t r e n t a

1.3K 74 22
                                    

• Dusk Till Dawn - Zayn ft. Sia •
Lesenacht 2/3
(Oben angehängt ein Bild von Lucas, ihr könnt ihn euch aber auch selbst vorstellen, Quelle: Instagram, @andreadamante)

Lucian

Lucian wich Lilas gespanntem und neugierigem Blick aus und starrte auf die silberne Uhr an seinem Handgelenk. Der Zeiger schien sich kaum vom Fleck zu bewegen und er war sich sicher, dass die Zeit noch nie so unendlich langsam vergangen war.

Irgendwann musste er aber anfangen, zu erzählen. Es blieb ihm sowieso nichts anderes übrig. Er kannte Yaiza - und Jenna - und wusste, dass die beiden durchziehen würden, was sie sich vorgenommen hatten.

„Ich weiß nicht, wie weit du gelesen hast, oder ob du vielleicht schon alles weißt, aber ich werde jetzt ganz von vorne beginnen. An dem Zeitpunkt, als mein Bruder Lucas gestorben ist."

Es fiel Lucian unendlich schwer, diese Worte auszusprechen. Lucas. Er war nie über den Tod seines geliebten Bruders hinweggekommen. Jetzt war er dreißig, Lucas seit fast neun Jahren tot und es war immer noch so eine große Überwindung, über ihn zu sprechen.

„Lucas lag bereits mehrere Monate im Krankenhaus und es ging ihm ziemlich gut. Wir hatten Hoffnungen, dass er bald wieder nach Hause kommen würde. Aber dann verschlechterte sich sein Zustand plötzlich massiv und nach drei Tagen bekamen wir die Nachricht, dass Lucas es leider nicht geschafft hat. Ich weiß noch, dass ich es nicht glauben konnte. Ich habe gelacht, als ich es erfahren habe und es für einen schlechten Scherz gehalten. Schließlich ging es ihm doch so gut und die Ärzte meinten, dass er voraussichtlich in wenigen Tagen nach Hause kann."

Bitter lachte Lucian auf und spielte mit dem Kugelschreiber, welchen er in der Hand hielt, herum. Er spürte Lilas Blick auf sich, doch er sah nicht zu ihr.

Das einzige, was er sehen würde, wäre Mitleid. Und das brauchte er nicht, es machte seinen Bruder auch nicht mehr lebendig.

„Aber es war kein Scherz.", redete er schließlich weiter. „Es war die Realität. Lucas hat uns verlassen, einfach so. Genau wie bereits unser Vater. Und schuld daran ist nur diese verdammte Erbkrankheit. Sie hat mir zwei der wichtigsten Personen in meinem Leben genommen."

Er machte eine kurze Pause und wägte die Worte, die er als nächstes aussprechen würde, sauber ab.

„In den ersten Tagen nach seinem Tod hat sich kaum etwas verändert. Ich denke, man könnte es als eine Art Trance beschreiben. Keiner von uns, weder ich, noch meine Schwester oder meine Mutter realisierten wirklich, dass Lucas tot war. Wir lebten weiter wie bisher und redeten uns ein, dass Lucas nur immer noch im Krankenhaus lag. Doch als dann der Sarg mit seinem Körper in die Erde hinabgelassen wurde, wurden wir mit der Realität konfrontiert. Unser Bruder und der Sohn meiner Mutter war tot. Er war weg, für immer. Seitdem haben wir uns alle verändert. Ich habe angefangen, mich regelmäßig zu betrinken und Drogen zu nehmen."

Lucian erwartete, dass Lila jetzt etwas sagen, ihn unterbrechen würde, doch sie blieb still und ließ ihn erzählen. Er war froh, dass sie ihm keine Vorwürfe machte, denn er wusste selbst, dass er nicht besonders schlau gehandelt hatte.

„Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits ausgezogen, daher bekam meine Mutter nicht viel davon mit. Es wurde immer mehr Alkohol, den ich getrunken habe und schließlich wurde ich mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert. Und da kapierte ich, dass es falsch war, was ich tat. Meine Mutter hätte beinahe ihren zweiten Sohn verloren und das nur, weil ich so unendlich dumm war. Deshalb war ich gestern auch so genervt und auch ein wenig wütend, weil du dich genauso dumm verhalten hast, wie ich damals!"

Schuldbewusst senkte Lila den Kopf. Ich konnte sie verstehen, für sie war Alkohol ein Mittel um Spaß zu haben, um zu vergessen und nichts gefährliches. Mir war es nicht anders gegangen und ich hatte erst nachdem ich beinahe an einer Alkoholvergiftung gestorben wäre, verstanden, dass es eine nicht zu unterschätzende Droge war, die sehr viel Schaden anrichten konnte.

„Etwa drei Jahre nach Lucas Tod schlug das Schicksal wieder zu. Ich habe dir ja bereits von Xenia, meiner Schwester erzählt. Als sie gestorben ist, ist meine Mutter erkrankt. Sie hat schwere Depressionen, mehrmals hat sie versucht, sich selbst umzubringen. Die Trauer um ihren Mann und ihre Kinder hat sie krank gemacht."

„Oh Lucian, das ist schrecklich!" Lila strich über seinen Arm und er las ehrliche Bestürzung in ihren Augen.

„Der Psychiater riet mir, dass es das Beste für sie sei, wenn ich sie in eine Psychiatrie einweisen lassen würde. Ich war damals sehr wütend, denn ich wollte nicht glauben, dass mein Mutter krank war. Als sie sich schließlich die Pulsadern aufschneiden wollte, habe ich sie in die Klinik gebracht. Vielleicht lebt meine Mutter noch, doch innerlich ist sie bereits gestorben. Immer, wenn ich sie besuchen komme, fragt sie nach Xenia. Sie will nicht akzeptieren, dass sie tot ist. Es bricht mir jedesmal das Herz, wenn ich ihr sagen muss, dass Xenia nicht mehr lebt."

Lucian brach ab und atmete tief durch. Sein Leben war nie einfach gewesen und jetzt all die schlimmen Erlebnisse auszusprechen, war, als würde er sie noch einmal durchleben.

„Aber das schlimmste ist die Ungewissheit. Ich trage die Erbkrankheit ebenfalls in mir und sie könnte immer ausbrechen. Ich könnte daran sterben, genau wie mein Bruder und mein Vater. Kein Arzt kann mir sagen, ob mich die Krankheit verschont, oder ob ich vielleicht noch dieses Jahr an ihr sterben werde."

Lila starrte ihm entsetzt ins Gesicht. Ihr Blick wies kein Mitleid auf. Sie sah ihn verständnisvoll und offen an.

„Hast du deshalb Angst, dich an jemanden zu binden?", fragte sie.

„Wenn ich sterbe, wird es meiner Mutter, Jenna und Yaiza das Herz brechen. Ich will nicht noch mehr Personen verletzten.", erwiderte Lucian ehrlich. Denn das war der Grund, welcher ihn zurückhielt.

„Das ist verständlich. Aber überlege mal, Lucian. Es ist eine 50/50 Chance, dass die Krankheit ausbricht. Was ist, wenn du sie nie bekommst? Dann hast du ganz umsonst Angst gehabt. Dann wirst du sterben, ohne je gelebt zu haben. Denn das ist Leben. Ein Risiko einzugehen, bedeutet leben. Und selbst, wenn du die Krankheit bekommst: Du hast gelebt. Du hast geliebt. Und irgendwann wirst du sowieso sterben und jemanden verletzen. Es gibt immer Leute, denen du sehr wichtig bist. Du kannst nichts dagegen tun, dass du irgendwann stirbst und jemanden verletzt. Aber du kannst anfangen, zu leben und dein Leben zu genießen. Sei einfach mal egoistisch und tue das, was dir gefällt und was du willst!" Lila drückte seine Hand und lächelte ihn aufmunternd an.

„Und am besten fangen wir gleich bei uns an."

Sie setzte sich auf seinen Schoß, vergrub ihre Hände in seinen Haaren und küsste ihn. Lucian erwiderte den Kuss mit Hingabe und begann zu lächeln. So fühlte es sich also an, wirklich zu leben.

• • •
Meinungen? Verbesserungsvorschläge? Waren das zu wenig Emotionen^^?

• • • Meinungen? Verbesserungsvorschläge? Waren das zu wenig Emotionen^^?

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.
Lucian| ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt