s e t t e

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• Havana - Camila Cabello •

Lucian sah mich verwirrt an. Ich winkte ab und lief zu seinem Auto.
„Bitte, es ist dringend!" Eigentlich hätte ich gar nicht betteln müssen, stellte ich fest. Denn er stieg in den Wagen, ohne einen Kommentar abzugeben und startete den Motor.

Er schien die Route zum Krankenhaus auswendig zu kennen, was nicht verwunderlich war, denn er hatte mich immerhin oft dort besucht. „Was willst du eigentlich dort?", fragte er schließlich.

„Die Verlobte von meinen Bruder liegt in den Wehen und er dreht fast durch, so wie er am Telefon geklungen hat."

Nebenbei erkannte ich, wie Lucian sich beinahe unmerklich verkrampfte. Ich ignorierte dies und schob es auf den ungewöhnlich dichten Verkehr. Wir kamen nur langsam voran und ich zupfte genervt an meinen Fingernägeln herum. Ich musste unbedingt wieder ins Nagelstudio, der alte Lack war beinahe komplett abgeblättert.

„Was passt besser? Magenta oder Taupe? Oder soll ich doch lieber Spektralblau nehmen? Warte kurz. Passt Neyronrosa nicht viel besser zu meinen Lippen? Aber Ormolu unterstreicht meinen Charakter."

„Ähm...was?", erwiderte Lucian zögernd.

„Na, was besser zu mir passt." Ich kicherte.

„Nimm doch dieses Oma Lulu oder so."

„Ormulu! Meine Güte, Lucian! Das ist eine ernstzunehmende Bildungslücke! Du hast das Recht auf Bildung und diese ist besonders wichtig! Du musst die verklagen!"

Der Wagen hielt auf dem Krankenhausparkplatz und Lucian sah mich irritiert an. „Es gibt im Krankenhaus auch einen stationären Psychiater. Ich meine, die Gehirnerschütterung scheint doch mehr zerstört zu haben, als Anfangs angenommen."

„Luc!", kreischte ich entsetzt und registrierte gar nicht, dass ich ihm soeben einen Spitznamen verpasst hatte. „Ich bin nicht irre!"

Beruhigend legte er seine Hand auf mein Knie. Er konnte ja nicht wissen, dass diese Geste alles andere als beruhigend auf mich wirkte. Im Gegenteil, sie brachte mein Blut zum Kochen, und bewirkte, dass Hitze mir nicht nur ins Gesicht, sondern auch in den Bereich einige Zentimeter überhalb seiner Hand schoss.

Ich brauchte dringend mal wieder Sex, man merkte ja, wohin der Entzug führte. Schnell besann ich mich und schnallte mich ab.

Okay. María bekam ein Kind, mein Bruder war am Durchdrehen, ich sollte jetzt aufhören, über mein unbefriedigendes Sexleben nachzudenken, sondern aussteigen und das Krankenhaus betreten. Nur war das Ganze schwer umzusetzen, wenn sich direkt neben mir ein wirklich gut aussehender Typ befand. Nachdem ich es endlich geschafft hatte, aus dem Auto auszusteigen, wartete ich, bis Lucian abgeschlossen und zu mir aufgeholt hatte.

Gemeinsam betraten wir das Krankenhaus und ich schaute kurz auf mein Handy. Mein Bruder hatte mir eine SMS geschickt.

Station 4, Saal 412.

Also drückte ich auf den Knopf des Aufzugs, der mit einer fett gedruckten, bereits zerkratzen Vier beschriftet war und beobachtete, wie die Türen sich schlossen.

Lucian stand neben mir und wirkte verkrampft. Vielleicht hatte er schlechte Erfahrungen mit Krankenhäusern, was wusste ich schon. Die kurze Fahrt verlief schweigend und ich ertappte mich dabei, wie ich den Spanier aus den Augenwinkeln anstarrte und mich in einen der zahlreichen Filme wünschte, in denen die Protagonisten im Aufzug knutschten.

Mit einem Ping öffneten sich die Türen und ich trat auf den weißen Gang. Hatte ich mir nicht eigentlich geschworen, so schnell nicht mehr ins Krankenhaus zu kommen?

„Eindeutig zu viel Weiß für meinen Geschmack.", murmelte ich genervt und verengte meine Augen zu schmalen Schlitzen.

Das künstliche, viel zu helle Licht spiegelte sich in dem weißen Linoleumboden und brannte schmerzhaft in meinen Augen, die noch immer an das diesige Licht im Aufzug gewöhnt waren. „Lila! Endlich!" Aufgelöst umarmte mich mein Bruder und begrüßte auch Lucian mit einem kurzen Nicken.

Fragend kräuselte ich die Stirn. „Wieso bist du nicht bei María?", wollte ich wissen.

„Sie lassen mich nicht rein!" Ashton fuhr sich durch seine Haare und zog an den Spitzen.

„Hä?", erwiderte ich nicht sonderlich intelligent. „Ich dachte, der Vater wäre bei der Geburt dabei?"

„Eigentlich schon. Aber sie lassen mich nicht zu ihr, ich habe alles versucht." Abermals spielte mein Bruder mit seinen Haaren, die komplett durcheinander waren.

„Beruhig dich erstmal, Ashton! Es hilft niemandem, wenn du jetzt anfängst, zu heulen oder eine Panikattacke kriegst." Er drückte dankend meine Hand und ich lächelte ihm zu.

„Keine Ahnung, wie lange so eine Geburt dauert, aber das schaffst du schon! Du hast schon viel Schlimmeres durchgemacht, das packst du!"

Ich hatte gut reden, aber wer war ich, wenn ich eine Situation wie diese nicht ausnutzte? Wenn ich endlich mal diejenige war, die Ashton beruhigte und nicht umgekehrt. „Lila...Ich muss los. Ich habe noch einen Termin!", stammelte plötzlich Lucian und schon war er verschwunden. Ich blickte auf mein Handy, es war kurz nach 23 Uhr. Einen Termin hatte er jetzt ganz sicher nicht mehr.

Doch was war geschehen, dass ein Krankenhaus einen erwachsenen Mann so aus der Fassung bringen konnte? Ich wusste, ich würde es nie erfahren und dies versetzte mir einen schmerzhaften Stich. Als mein Blick wieder auf meinen Bruder fiel, verbannte ich jedoch meine Gefühle aus meinen Gedanken. Jetzt gab es Wichtigeres. Über meine - oder Lucians - Probleme konnte ich auch später noch nachdenken.

Und so kam es, dass ich mit meinem Bruder auf unbequemen und, wer hätte es geahnt, weißen Plastikstühlen saß und ihn daran hinderte, völlig durchzudrehen. Vorhin hatte ich einen Arzt angeschrieen, wieso bitte Ashton nicht zu María durfte, doch gebracht hatte es nichts. Wir sollten abwarten, mehr hatte der Kitteltyp nicht gesagt.

Mittlerweile war es kurz vor vier Uhr morgens und ich wäre bereits mehrmals eingeschlafen, wenn mich nicht Ashton daran gehindert hätte. Nicht, indem er mich wachgehalten hatte, sondern weil ich Angst hatte, dass er durchdrehen würde, wenn ich ihn nicht beruhigen würde.

Unsere Eltern waren vorher kurz gekommen, doch wir hatten sie wieder nach Hause geschickt, mit der Begründung, dass sie schlafen sollten und wir schon zurechtkommen würden.

„Mr. Rodríguez? Sie dürfen nun zu ihr." Um beinahe fünf Uhr kam endlich ein Arzt und sprach die erlösenden Worte, die Ashton dazu veranlassten, wie von der Tarantel gestochen aufzuspringen und dem Arzt zu folgen.

Ich blieb sitzen, dachte über meine Nägel nach und dann sackte mein Kopf zur Seite und ich schlief ein. Einfach so. Im Krankenhaus. Auf einem weißen, unbequemen Plastikstuhl.

• • •
Uff, Leute. Ich habe einen Sprachfehler.
Normale Leute = China
Ich = Chinesien
Heute in Geographie habe ich tatsächlich dauernd von Chinesien gelabert, niemand hat gecheckt, was ich meine, bis auf den Lehrer. An dieser Stelle, sollten Sie das hier jemals lesen, lieber Geographielehrer, ich danke Ihnen sehr für Ihren nicht existenten, dezenten Hinweis auf meinen Fehler.
Wegen Ihnen habe ich mich vor der kompletten Klasse zum Affen gemacht. Danke. *übertrieben künstlich lächel*

Ich geh mich jetzt aufregen und zur Beruhigung Spekulatius futtern, hab euch lieb!
Eure Ms_Creatix

Lucian| ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt