Kapitel 19

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„Valerie! Aufwachen! Wir sind endlich da!" Michi weckte mich rabiat, indem er mir mit dem Zeigefinger unsanft in die Seite stieß. „Och man Michi! Ich weiß genau, dass wir gerade noch auf der Autobahn nach NRW sind und nicht schon vor den Toren des Internats stehen!" grummelte ich, ohne die Augen zu öffnen. Ich war mir ziemlich sicher, mich gerade eben erst von Charly verabschiedet zu haben und in den Truck gestiegen zu sein. „Na dann hast du wohl echt viel verschlafen! Schau mal aus dem Fenster!" lachte Michi und ich öffnete stirnrunzelnd die Augen. Vor unserem LKW erhob sich groß und unpassierbar das schmiedeeiserne Tor des Internats. Wie gesagt, ich war mir ziemlich sicher gewesen. „Wie lange habe ich geschlafen?" fragte ich hektisch und linste auf das Display des Trucks. 17.35 Uhr. Mist! Um 18 Uhr sollte ich geduscht und mit frischen Klamotten in der Cafeteria des Internats sitzen, an meinem Sektglas nippen und auf die Verkündung der nächsten Küraufgabe warten. „Duuhu Michi? Ich könnte ganz dringend deine Hilfe brauchen!" bettelte ich und sah den Schwaben mit dem rotbraunen Rauschebart und den haselnussbraunen Augen flehend an. „Ist schon gut Valerie! Ich kümmere mich um Danci und mache den LKW fertig! Versprochen! Du brauchst dir keine Sorgen machen." Er zwinkerte mir lächelnd zu und ich umarmte ihn kurz, nur um dann aus meinem LKW zu springen und über den akkurat gemähten Rasen zu meinem Zimmer zu rennen.

„Nun ihr Lieben! Herzlichen Glückwunsch! Ihr habt es alle geschafft eine Runde weiterzukommen und habt eindrucksvoll euer Potential unter Beweis gestellt. Christian, Isabella und ich könnten nicht stolzer auf euch sein." Georgies wohlwollender Blick lag eine Sekunde lang auf mir, bevor er sich wieder abwendete und weitersprach.

„Nun könnt ihr euch aber gar nicht lange ausruhen, denn in zwei Wochen geht es schon wieder weiter. Das mag zwar jetzt lange klingen, doch für die nächste Kür haben wir uns etwas Besonderes einfallen lassen. Und zwar werdet ihr die Kür nächste Woche nicht auf einem Turnier vorstellen, sondern wir werden nach Ankum reisen und dort eure Küren am Showabend vorstellen. Ihr fragt euch jetzt sicherlich, warum ausgerechnet Ankum, doch hier kommen wir schon zu meiner Überraschung. Wir konnten mit den Auktionsleitern einen Deal schließen: Jede von euch bekommt ein Pferd der Elite- Auktion zugewiesen und darf damit die Kür am Samstag reiten, jedoch muss die Reiterin das Pferd dann auch während der Auktion perfekt vorstellen, so dass es zu Spitzenpreisen kommen wird." Ein kurzer Applaus unterbrach Georgie bei seiner Ansprache. „OMG! Von AMKUM!" kreischte mir Alice ins Ohr. Auch ich war begeistert, da in Ankum jedes Jahr die Besten der Besten über die Auktionsbühne tanzten und nicht selten wurden die Pferde für mehrere Millionen weiterverkauft.

„Aber nun zu der Aufteilung: Noah Sofie bekommt Desaster, Marleen Danciano, Sam New York, Elena Big Dream, Tamara Now or never, Alison Barco Noir, Alice Spotifi, und Valerie Olympio. Ihr könnt natürlich sofort in die Stallungen gehen. Die Pferde von Marleen, Sam und Valerie stehen im Hengststall der Springpferde, die restlichen Pferde sind im normalen Dressurstall untergebracht. Macht euch schon einmal mit eurem neuen Sportpartner bekannt und findet die passende Kür zu dem Thema Action!"

Ich sprang sogleich auf und lief gespannt den nassen und von Laub überzogenen Weg zu den Hengststallungen entlang. „Bitte lass es ein Rappe sein!" dachte ich und blieb schlitternd vor dem großen Tor stehen, dass mich von den Hengsten noch trennte. Neugierig öffnete ich die Tür und ein dunkles Wiehern begrüßte mich. Etwa 20 Hengste streckten gespannt ihren Kopf aus den Fenstern und musterten mich interessiert. „Na ihr Hübschen, wer von euch ist denn jetzt Olympio?" fragte ich in die Runde und strich sanft über die Nase eines großen Braunen, an dessen Box ein Messingschild mit dem Namen New York hing. Das war also Sams Pferd. Ich ging leise weiter und las neugierig auf den Schildern den Namen und das Pedigree der Pferde. Ein Rappe viel mir jedoch sofort auf. Sein edler Kopf mit einem sehr schönen Stern auf der Stirn und einem kleinen Nasenstrich, stach mir ins Auge und ließ mich nicht mehr los.

Wie in Trance lief ich auf ihn zu und streichelte sanft seinen Hals. Dann fiel mein Blick auf seinen Namen. Danciano. Nein! Wo war denn jetzt mein Pferd. Missmutig blickte ich umher, konnte jedoch auf keinem der Namenschilder den Namen meines Pferdes finden. Mit einem kleinen Seufzen löste ich mich von Danciano und ging weiter, um weiter auf den Namensschildern nach meinem Olympio zu schauen. Als ich schließlich zur vorletzten Box ankam, stand ein großer und äußerst muskelbepackter Fuchshengst mit einem unregelmäßigen Stern auf der Stirn und einer Schnippe auf der Nase in einer Ecke.

Er wirkte eher introvertiert und war so gar nicht mit dem eleganten Rappen Danciano zu vergleichen. Schon böses ahnend linste ich auf das Namenschild. Olympio ein gekörter Hengst von De Niro aus einer Jazz Mutter. Schon Erfolge bis S**.Das stand in schnörkeligen Lettern auf dem Messingschild. Dann gehörte das, einem Kaltblut nicht unähnlich sehende Pferd nun also mir. Na das konnte ja mal einen Spaß werden, da ich nur eine leichtfüßige und äußerst kleine Stute gewohnt war und mich mit diesem Schiff von Pferd erst einmal einfinden musste. Marleen hatte inzwischen ihren Hengst Danciano entdeckt und stieß einen spitzen Freudenschrei aus.

„OMG! Ist der nicht der Hammer! So gewinne ich die nächste Kür bestimmt!" sie lachte diebisch und ich spürte, wie eine Woge der Eifersucht über mich hinwegschwappte. Warum hatte sie nur so viel Glück und hatte ein tolles Pferd zu reiten und ich musste mich hier mit einem Kaltblut ähnlichem Viech abgeben? „Und Valerie, wie gefällt dir Olympio? Er ist dreifacher Bundeschampion geworden und konnte in Niedersachsen schon eine S** gewinnen! Er ist der absolute Geheimtipp der Kollektion meiner Meinung nach!" Christian Heser hatte sich unbemerkt neben mich gestellt und betrachtete Olympio aufmerksam.

„Ich weiß nicht so recht. Ich bin doch hauptsächlich nur Danci gewöhnt, und die ist kleiner und leichter, als er hier!" ich deutete auf seinen beachtlichen Hengsthals und musterte mein neues Pferd mit Sorgenfalten auf der Stirn. Doch anstatt mir zustimmend recht zu geben und mir sofort ein neues Pferd zu geben, lachte er einfach. Er LACHTE einfach!?! Was bildete er sich eigentlich ein? „Ach Valerie. Genau deshalb haben wir dir doch Olympio ausgewählt! Du sollst über dich hinauswachsen und lernen, mit vielen Pferden klar zu kommen. Und mach dir keine Sorgen wegen Olympio. Isabella, ich und vor allem Georg glauben fest an dich und dein Talent und sind uns sicher, dass du ihn nächsten Wochen vorstellen wirst, wie keine andere es hier kann!" er zwinkerte mir verschwörerisch zu, bevor er sich zu Marleen umdrehte und von dannen zog. Seufzend betrachtete ich Olympio und hoffte, dass morgen früh während des ersten Trainings all meine Sorgen weggewischt werden würden.

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