Kapitel 30

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"480 000 aus Frankreich, 500 000 aus Baden- Würtemberg, 530 000 aus Schweden..." der Auktionator hatte Mühe, die steigenden Angebote noch wahrzunehmen. Seit Olympio die Halle betreten hatte, war es mucksmäuschenstill. Keiner wollte den Verkauf- und vor allem den Verkaufspreis- dieses Ausnahmehengstes verpassen. Seit gut einer Minute trabte Olympio unter mir, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Sein stattlicher Hengsthals glänzte im Licht der Scheinwerfer und seine Ohren spielten aufmerksam. Sanft streichelte ich ihm über das kastanienbraune Fell und versuchte den Ritt auf ihm zu genießen. Denn es würde mein Letzter sein.

Suchend glitt mein Blick über das Publikum, bis ich sie schließlich fand. Meine Eltern saßen an der langen Seite der Halle und während mein Vater aufgebracht auf meine Mutter einsprach machte diese eine abwiegelnde Geste und drehte sich wieder mir und Olympio zu. In ihrer Hand glänzte etwas. War das etwa eines dieser Hochglanzbieterkarten, mit denen man an der Versteigerung mitbieten konnte? Wollte sie mir doch Olympio kaufen? Hoffnung stieg in mir auf, gepaart mit der unendlichen Freude darüber Olympio behalten zu können. "Olympio, du darfst doch bei mir bleiben!" flüsterte ich dem Hengst zu und ließ ihn angaloppieren. Mit weit ausgreifenden Galoppsprüngen durchmaß er die große Halle und wurde dabei von duzenden von Augenpaaren begleitet. "... 720 000 ist das neueste Gebot aus Bayern, die neu eingestiegen sind!" Verkündete der Auktionator und zeigte auf meine Mutter, die die Bieterkarte stolz in die Höhe hielt. Doch sofort streckte ein anderer seine Karte nach oben. "750 000 wieder aus Frankreich, 770 000 aus Schweden noch einmal und dann wieder Bayern mit 800 000!" versuchte der Auktionator die Kontrolle zu behalten. Das Publikum klatschte anerkennend und es wurde ein kurzer Tusch gespielt.

"Ruhe meine lieben Zuschauer. Wir sind doch noch lange nicht am Ende angekommen! Hier sehe ich 840 000 aus Frankreich nochmals, 870 000 aus Baden- Würtemberg, das wird ja ein richtiges Süd- Duell. Nein, jetzt schaltet sich nochmals Schweden ein, 890 000? Nun gut, mühsam ernährt sich der Auktionator." Wo blieb das nächste Angebot meiner Mum?

Ich parierte Olympio zum Schritt durch, bekam jedoch sofort von Georgie über den Funk, der als kleines Ohrstöpselchen in meinem Ohr befestigt war, die Anweisung ihn passagieren zu lassen, um den Preis noch weiter zu steigern. Missmutig gab ich die Hilfen und Olympio genoss die Aufmerksamkeit und passagierte- wenn möglich- noch schöner als in der Kür am Samstag. "... Nun sind wir schon bei 950 000 Euro angelangt und immer noch ist kein Ende in Sicht! Bayern hat anscheinend aufgegeben, Schade, dann wird es ein Duell zwischen Frankreich, Schweden und Baden- Würtemberg!" Die Erkenntnis überrollte mich wie ein 30 Tonner. Ungläubig starrte ich zu meiner Mutter, die meinen Blick auffing und ergeben mit den Schultern zuckte.

Nun sah ich alles nur noch verschwommen. Undeutlich konnte ich verstehen, dass der Preis bereits bei 1 Million Euro lag. Doch das interessierte mich nicht mehr. Dies würde mein allerletzter Ritt auf diesem Ausnahmehengst sein, den ich trotz anfänglicher Probleme in mein Herz geschlossen hatte. Als würde Olympio verstehen, dass es unser letzter Ritt zusammen war, schnaubte er einmal leise und piaffierte auf der Stelle, immer im Takt. Er war einfach ein Weltklassepferd! Warum nutzt du das nicht noch einmal aus? fragte eine kleine Stimme in meinem Kopf. Genau! Warum sollte ich nicht? Jetzt konnte der Preis nicht mehr höher werden! Also galoppierte ich Olympio an und wendete auf die Diagonale ab, um noch einmal die perfekt nach oben gesprungenen Einerwechsel zu erleben. Er gab sich große Mühe und so fühlte es sich an, als würde ich auf Wolken schweben! Am Ende der Diagonale holte ich ihn aufs Hinterbein zurück und wendete sogleich wieder auf die Mittellinie ab, die in regelmäßiger Reihenfolge von winterlich dekorierten Blumentöpfen gesäumt war.

Bei X versammelte ich ihn nochmals und gab die Hilfe zur Pirouette. Olympio reagierte sofort und sprang in einem so kleinen Radius, dass ich ein Lob von Georgie über den Funk bekam. "Valerie! Super! Wenn du so weitermachst, kommen wir sogar an die 2 Millionen ran!" er klang sehr erfreut, doch mir stieg die kalte Galle hoch. Warum hatten manche Menschen nur so viel Geld, um 2 Millionen Euro für ein Pferd auszugeben?!? Doch schnell konzentrierte ich mich wieder auf Olympio und bemerkte erst als die Musik laut aufgedreht wurde, dass er nun verkauft worden war. Mit einem Tränenschleier über den Augen blickte ich auf die Anzeigetafel.

1 780 000€ blinkten mir dort entgegen! "Scheiße!" entfuhr es mir. "Mensch Valerie, weißt du nicht mehr was man machen muss, wenn dein Pferd endgültig versteigert wurde?!? Wink dem Publikum nochmal zu und dann reite zur Türe raus!" befahl mir Georgie nun leicht genervt und ich kam dieser Aufforderung mechanisch nach.

Eine einzelne Träne tropfte auf das kastanienbraune Fell des Hengstes, der auf den Namen Olympio getauft worden war. Ich war mir sicher: Er würde es einmal schaffen auf die vordersten Plätze der Weltrangliste zu tanzen! Doch nicht mit mir.

Denn Olympio war verkauft.

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