Eines Tages, Jake und Josh schleppen mich wieder einmal in die Schule, wie immer seit Eric's Tod, höre ich das erste Mal seit langer Zeit ganz bewusst Jake's Stimme, »denk dran, in Chemie ...«, ermahnt er mich im Gang, ehe wir den Klassenraum betreten. Gedankenverloren blicke ich ihn an. Ich habe ihm gar nicht richtig zugehört, weil ich so fasziniert von seiner Stimme gewesen bin. Es kommt mir nämlich so vor, als hätte er nur in meinen Gedanken zu mir gesprochen und nicht in echt.
Was hat er bloß gesagt?
Nur ein paar Minuten später ahne ich es. Ein Test steht an. Mist! Darauf habe ich nun wirklich keine Lust! So schnell ich kann, kritzele ich meine Antworten aufs Blatt. Danach stehe ich als Erste auf und gebe meinen Test bei Mr. Tyson ab. Ich bemerke auf meinem Weg zum Lehrerpult, wie meine Mitschüler mich ungläubig anstarren. Mr. Tyson nimmt meinen Test mit erstaunter Miene entgegen. Während ich mich auf den Weg aus dem Klassenzimmer mache, sehe ich, wie er mein Blatt missbilligend mustert und Jake herbeiwinkt. Was ist nun wieder verkehrt?
Ich denke nicht weiter darüber nach, sondern verlasse trotzdem den Klassenraum und warte im Flur drauf, dass auch die anderen endlich fertig werden sein würden. Noch während ich an die Wand gelehnt von Eric träume, erscheint Jake mit unseren Taschen in der Tür. Er hat seine Augenbrauen wütend zusammengezogen und mustert mich verärgert. Ich erwidere seinen bösen Blick fragend.
»Komm!«, ist alles was er sagt. Ich folge ihm und wir laufen zusammen zu Eric's BMW. Anscheinend hat Mr. Tyson uns nachhause geschickt. Soll mir nur Recht sein! Zu Hause in Eric's Zimmer oder im Keller bin ich Eric wenigstens näher als in der Schule und das ist das einzige, was ich überhaupt noch will.
Jake hat mir die Schlüssel abgeschwatzt und fährt. Er ist sichtlich sauer auf mich. Während der Fahrt schimpft er mit mir. Ich bekomme aber nicht einmal mit, warum überhaupt.
Eric!
Ich weine wieder mal, als wir die Auffahrt zu unserem Haus hochfahren. Kaum sind wir drinnen, steige ich die Treppen hoch, um mich in seinem Zimmer zu verkriechen.
»So früh schon wieder zurück?«, wundert Dad sich. Wortlos reicht Jake ihm meinen Test, mehr bekomme ich nicht mit.
*
Dean und Jake sehen sich verschwörerisch an, als Dawn oben die Tür hinter sich geschlossen hat.
»Irgendwas muss geschehen Dad! Schnell! Lange hält der Riss nicht mehr! Und ... und sie ist bis jetzt nicht nur nicht Erwacht, sie wäre selbst dann absolut unbrauchbar! Jedenfalls solange sie so wie jetzt ist!«, flüstert Jake. Dean sieht seinen Sohn erschöpft an. Die ganze Nacht hat er mit dem Rat zugebracht und trotz aller Bemühungen, ist es zu keinem Ergebnis gekommen. Niemand kann sich genau erklären, was vor sich geht. Auch hat keiner eine Ahnung davon, warum sie nicht an ihrem achtzehnten Geburtstag erwacht ist. Aber alle sind sich zum Schluss einig gewesen, dass es an ihrem desolaten Gemütszustand liegen müsse. Die ganze Sache blockiert sie. Und das ausgerechnet dann, wo sie immer dringender benötigt wird. Die Zeit wird immer knapper! Wenn der Riss nicht bald geschlossen würde, würde Chaos über die Welt hereinbrechen. Dean sieht noch einmal auf den Test, den er in der Hand hält. Er seufzt tief. Dann fährt er sich mit der freien Hand übers Gesicht und schaut zweifelnd hoch zu Eric's Zimmertür. »Ja! Ja, ich weiß!«, seufzt er und sieht seinen Sohn betrübt an. Dann verschwindet Jake.
*
Ich betrachte die Fotos, die inzwischen schon ganz abgegriffen sind und weine noch immer. Als ich keine Tränen mehr habe, starre ich an die Decke und versuche abermals mir alles in Erinnerung zu rufen, was wir jemals zusammen gemacht und geredet haben.
Es klopft an die Tür, aber durch den Schleier, der mich betäubt wie ein Narkosemittel, dringt es nicht wirklich bis zu meinem Bewusstsein durch.
»Dawn?«, ruft Dad von draußen.
Ich habe es gerade geschafft, mir Eric's Lächeln ganz nah an meine Seele zu holen. Es ist fast so etwas wie schön. Gerade jetzt darf mich niemand stören! Nicht jetzt! Ich sehe Eric's Gesicht ganz nah vor mir. Er wirkt traurig.
»Laufe nicht der Vergangenheit nach Dawny und verliere dich nicht in der Zukunft. Die Vergangenheit ist nicht mehr ...«
»... die Zukunft ist noch nicht gekommen. Das Leben ist hier und jetzt«, vollende ich. Es ist ein Spruch von Buddha. Ich sehe Eric an, mein Herz scheint erneut zu zerreißen. »Ich habe keine Zukunft und keine Gegenwart Eric! Nicht mehr! Ich will das alles nicht! Nicht ohne dich!« Er sieht mich mit gekräuselter Stirn unzufrieden an ...
»Dawn!«, Dad schüttelt mich. Eric's Bild verblasst, als würde es im Meer immer tiefer und tiefer sinken. Stattdessen erscheint Dad's Gesicht. Besorgt mustert er mich.
»Hey«, sagt er sanft und streicht mir über den Kopf. Langsam, nur ganz langsam, hebt sich der Schleier ein ganz klein wenig. Durch einen winzigen Spalt hindurch höre ich Dad's Stimme. Der Schleier lüftet sich noch ein wenig. Nun ist seine Stimme deutlicher und nicht mehr so verschwommen und weit weg.
»Wir müssen reden Dawn!«, sagt mein Vater streng. Ich sehe weg, zu Eric's Foto auf dem Nachttisch und seufze tief. Jetzt? Kann das nicht noch warten? So bis ungefähr ... bis kurz vor meinen Tod, den ich inzwischen sehr herbeisehne.
»Dawny, du ... Für uns alle ist es schwer! Aber du musst mal langsam wieder auftauchen und Leben!«, sagt er streng. »Dad ich ...« Tränen steigen auf und bahnen sich ihren Weg ins Freie. Verzweifelt sehe ich zu ihm hinüber.
»Schau dir nur an, was du in Physik geschrieben hast«, Dad's Stimme wird sanfter. »Ne sechs, ich kann's mir ja denken!« Dad schüttelt den Kopf und zeigt mir den Test. Da steht nur ein Wort auf dem Blatt, dafür aber über die gesamte Seite:
Eric!
»Ehrlich Schatz! So geht's nicht mehr weiter!« Ich weine immer mehr und Dad nimmt mich in tröstender Absicht in die Arme.
»Ich ... ich vermisse ihn so sehr!«, schluchze ich laut auf. Dad streicht mir über den Kopf. »Wir doch auch Schatz! Wir auch!«, seufzt er traurig. »Ich, ich hab ... ihn so geliebt!«, meine Schluchzer sind regelrecht schmerzhaft in meinem Brustkorb. »Oh Dawny, wir doch auch!«, seufzt Dad wieder. Ich löse mich langsam von ihm.
Ich glaube, das muss ich ihm jetzt mal erklären!
»Nein Dad! Nicht so wie du Chris oder Ryan ...« Ich zögere noch und halte vor Aufregung kurz die Luft an. Dad schaut mich nicht verstehend an. Ich atme einmal tief ein und aus, um mir Mut zu machen. »Eher so wie du Mom. Oder Chris Hayley. Oder Edward Bella oder Romeo ...« Abwehrend hebt Dad die Hände, »ich glaube ich hab's verstanden!« Kurz schweigt er nachdenklich. Er sieht zur Decke, wobei er die Augen nachdenklich zusammenkneift. Dann senkt sich sein Kopf zur Brust und er schüttelt ihn unmerklich, ehe er mich von der Seite her prüfend mustert. Seine Lippen verziehen sich nach oben. »Und ihr habt wirklich geglaubt, deine Mom und ich hätten das nicht gewusst?«, er grinst schelmisch. Ich halte inne und sehe ihn erstaunt an. Hat er das wirklich gerade gesagt? Keine Empörung? Keine Vorwürfe? Nichts? Überhaupt nichts dieser Art?
Sein offener Blick macht mir klar, dass ich mich wirklich nicht verhört habe. Trotz all der schrecklichen Geschehnisse muss ich plötzlich erleichtert kichern. Dad's Grinsen wird breiter. Es ist nur ein ganz kurzer Moment. Ein Hauch von Fröhlichkeit. Aber es tut gut! Ebenso wie die Tatsache, dass Dad überhaupt nicht entrüstet zu sein scheint, was ich eigentlich schon erwartet hatte. Es wirkt eher so, als würde mein Geständnis ihn ... freuen? Komisch!
Die Nähe, die ich auf einmal zu Dad spüre tut gut! Dann ist der Augenblick aber auch schon wieder vorbei. Erneut sammeln sich Tränen in meinen Augen. Dad zieht mich in die Arme und tröstet mich. Als ich vor Erschöpfung anfange wegzudämmern, deckt er mich zu und schleicht sich aus dem Zimmer. Der Schleier legt sich gleichzeitig mit der Decke wieder über mein Innerstes.
*
Ist das ein Traum? Ein Tagtraum? Oder doch eherPhantasie? Bin ich jetzt verrückt geworden? Alles fühlt sich so echt an! Soreal! Die Welt in der ich mich plötzlich wieder finde, ist eindeutig einebessere, als die mit den vielen Brüdern und einem Toten Eric! Es ist, als wäreich in einer anderen Dimension gelandet. Einer völlig anderen, besserenDimension!
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Dawn - Magisches Erwachen
ChickLit»Hola! Qué demonius haces tú aqui?« Seine Stimme klingt ... unglaublich! Wahnsinn, diese tiefen Vibrationen, die aus seiner Brust zu mir herüberschweben und ein aufgeregtes Prickeln über meine Haut jagen. Oh, oh! Das ist nicht ... gut! Was ist n...