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• Impossible - James Arthur •

Leute, mir geht die Musik aus! Schreibt mal eure Lieblingslieder in die Kommentare^^
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Lucians Blick wirkte verloren und huschte unruhig im Raum hin- und her. Er schluckte ein paar Mal und schien offensichtlich in Erinnerungen zu schwelgen. In negativen Erinnerungen.

„Es ist bereits sechs Jahre her, ich war vierundzwanzig, also nicht viel älter als du. Ich sollte schon lange darüber hinweg sein, doch die Vergangenheit wird mich nie loslassen, weil ich sie nicht mehr rückgängig machen kann, auch wenn ich mir nichts sehnlicher wünsche. Sie wird immer über mir schweben, wie ein düstere Wolke, und meine Entscheidungen beeinflussen."

Er spannte sich an und verkrampfte sich, während sich ein trauriger Schleier über sein Gesicht legte und seine Augen aufhörten, zu funkeln. Ich merkte, wie schwer es ihm fiel, über seine Vergangenheit zu reden. Es kostete ihn viel Überwindung, das sah man ihm deutlich an.

„Du musst es mir nicht erzählen, Lucian. Ich sehe, wie schwer es dir fällt. Niemand erwartet von dir, dass du darüber hinweg kommst, dein Alter spielt keine Rolle. Du darfst trauern, es ist egal, wie alt du bist oder welches Geschlecht du hast. Wieso sollten nur Kinder oder Frauen traurig sein dürfen?" Ich legte ihm sanft eine Hand auf den Arm und strich darüber.

Meine Worte schienen etwas in ihm auszulösen. Es war, als würde ein Damm brechen, der bereits zu lange den Wassermassen standgehalten hatte. Als würde das, was er so lange unterdrückt hatte, endlich an die Oberfläche gelangen.

Den während er sich langsam entspannte, kullerte eine einzelne Träne seine Wange hinab und fiel auf meine Hand.

Ich rutschte zu ihm und schlang meine Arme um ihn. Ich merkte, dass er das gebraucht hatte. Und auch, wenn ich nicht wusste, was er bereits alles erlebt hatte, ich wusste, dass er gerade endlich seine Gefühle zuließ, die er zu lange verdrängt hatte. Was auch immer ihn zurückgehalten hatte, zu trauern, ob es nun sein Alter war, oder die Tatsache, dass er ein Mann war und angeblich nicht Weinen durfte, gerade schien er es vergessen zu haben und es tat ihm gut, loszulassen.

Tröstend fuhr ich seinen Rücken auf- und ab und fühlte mich ein wenig so, wie früher, als meine Mutter mich getröstet hatte, wenn Ashton mich geärgert hatte. Ich wartete ab, bis er sich langsam beruhigte und sich ein Stückchen aufrichtete. Lange sah er mich einfach nur an.

„Danke.", sagte er schließlich und sah mich so dankbar und herzlich an, dass mir warm wurde.

„Es ist in Ordnung, Lucian." Seine Hand verschränkte sich mit meiner und er starrte auf den Fußboden.

Seine Augen waren leicht gerötet, doch genau die Tatsache, dass er Schwäche zeigte, berührte mich.

„Damals, vor sechs Jahren war ich anders, als jetzt. Ich war fröhlicher und habe das Leben nie wirklich ernst genommen. Ich hatte eine ältere Schwester, Xenia. Sie war vier Jahre älter als ich, also achtundzwanzig.", begann Lucian zu erzählen und ich schwieg. Ich ließ ihn erzählen, ohne ihn zu unterbrechen.

„Sie hatte einen Freund, Mitch und war schwanger. Die beiden waren glücklich zusammen und ich freute mich darauf, Onkel zu werden. Keiner von uns hatte mich etwas Schlimmen gerechnet, doch es passierte. Ich erinnere mich noch an den Tag, als wäre es gestern gewesen. Meine Schwester hat mich angerufen und am Telefon schluchzend irgendetwas gestammelt. Ich verstand sie erst nicht, doch dann erzählte sie, dass ein LKW-Fahrer in Mitchs Auto gerast und er gestorben war. Ich bin sofort zu Xenia gefahren und fand sie tränenüberströmt und...blutend. Es war eine Fehlgeburt, Lila. Sie war kerngesund und im siebten Monat, doch wegen dem Stress um Mitchs Tod kam es dazu. Ich fuhr sie ins Krankenhaus, doch auf dem Weg dorthin blutete sie immer stärker. Es war zu spät. Als wir endlich ankamen, konnten sie nichts mehr tun. Xenia ist gestorben, genau wie das Kind. Und alles ist meine Schuld. Wäre ich schneller gewesen, dann würde sie noch leben. Ich habe meine Schwester getötet!" Seine letzten Worte waren wegen der heftigen Schluchzer kaum noch zu verstehen, doch ich saß schockiert neben ihm.

Ich hatte absolut keine Ahnung gehabt! Und Lucian gab sich die Schuld für den Tod seiner Schwester, obwohl er absolut gar nichts dafür konnte! Wie lange musste er mit dem Gedanken gelebt haben, Xenia umgebracht zu haben?

„Es ist nicht deine Schuld, Lucian, hörst du?! Du kannst überhaupt nichts dafür, weder dafür, dass Mitch gestorben ist, noch dafür, dass deine Schwester deshalb eine Fehlgeburt hatte! Zu denken, dass es deine Schuld sei, ist das Falscheste, was ich je gehört habe!", rief ich aus.

„Nein, Lila. Verstehst du nicht? Wäre ich schneller gewesen, wäre Xenia am Leben! Es ist meine Schuld!"

„Dafür, dass du bereits dreißig bist, bist du verdammt dumm, Luc! Dich trifft keine Schuld, kapier das!" Sauer funkelte ich ihn an. Noch bevor ich realisierte, dass Lucian sich überhaupt bewegt hatte, hatte er mich bereits fest an sich gedrückt und seine Lippen auf meine gepresst.

Überrascht und mit wie wild schlagendem Herzen erwiderte ich seinen stürmischen Kuss und spürte, wie meine Gefühle überkochten. Das hier war tausendmal besser als alles, was ich mir vorgestellt hatte! Es war, als würden unsere Lippen perfekt aufeinander passen, ich schmeckte tatsächlich wie in meinem Traum ein bisschen Minze. Es fühlte sich unfassbar gut an. Was würde ich dafür geben, um diesen Moment aufnehmen und immer wieder abspielen zu können.

Keuchend lösten wir uns schließlich und Lucian sprang auf, seine Finger an seinen Lippen. Fassungslos sah er mich an.

„Es tut mir leid! Der Kuss war ein Fehler!"

Er verließ fluchtartig mein Zimmer und ich war wie erstarrt, nicht fähig, ihn aufzuhalten. Immer und immer wieder wiederholten sich seine Worte in meinem Kopf.

Es war ein Fehler.

Pulsierend schoss der Schmerz von meinem Herz aus durch meinen gesamten Körper und lähmte meine Zellen. Vier Worte, die mein Herz in Hunderttausende Einzelteile zersplittern ließen. Vier Worte, die mich so sehr verletzten, wie kein Waffe der Welt es schaffen konnte.

Und das war der Zeitpunkt, in dem ich mit leerem, versteinerten Gesichtsausdruck auf meinem Bett saß und realisierte, dass ich Lucian vielleicht doch mehr mochte, als ich es mir die gesamte Zeit über eingeredet hatte.

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Armer Lucian, arme Lila. Das ist das bis jetzt traurigste und tränenreichste Kapitel im ganzen Buch...
Was haltet ihr von Luc? Findet ihr, dass er nicht hätte weinen sollen? Allgemein, wie findet ihr es, wenn ein Mann weint?
Ich persönlich versteht das Ganze, von wegen, als Mann darf man nicht weinen, absolut nicht. Es tut gut, manchmal seine Gefühle zuzulassen und zu weinen. Ich finde, es ist etwas natürliches, etwas, was befreit und hilft, Trauer und schlimme Erinnerungen besser zu verarbeiten.

Ich wünsche euch noch einen schönen Abend und morgen einen tollen, 1. Advent, sollte ich kein Kapitel schaffen.
Hab euch lieb, eure Ms_Creatix

Lucian| ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt