9. Dezember

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9. Dezember 

- Isn't She Lovely

Ihre kleinen Finger griffen nach den meinen. Ihre ganze Hand umfasste gerade mal meinen Zeigefinger. Sie war so klein und zerbrechlich und ich konnte es kaum erwarten, wenn Shawn durch die Tür trat. Dann war unsere kleine Familie komplett, doch das würde wohl noch ein paar Minuten dauern. Momentan saß Shawn noch in einem Taxi, das durch die Straßen Torontos hierher ins Krankenhaus raste. Mein Handy brummte fast durchgängig, weil er mich auf den neusten Stand hielt, wo er gerade war und wie lange er noch brauchte und auch wenn es mir Sorgen bereitete, dass der Taxifahrer seiner Bitte, schneller als gewöhnlich  zu fahren, nachgekommen ist, konnte ich es kaum erwarten, bis Shawn endlich hier war. Bis er hier war und seine Tochter im Arm halten konnte. Auch wenn ich mich damit der Gefahr aussetzte, dass ich die Kleine nie wieder im Arm halten durfte. Denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass er seine kleine Prinzessin je wieder freiwillig hergeben würde.

Es klopfte gerade an der Tür, als auch das kleine im Handtuch eingepackte Wesen die Augen öffnete. Sie schien wohl zu merken, dass nun der Moment gekommen war, in dem sie erstmals ihren Vater bestaunen konnte. Denn niemand geringeres öffnete langsam die Tür. Shawn war verschwitzt und seine Haare lagen wild durcheinander, doch das alles war egal, denn ein solches Lächeln wie jetzt hatte er noch nie getragen. Zögerlich kam er auf das Krankenbett zu und etwa einen halben Meter neben uns blieb er stehen. Er hatte nur Augen für seinen ersten Nachwuchs und als er seinen Blick hob und mich anschaute, sah ich dass die seinen glitzerten.

„Komm doch her.", sagte ich langsam und rutsche vorsichtig etwas zur Seite. Mit meiner freien Hand klopfte ich auf den freigewordenen Platz. Er zögerte noch, doch dann setzte er sich neben mich. Gemeinsam schauten wir auf unsere Tochter. Sie hatte meine Nase, doch ganz klar Shawns Mund, so wie seine Gesichtsform. „Sie ist die perfekte Mischung aus uns beiden.", murmelte Shawn und gab mir einen Kuss auf den Scheitel. „Ich bin stolz auf dich, Honey. „Stolz auf uns. Das hast du uns beiden zu verdanken.", meinte ich und drehte mich mit meinem Oberkörper zu ihm. „Willst du...?" „Du meinst? Ich darf sie...halten?", meinte er überrascht. Ich nickte ihm zu und wartete bis er sich an das hochgefahrene Kopfteil des Bettes gelehnt hatte, dann legte ich unser Meisterwerk an seine Brust, in seine Arme. Das war der Moment, in welchem mir die Tränen in die Augen stiegen. Wieder einmal am heutigen Tag. Shawn hatte es nicht zur Geburt geschafft, doch was zählte, war, dass er jetzt hier war. Es war ein einmaliger Moment, den wir drei teilten. Doch der Moment, in dem sich ihre Blicke trafen, gehörte nur ihnen. Ich war die Zuschauerin des  schönsten Films, den es geben würde. „Sie ist so klein.", meinte Shawn. Vorsichtig streichelte er ihre kleine Hand. „Ist sie nicht wunderschön?", fragte ich ihn. „Mehr als das. Sie ist das schönste, was ich jemals gesehen habe. So lange musste ich warten, doch jetzt.", Shawn schluchzte einmal auf. Die Freudentränen rollten in Bächen über seine Wange. „Doch jetzt ist sie da und ich verspreche, dass ich sie mit allem was ich habe beschützen werde. Mein Leben wird notfalls weichen müssen, damit ihres erhalten bleibt." „Shawn, du bist ein großartiger Vater!", meinte ich gerührt und legte ihm ein Arm um die Schulter. 

Vorsichtig und ohne die Kleine anzustoßen kuschelte ich mich an ihn. „Sie ist ein Geschenk der Engel. Sie verdient so viel.", meinte er und sah mich mit ernster Miene an „Deshalb werden wir beide alles dafür geben, dass es ihr gut geht, denn sie ist wertvoller, als alles andere, was man mit Geld erkaufen könnte.", meinte ich und hielt ihm meine Hand hin. Er verschränkte sie mit seiner. „Ich liebe euch.", meinte er und gab erst ihr und dann mir einen zärtlichen Kuss auf die Hand. „Ich dich auch und auch sie wird ihren Daddy lieben, weil er das Beste ist, was ihr jemals passieren konnte. Und das weiß sie, da bin ich mir sicher, auch wenn sie erst wenige Minuten alt ist." „Kostbare Minuten ihres einzigen Lebens, die ich schon verpasst habe.", meinte er bedauernd. Ich legte meine Hand an seine Wange und drehte seinen Kopf zu mir. „Wichtig ist doch, dass du jetzt da bist und mir verrätst, welchen Namen wir ihr geben." „Was hältst du von Angel?", blickte erst fragend zu unserer Kleinen und dann zu mir. „Sie verdient nicht weniger als diesen zauberhaften Namen. Denn sie wird immer unser Engel auf Erden sein. Shawn, der Name ist perfekt. Er ist perfekt für unsere Angel. Sie ist so hübsch, so lieblich wie ein Engel nur sein kann." „Ja, das ist sie, Honey.... Wer hätte gedacht, dass wir imstande dazu wären, ein solches Wesen auf die Welt zu bringen? Das unsere Liebe zueinander so stark ist, so etwas zu schaffen?"

Shawnmas - der Weihnachtskalender 2017Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt