Chris

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Nach der Schule warte ich bei strahlend blauem Himmel und zweiundzwanzig Grad Hitze auf dem Parkplatz. Solange ich zurückdenken kann, hat mich immer irgendeiner meiner Brüder mit nach Hause genommen, falls ich mich nicht gerade anderweitig verabredet habe.

Ryan kommt nicht. Sein roter Toyota Pick up steht einsam wie ein Mahnmal in der Wüste herum und wird nicht bewegt. Josh und seine Freundin Cathryn sind vor einigen Minuten Richtung Gaslamp Quarter losgefahren. Nicht mein Ziel! Wo Jake steckt, der ohnehin kein Auto hat ist mir ein Rätsel. Blake ist schon lange fort. Der einzige, der mich mitnehmen könnte ist ausgerechnet Taylor. Oh nein! Bitte nicht der!

Angeberisch und langsam marschiert er gemächlich auf seinen super gepflegten silbernen Mitsubishi Lancer zu. Dabei wirft er immer wieder die Schlüssel in die Luft und fängt sie auf. Ich weiß gleich, dass er mich bemerkt hat. Aber um mich zu ärgern, ignoriert er mich solange wie möglich. In meiner Nähe bleibt er stehen und sieht mich doof an. »Na? Wo ist denn dein Traumprinz abgeblieben?«, spottet er, während er die Umgebung mit seinen blauen Augen vergeblich nach Blake absucht. In Erwartung einer Antwort mustert er mich neugierig. »Hat heute Training!«

Taylor schweigt sich aus, grinst aber zynisch. Dann läuft er weiter und ich hüpfe albern hinterher. Plötzlich bleibt er so abrupt stehen, dass ich fast in ihn hineinrenne. Er mustert mich mit fragendem Ausdruck. Eine seiner Hände wandert hoch zu seinen Dreitagebart, um am Kinn damit herumzuspielen. »Was war denn das heute in der Umkleide? Hat deine Freundin mich etwa angemacht?« Er schaut mich von der Seite her prüfend an.

Ach ne! Sie hat dich als ihr nächstes Opfer für ihre Black-List in die Augen gefasst du Vollpfosten. »Eh nö! Ganz bestimmt nicht!« Mein Bruder lässt seine Hand sinken, funkelt mich wegen meiner Antwort düster an und setzt seinen Weg fort. Wir erreichen sein Auto. Angesichts Taylor's bösen Blickes beschleicht mich eine üble Vorahnung.

»Hey Dawny?«, sagt er, während er die Tür zu seinem Wagen aufschließt. »Was?«, über das Autodach hinweg suche ich seinen Blickkontakt. Da steigt er schnell ein, verriegelt von innen die Türen und braust davon. Mich lässt er einfach stehen. »Du blöder Vollidiot!« Ich tobe kurz vor Wut, aber das bringt ihn auch nicht zurück. Resigniert lasse ich mich auf die nächste Bank plumpsen und starre unzufrieden vor mich hin. Wieso sind die eigentlich alle so bescheuert zu mir heute? Taylor lässt mich auf dem Parkplatz stehen, Blake hat keine Zeit für mich. Meine beste Freundin wirft gleich mehrere Augen auf meine Brüder und mindestens einer von denen will mich am liebsten bei Dad verpetzen ... Wenn ich doch nur zaubern könnte. Ich würde sie alle in die Wüste zaubern ohne Wasser! Gnadenlos! Und ohne ihre doofen Autos! Beim Gedanken daran, wie Taylor versuchen würde ein Kamel zu beherrschen muss ich lachen.

Im direkten Sonnenlicht ist es ganz schön warm! Ich will weg! An den Strand! Aber wie komme ich jetzt nachhause, um meine Sachen zu holen? Da habe ich plötzlich eine Idee. Der fährt mich doch eh so gerne in der Gegend herum. Ich finde meinen Gedanken so lustig, dass ich darüber lachen muss.

Am anderen Ende hebt jemand ab. »Si?«

»Eric?« Hoffnung macht sich in mir breit. Meine Hände beginnen zu zittern. »Hola Dawny, mi corazón« Im Hintergrund am anderen Ende der Leitung sind die Stimmen von Erics Kollegen zu hören. Mein Bruder scheint sich in eine ruhigere Ecke zu verziehen, ehe er weiter spricht. »Ist ... Estás bien? Du klingst so komisch!«, stellt er fürsorglich fest. Anscheinend kann ich ihm nicht so leicht etwas vormachen, wie ich gedacht habe. Dankbar, das es so ist, lächle ich in mich hinein. Auf seine eigene verdrehte Art ist er doch ein toller Bruder! Trotz allem! Seine Worte und der Klang seiner weichen, vertrauten Stimme wärmen mein Herz.

»Du sollst mich doch nicht ... Schatz ... nie wieder Eric!«, lächele ich traurig in den Hörer hinein. Hör bitte nie damit auf!

»Ah si ...«, seufzt er am anderen Ende. Kurz herrscht Stille zwischen uns. Nur das gelegentliche Knacken der Telefonleitung lässt mich wissen, dass er noch nicht aufgelegt hat. »Sencillamente se me ha olvidado!«, flüstert er leise. Ich muss grinsen. -Natürlich hat er das vergessen! Oder sagen wir lieber -vergessen wollen! Was für ein Glück!

Dawn - Magisches ErwachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt