Kapitel 9

2.2K 131 11
                                    

Ring. Ring. Ring. Das piepende, äußerst nervtötende Geräusch meines Weckers riss mich aus meinem Schlaf. Erschreckt fuhr ich hoch und sah mich panisch in dem Zimmer um, in dem ich war. Groß, altmodisch eingerichtet, mit einem riesigem Himmelbett und einem galaktisch großen Schrank, der mit goldenen Intarsien versehen war. Ich atmete tief durch. Stimmt ja. Fuhr es mir durch den Kopf. Ich war ja auf dem Internat Birkenstein, um die Prinzessin des Dressursports zu werden. Und so fühlte ich mich auch, als ich mich noch mehr in meinem neuen Zuhause umsah. Alles wirkte so edel und aristokratisch, das ich mich kaum traute zu atmen. Vorsichtig drapierte ich alle Kissen und die Decke wieder so hin, wie ich sie gestern mutwillig (ich war so müde gewesen, das ich manche überschüssigen Kissen einfach auf den Boden geworfen hatte) zerstört hatte.

Gähnend machte ich mich schließlich von meinem Schlafgemach aus in Richtung des Bedezimmers, das, ganz zu meiner Freude, ganz und gar nicht alt und aristokratisch eingerichtet war, sondern mich eher an die Edel- Badezimmer erinnerte, die in teuren Living- und Lifestylebroschüren zu Hauf abgebildet waren.

Ich zog mich schnell aus und kletterte unter die wunderbar warme Dusche. Nachdem ich auch noch meine Haare gewaschen hatte, zog ich mir ein (von Herr Doktor Pelder vorgeschriebenes) türkises Poloshirt an, auf dessen Rückseite in großen Lettern mein Name zu sehen war. Ich seufzte und kletterte in eine meiner schwarzen Reithosen, bevor ich nochmals in den Spiegel sah, dass meine Haare in alle erdenklichen Richtungen abstanden, weshalb ich sie in zwei französischen Zöpfen bändigte. Zufrieden mit meinem Aussehen verließ ich, nicht ohne vorher nochmals nachzusehen, ob ich meine Schlüsselkarte auch wirklich in der Hosentasche hatte, das Zimmer.

"Hallo mein Engel!" begrüßte ich meine Stute und reichte ihr einen Apfel, den sie nur zu gerne verschlang. Schneller als üblich, da ich beim Frühstück viel zu lange die große Müsli- Auswahl bestaunt hatte, putzte ich Danci, bandagierte ihr mit den neuen Bandagen alle vier Beine ein und warf ihr die türkise Schabracke mit dem Sattel auf den Rücken. Dann setzte ich mir noch meinen Helm auf und führte sie auch schon aus der Box in Richtung Außenplatz. Draußen angekommen saß ich auf und trieb Danci einen gekiesten Weg entlang, der an großzügigen Koppeln vorbeiging. Dann sah ich sie alle schon. Mit ihren verschiedenen Farben wirkten sie wie Farbkleckse, die sich von dem cremefarbenen Sand abhoben. Nur türkis fehlte noch. Mist. Gleich zum ersten Training würde ich zu spät kommen! Ich drückte meiner Fuchsstute sanft die Absätze in die Flanken und trabte die letzten Meter bis zu den anderen.

"Nachdem Valerie uns nun auch mit ihrer Anwesenheit beehrt, können wir ja nun loslegen." begann Dr. Pelder und blickte äußerst genervt auf meine Wenigkeit. Ich blickte bedröpelt zurück und streichelte Dancis Hals. "Ihr werdet von uns zu den verschiedenen Trainern eingeteilt und ich werde nun auch gleich alle Gruppen vorlesen." übernahm Isabella Windler und jeder Blick lag gespannt auf ihr.

"Zu Christian in die Gruppe kommen die Teams orange, rot und grün. Zu mir kommen hellblau, lila, und hellgrün und bei Martin werden diese Teams trainieren: Rosa, dunkelblau, gelb und schließlich auch noch türkis. Ich bitte euch jetzt in diese Gruppen aufzuteilen, dort werdet ihr dann gleich näheres erfahren." schloss Isabella und marschierte mit ihrer Gruppe von dannen. Auch Christian nahm seine Schützlinge mit und so kam es, dass nur noch unsere Gruppe auf dem großen Sandplatz stand.

"So meine Lieben, ihr habt es in die beste Gruppe geschafft! Herzlichen Glückwunsch!" er lächelte uns verschwörerisch an. "Also, das Programm für heute wird folgendermaßen aussehen. Ihr werdet nun alle ein bisschen warm reiten und dann wird jede von euch einzeln jede ihre letzte Kür durchreiten, die sie in diesem Jahr geritten ist. Die Reihenfolge bestimmt mein Stick, da dort die ganze Kürmusik von euch gespeichert wurde." er lächelte in die Runde und klatschte dann aber in die Hände, das klare Symbol für uns, loszureiten.

Danci war heute sehr gut gelaunt und hörte mit nach hinten gedrehten Ohren genau auf meine leise gemurmelten Aufmunterungen. Schnell kam ich dazu Traversalen, erste Ansätze von Arbeitspiouretten und fliegenden Wechseln zu reiten, als auch schon Herr Pelder uns wieder zu sich rief. "Das sah bei den meisten doch schon vielversprechend aus, jedoch könnt ihr nicht mehr länger warm reiten, denn jetzt beginnt die Kür. Elena, du beginnst, dann du Samantha, dann Alison und zum Schluss du Valerie!" kommandierte er und deutete auf den Ausgang.

Brav verließen wir das Dressurviereck und ritten auf dem kleinen Vorbereitungsplatz Schritt. In der Bahn war ein zierliches blondes Mädchen auf einem imposanten Kohlfuchs mit breiter Blesse geblieben, das jetzt ihr Pferd angaloppierte und etwas schüchtern die Hand hob. Eine mystische Musik erklang und begleitete beide durch eine Kür auf S* Niveau, die die Unerfahrenheit der beiden noch verstärkte. Als sie zum Anreiten eine Sekunde länger brauchte und die Musik bereits wieder angefangen hatte zu spielen, geriet sie unter Panik und drückte ihrem Hengst die Sporen in die Flanken, der dies mit einem Quietschen quittierte. Als sie wieder auf die Mittellinie abwendete und anhielt, merkte man, wie ihr zwei riesige Steine vom Herzen fielen. Sanft tätschelte sie ihrem Pferd den Hals und ritt auf Dr. Pelder zu, der leise nochmals ein paar Worte mit ihr wechselte.

Inzwischen hatte schon Sam das Viereck betreten. Sie machte ihrem muskulösen Rappen nochmals gehörig die Beine lang, bevor sie sie sich zu unserem Trainer umschaute, der sein Gespräch beendet hatte und an der Musikanlage stand, um die Kür laufen zu lassen. Selbstbewusst hob sie die Hand und Numb von Linkin Park flog mir um die Ohren. Diese Kür hatte mal Power. So selbstbewusst, wie sie diese Kür absolvierte,würde ich auch einmal gerne reiten. Doch auch bei ihr schlichen sich kleine Fehler ein. So waren zum Bespiel die zweier Wechsel nicht sauber gesprungen und im starken Trab fing er an zu takten. Auch sie wurde nach ihrer Kür nochmals von Dr. Pelder instruiert und dann war es auch schon Zeit für die vorletzte Kür.

Das gelb angezogene Mädchen auf ihrer eleganten Fuchsstute ritt ruhig und mit einer Routine, bei der es eine Freude war zu zusehen. Die Stute unter ihr tanzte und das rothaarige Mädchen führte sie sanft aber bestimmt durch das Viereck. Sie würde eine ganz große Konkurrenz darstellen! Denn bei ihrer Kür, die nur mit sanften Klavierklängen untermalt war, war nichts dm Zufall überlassen und ihr unterlief auch kein Fehler. Gespannt blickte ich auf das Gesicht unseres Trainers. Was er wohl von diesem Ritt hielt? Würde ich überhaupt eine Chance haben? Würden Danci und ich das Internat nächste Woche schon wieder verlassen müsen? All diese wirren Gedanken schossen mir durch den Kopf und ließen sich auch nicht von mir einfangen, um sie in die Verbannungskiste zu werfen.

"Valerie! Du bist dran!" riss mich Samantha aus meinen Gedanken. Nun war Showtime angesagt!

PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt