Kapitel 53

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Mit weit aufgerissenen Augen tänzelte Danci durch die Showhalle in s'Hertogenbosch. "Valerie, warte!" rief mir Alison zu und trieb ihre Stute noch weiter an, bis sie neben mir ritt. "Wie geht es dir vor dieser Kür? Ich glaube, ich bin noch nie vor so einem großen Publikum geritten." Raunte sie mir zu und blickte ehrfürchtig auf die langen Ränge, die scheinbar endlos bis unter die Decke reichten. Da konnte ich ihr nur zustimmen. Bis auf Stuttgart hatte ich noch keine so große Halle gesehen. "Alison! Valerie! Sam! Beeilt euch! In fünf Minuten beginnt die Grand Prix Kür!" mit diesen Worten scheuchte Georgie uns aus der Showhalle und führte uns zurück auf den Abreiteplatz, auf dem gerade die besten Reiter der Welt, sich auf ihre bevorstehende Kür vorbereiteten. "Schau mal! Da drüben reitet Isabella!" Sam war auf meine andere Seite geritten und deutete unauffällig auf unsere Jurorin, die sich für die heutige Kür auf ihr Erfolgspferd Weihnachten gesetzt hatte. Die Stute galoppierte gerade mit schwungvollen Bewegungen unter ihrer Reiterin und hatte die Ohren zu Isabella umgedreht, als würde sie auf jedes Wort hören, dass sie sagte. Vielleicht tat sie das ja auch.

"Val, schau mal, wer uns heute auch mit einem Besuch beehrt!" feixte Sam und deutete auf die Absperrung, hinter der Charly, die sich eng an Logan geschmiegt hatte, und London mir lächelnd zuwinkten. "Hallo Prinzesschen! Hab ich dir schon gesagt, dass du umwerfend aussiehst?" sagte London mit einem Lächeln, als ich auf sie zugeritten kam. Promt färbte sich mein Kopf wieder in altbekanntem tomatenrot und ich beugte mich schnell zu ihm herunter, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu hauchen, bevor jemand noch meine rote Birne bemerkte. Dass London und ich mit diesem Kuss noch viel mehr Aufregung erregten, bemerke ich erst, als ein wahres Blitzlichtgewitter losbrach. "Mist!" flüsterte ich und wollte mich schlagartig wieder aufrecht hinsetzten, als London mich sanft im Nacken festhielt. "Lass sie doch ihre Fotos machen!" hauchte London liebevoll. "Dann weiß jeder, dass du zu mir gehörst!" Ich schmolz dahin und als London mich nochmals küsste, war meine Welt perfekt. "Meine Nerven! Könnt ihr nicht mal fünf Minuten die Finger voneinander lassen? Valerie, du solltest lieber dein Pferd wieder in die Box bringen, für deine Stute wird es heute noch anstrengend genug!" polterte Georgie los und musterte uns mit einem strengen Blick. "Ist schon gut Georg, jetzt reg dich mal nicht so auf! Valeie hatte gerade vor, Danci in den Stall zu bringen!" beruhigte mein Freund den aufgebrachten Trainer und zwinkerte mir verschwörerisch zu. "Das will ich aber hoffen! Los hopp hopp in den Stall!" befahl mir Georgie und stapfte schon weiter, um Sam und Alison ebenfalls eine Gardinenpredigt zu halten. "Wir sehen uns gleich Prinzessin!" versprach London und verschwand durch die immer dichter werdene Menschenmenge in Richtung der Stallzelte.

"Und nun begrüßen sie mit mir Valerie Winterhagen und Dancing Dynamite!" das Publikum klatschte höflich, doch ich konnte mich gar nicht darauf konzentrieren. Danci tänzelte nämlich wieder unruhig unter mir und beäugte das Publikum mit großen Augen. "Ist schon gut mein Schatz! Die werden dir nichts tun!" flüsterte ich meiner Fuchsstute beruhigend zu und tätschelte ihr nochmals den verschwitzten Hals. Dann klingelte auch schon die Glocke. Nachdem ich Danci nochmals den Hals getätschelt hatte, hob ich die Hand und ließ Danci zu den Klängen von "We will rock you" passagieren. Hans hatte mir zu hundert Prozent versprochen, dass die Band Queen auch wirklich aus England kam und ich mit dieser Musik nicht meilenweit am Thema vorbeirauschte. Um jedoch noch mehr britischen Flair auszustrahlen, den unser heutiges Kürthema verlangte, hatte ich mir einen speziell angefertigten Frack nähen lassen, der mit kleinen glänzenden Pailletten die Flagge Großbritanniens darstellte. Auch Danci hatte sich verkleiden müssen und so schimmerten sowohl ihr Stirnband, als auch ihre Schabracke in den typischen Farben Großbritanniens. Also glänzten mein Pferd und ich besser als jede Diskokugel und tanzten so über den hellen Sand. Doch Danci wirkte bei allen ihren Bewegungen nicht so locker und durchlässig, wie Georgie ihre fehlende Lockerheit benannt hätte, und beäugte das Publikum und vor allem den Blumentopf, der hinter der weißen Umrandung aufgestellt worden war mit kritischen Blicken. Und so kam es wie es kommen musste und, als Danci und ich gerade auf der Mittellinie eine Galopppirouette ansetzten wollten, blieb sie plötzlich stocksteif stehen und beäugte das Blumengesteck mit weit aufgerissenen Augen. Ich biss die Zähne zusammen, bevor ich ihr kurz den Hals beruhigend tätschelte und sie wieder angaloppierte um nochmals auf die Pirouette abzuwenden. Danach folgten zum Glück nur noch die Einerwechsel und die Diagonale im Mitteltrab, was sie beides brav mitmachte, bevor ich auch schon wieder auf die Mittellinie abwenden durfte und meine Stute zum Grüßen durchparieren durfte.

