif dagesessen und dein Blick war... war ganz weit weit irgendwie... und du hast geredet... von Jako... oder eher... mit ihm", erklärte Steve stockend.
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War No More || Berliner Cluster
FanfictionÜberall herrschte Krieg. Jako musste dabei zusehen, wie einer seiner Freunde nach dem anderen starb. Mit nur noch einer Handvoll von ihnen, Rick, Frodo, Marti und Flo, kämpft er sich durch die Nachkriegszeit, die gezeichnet ist von Hunger, Krankheit...