Schon nach ein paar hundert Metern, die Marti und ich schweigend beschritten hatten, kamen mir die ersten Zweifel.
"Hier in Tempelhof ist es ruhig. Doch je weiter wir in Richtung Berlin Mitte gehen, desto gefährlicher wird die Gegend. Glaubst du, es war gut, am Tag zu gehen?"
"Wir mussten so schnell wie möglich los, aber wir waren gestern den ganzen Tag wach, wir hätten es niemals geschafft, die Nacht durchzugehen. Und auch wenn wir am Tag länger brauchen, sind wir schon kurz nach Einbruch der Dunkelheit an unserem Ziel.
Glaub mir, Jako, ich wäre so ein Risiko nicht eingegangen, wenn es nicht absolut wichtig gewesen wäre"
Erneut konnte ich Marti nur bewundern für seine Führungsstärke und seine Fähigkeit, die Gesamtsituation zu überblicken und das Beste abzuwägen. Er war ein sehr besonderer Mensch.
Tatsächlich waren wir aber noch weit von unserem Ziel entfernt, als es dunkel wurde, denn mitten in Kreuzberg war ein riesiges Gebiet von Trümmern verschüttet gewesen und wir mussten außen herum gehen.
"Hier werden wir über Nacht bleiben und morgen früh weitergehen", beschloss Marti schließlich und öffnete die Tür zu einem Haus, dessen oberste Geschosse fehlten. Wir stiegen die ausgetretenen und an vielen Stellen kaputten Treppen hinauf.
Hier konnte unmöglich länger jemand wohnen, wie uns ein Blick in die Wohnungen verriet, deren Wände so aussahen, als würden sie jeden Moment einstürzen, doch für eine Nacht würde es gehen.
Wir fanden einige Decken und nachdem wir zu dem Schluss gekommen waren, dass es im Haus durch die riesigen Löcher in den Wänden zu sehr zog, bereiteten wir unser Nachtlager in der obersten Wohnung, die nein Dach besaß, in der sich jedoch eine geschützte Ecke befand.
Wir saßen mit dem Rücken an einer Wand, den Blick in den Sternen.
Die Atmosphäre war gespannt, wir hatten beide Sorge, entdeckt zu werden, so nahm ich zumindest an. In diesem Gebiet patrouillierten regelmäßig Soldaten. Doch als ich Marti anblickte, sah ich, dass ihn etwas vollkommen anderes beschäftigte. Ich konnte es in seinem Blick fast lesen, doch sicher war ich mir nicht.
"Marti?"
"Jako"
"Was ist los?"
"Nichts, wie kommst du darauf?"
Ich zog eine Augenbraue hoch.
"Wenn 'nichts' wäre, würde das anders aussehen"
"Ich frage mich nur... Ich mache mir nur Gedanken über alles. Was passiert überhaupt, wenn wir sterben? Warum leben unsere Freunde noch? Oder sind das doch nur Halluzinationen? Ist das hier alles nur ein großer Traum?"
"Ich weiß es nicht. Aber wenn es nur ein Traum ist, dann werden wir bald daraus erwachen"
"Und dann? Wie können wir leben, mit allem, was uns hier geschehen ist? Wie können wir mit den Bildern im Kopf schlafen?"
"Das kann ich dir nicht sagen, Marti. Aber egal was passiert, wir haben uns. Wir werden alle aufeinander aufpassen"
Bei dem Wort 'uns' hatte etwas in Martis Augen aufgeleuchtet, doch es war mit dem darauffolgenden Satz wieder ermattet. Ich runzelte die Stirn.
"Du hast doch noch etwas, stimmt's?"•••••••••
Noch ein Kapitel für heute, weil erstens das letzte sehr kurz war und ich zweitens noch zehn vorgeschriebene Teile hier rumfliegen habe...
Hoffe, euch gefällt's;)
Kleine Frage so zwischendurch:
Was ist eigentlich euer Lieblingssong von Fewjar?^~^
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War No More || Berliner Cluster
FanfictionÜberall herrschte Krieg. Jako musste dabei zusehen, wie einer seiner Freunde nach dem anderen starb. Mit nur noch einer Handvoll von ihnen, Rick, Frodo, Marti und Flo, kämpft er sich durch die Nachkriegszeit, die gezeichnet ist von Hunger, Krankheit...