"Das waren Valerie Winterhagen und Dancing Dynamite!" trällerte der Ansager wieder in sein Mikrofon und das Publikum klatschte verhalten. Oh man. Da hatten Danci und ich uns doch glatt auf den letzten Platz getanzt! "Und nun das Kommentar des Chefrichters..." gab der Ansager bekannt und alle Augen richteten sich auf den Richter bei C, der nun mit einem Mikrofon ausgestattet meinen Ritt beurteilte. "Wir haben hier heute von der ersten Minute an gesehen, dass die Stute heute nicht ihren besten Tag hat und da war es natürlich auch für die Reiterin schwierig, sie perfekt vorzustellen. Trotzdem eine gelungene Runde, die aber durch das Verweigern in der Pirouette deutlich an Prozentpunkten verloren hat. Deshalb konnte es heute nicht mehr wie 69, 34% geben." verkündete der Richter auf Englisch mein Todesurteil. 69%? Alison hatte zuvor beinahe 80% erhalten! "Oh Danci, was haben wir nur gemacht?" flüsterte ich niedergeschlagen und verließ mit Danci so schnell wie möglich die Showhalle. Im Tunnel kam mir Sam entgegen, die mir einen mitleidigen Blick zuwarf. "Oh Mensch Süße! Du Arme! Wir reden später okay?" raunte sie mir zu, bevor sie in die Showhalle einritt.

"Diese Arschlöcher!" fauchte ich und starrte mit blitzenden Augen auf mein Handy. "Was hat dir denn die Kresse verhagelt?" fragte Michi gutmütig, der neben mir im Truck saß und diesen nach Hause lenkte. "Dieser Kuss hat wohl kein Glück gebracht!" las ich laut den Titel der Schlagzeile vor, die von einem der Reitsportblätter veröffentlicht worden war. "Valerie Winterhagen hatte heute in ihrer Kür wenig Glück, ihre Stute Dancing Dynamite, die schon in den vorherigen Küren immer wieder die Nerven verlor, verweigerte ihrer Reiterin heute im Viereck komplett den Dienst und stoppte in der Galoppirouette. Der bittere letzte Platz mit 69, 34% war die Folge dieses Fauxpass. Und dass obwohl ihr neuer Boyfriend London Fischer (18) ihr zwei Stunden zuvor noch auf dem Abreiteplatz einen fetten Schmatzer gab. Vielleicht hat Valerie ja nicht nur in der heutigen Kür aufs falsche Pferd gesetzt..." "Oha!" war Michis einziger Kommentar zu dieser äußerst beschämenden Schlagzeile. "Die haben gesagt, dass ich nicht nur Danci, sondern auch London absägen soll!" fauchte ich ungehalten und deutete mit großen Gesten auf mein Handy. "Ach komm schon. Equilove ist das Klatschmagazin der Reiterszene... Mach dir mal keine Sorgen darüber... Morgen ziehen die schon über jemand anders her! Schau dir nur Alison an, die wurde mit einer negativen Schlagzeile bedacht, weil ihre weiße Reithose aus der vorletzten Sommerkollektion stammt!" Michi hatte sich richtig in Rage geredet und schnaubte bei jedem Wort durch die Nase. "Trotzdem!" hielt ich stur dagegen. "Die können sich nicht einfach in mein Leben einmischen!" "Ach Valerie! Alles wird wieder gut!" versuchte Michi mich wieder aufzuheitern. "Nein, nichts wird gut. Kann es eigentlich noch schlimmer kommen?" muffelte ich und schob mich tiefer in den Sitz.

"Oh nein!" grunzte Michi kurze Zeit später und bremste den Truck langsam ab. "Was ist denn jetzt schon wieder?" gab ich hysterisch zurück und blickte aus der Windschutzscheibe in die stockdunkle Nacht, die nur von den Rücklichtern der Autos vor uns erhellt wurde. Moment mal... das waren echt viele Rücklichter auf einem Flecken... "Wir stehen im Stau!" bestätigte der Stallbursche meinen Verdacht und blickte mich mitleidig an.

"Aaaaaah!"

PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt