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„Warum hat er dich gefragt, wieviel du wiegst?", fragte Levin vorsichtig, als John sich ein wenig beruhigt hatte. Kiara war gegangen und ihr Sohn blieb, sie würde ihn gegen Abend wieder abholen. Die zwei Jungen hatten es sich auf der Couch gemütlich gemacht und der Ältere versuchte irgendwie herauszufinden, was mit John los war.

„Das kannst du dir doch eigentlich denken, so dumm bist ja nicht einmal du."

„Ich will es aber von dir hören."

„Also gut, ich.. äh...", begann der Jüngere zu erzählen. „Mein Feund, also Flo, ist der Meinung, dass ich ein Problem mit dem Essen habe. Eine Essstörung. Er hat gesagt, er findet das nicht schön und dass er nicht weiß, ob er mich noch lieben kann, wenn ich wirklich mal zu dünn bin. Aber ich liege noch im Normalbereich."

Wieder bildeten sich in den Augen des Jungen Tränen und er gab sich Mühe, diese zurück zu halten.
Dieses Mal wurde er aber von Levin umarmt und nicht umgekehrt.

„Eine Krankheit ist doch kein Grund dich nicht mehr zu lieben. Statt dich anzumotzen, sollte er dir helfen, da wieder rauszukommen."

"Woher willst du wissen, dass ich krank bin?"

"Ich konnte doch sehen, wie du das Essen angesehen hast, was für eine große Angst du davor hattest, wie du in ihm rumgestochert hast und wie du nach jedem einzelnen Bissen etwas getrunken hast. Ich hab gesehen, wieviel du übrig gelassen hast, du hast deinen Spiegel umgedreht."

„Darf ich dich um einen Gefallen bitten?", fragte John plötzlich. „Klar" „Sag das nicht meiner Mutter." Er nickte nur.

Zwar predigte Levin im Moment, wie Florian sich eigentlich hätte verhalten sollen, doch er hatte selbst keine Ahnung, was er nun tun sollte. Mehr, als für ihn da zu sein, fiel ihm nämlich nicht ein und so versuchte er zumindest diese eine Sache gut zu machen.

"Früher oder später erfährt sie es doch sowieso.", unterbrach Levin plötzlich die angenehme Stille. "Ich meine, man wird es dir ansehen, verstehst du?"

"Ich bin viel zu fett, um magersüchtig zu sein, also rede nicht so 'nen Unsinn."

Sofort protestierte der Ältere: "Das ist doch kein Unsinn! Das muss man ernst nehmen, diese Krankheit ist tödlich."

"Warum ist dir das so wichtig? Warum willst du mir unbedingt helfen, du kennst mich nicht einmal wirklich."

"Weil jeder Hilfe verdient hat und ich mich um jeden Menschen sorgen würde, der sich selbst stückchenweise umbringt."

Nun war Johns Laune endgültig im Keller. Einer von vielen, das war er also für Levin. Er würde sich um jeden sorgen, es lag nicht an ihm. Vielleicht hatte er deswegen so gut wie keine Freunde, vielleicht war er wie jeder andere, vielleicht war er unsichtbar. Vielleicht hatte Levin deswegen kein Interesse an ihm und vielleicht stritt er sich deswegen mit Florian. Er war es einfach nicht wert, er war garnichts wert.

Zumindest dachte er das.

federleichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt